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Schlüsselfragen im ICE-Halbfinale

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller analysiert die Halbfinal-Paarungen:

Schlüsselfragen im ICE-Halbfinale Foto: © GEPA

Favoritensiege in den ICE-Viertelfinali, für die Teams der Grunddurchgangsränge fünf bis acht reichte es erwartungsgemäß nur zu Achtungserfolgen.

Das Halbfinale in den ICE-Playoffs bestreiten damit der HC Bozen gegen die spusu Vienna Capitals und der KAC gegen Red Bull Salzburg.

Natürlich hat LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wieder eine genaue Einschätzung der Duelle parat, bei denen es wesentlich enger als noch im Viertelfinale zugehen sollte:

 

ICE, Halbfinali 1: Sonntag, ab 17:30 Uhr im LIVE-Ticker>>>

KAC (2.) – Red Bull Salzburg (3.)

Bisherige Ergebnisse: 4:1, 6:3, 3:5 (H), 2:4, 3:1, 5:2 (A)

Während das Bild des KAC schon seit Längerem klar ersichtlich ist, musste man sich mit den Red Bulls zuletzt erst Spiel für Spiel vertraut machen. Denn die Neuzugänge zur Transferdeadline veränderten das Bild gewaltig. Die Yin- und Yang Defender Stefan Espeland (Powerplayexperte, aber körperlich schwach) und Alexander Urbom (Stay-at-home D mit physischen Nachfragen bei Spielunterbrechungen, ohne Offensive) sowie die Rückkehr von Tyler Chorney ließen aus einer bisherigen Schwäche eine Stärke werden.

Spätestens als sich J.P. Lamoureux von einem wackeligen Playoff-Start erholte, war für Dornbirn nichts mehr zu holen, zwei Shut-Outs belegten die neugewonnene Defensivstärke. Dass das mit einem Vereinsrekord an Legionären – zeitweise mehr als bei den Bulldogs im Lineup – erkauft wurde, spiegelt auch die "Win-now"-Mentalität wider.

Schlüsselfragen:

Wie schnell und sicher verlässt der KAC das eigene Drittel?

Auf dem Papier ist die KAC-Defensive der der Roten Bullen klar unterlegen. Nach dem Ausfall von Paul Postma mangelt es an guten Puckträgern. Jeder Reverse kann damit zu einem Problem werden und die Klagenfurter in der eigenen Zone festnageln. Allerdings: Einen übermäßig aggressiven Forecheck spielen die Roten Bullen nur zeitweise, die oft minutenlangen Druckphasen der Vergangenheit waren heuer nur selten zu sehen.

Der KAC spielt seit dem Amtsantritt von Petri Matikainen ein defensiv solides System, in dem sich Defender wie Kele Steffler oder Thomas Vallant ohne Probleme zurechtfinden. In der offensiven Zone kann aber kaum einer der Klagenfurt-Defender für Aktivität sorgen, dafür sind Fastbreaks gegen die Klagenfurter eher selten. Ein schneller, sicherer Pass oder ein gefahrloser Transport des Pucks ins Mitteldrittel (gelang Dornbirn zum Schluss überhaupt nicht mehr) könnte hier entscheidend sein.

Line-Matching ja oder nein?

Spätestens ab Spiel 3 schickte Salzburg-Coach Matt McIlvane seine Linie mit Baltram-McIntyre-Hochkofler gegen Dornbirns Paradelinie Yogan-Rapuzzi-Luciani aufs Eis. Nicht nur, dass sie diese kaltstellten, standen sie bei den letzten beiden Spielen auch bei allen vier erzielten Treffern am Eis, vor allem Flo Baltram scorte mach Belieben. Dornbirn-Coach Kai Suikkanen ließ McIlvane gewähren. Tut dies auch Matikainen?

Allerdings ein großer Unterschied zu Dornbirn: Der KAC verfügt über weit mehr Tiefe im Kader, sowohl die Linie um Thomas Koch (mit Matt Fraser und Lukas Haudum) als auch die um Rok Ticar (Manuel Ganahl/Nik Petersen) kann jederzeit ein Spiel entscheiden. Spielt Line-Matching eine Rolle in dieser Serie oder nehmen es beide Coaches so wie es kommt?

Nicht zu vergessen: Auch und oft vor allem die Defender spielen in diesem Line-Matching eine große Rolle, hier könnte Urbom gegen die Top-Linien oft am Eis stehen. Oder dreht der KAC den Spieß um und setzt etwa die Geier-Linie (ist Manuel aber faceoffstark genug?) gegen eine der stärkeren Salzburg-Linien an?

Goalgetter im oder außer Dienst?

Dass die McIntyre-Linie die Serie gegen Dornbirn entschied, spricht für sie, aber nicht unbedingt für einige Goalgetter a.D. Rick Schofield und Jack Skille stehen noch ohne Playoff-Treffer da. John Hughes ließen die Dornbirner im Powerplay völlig ungehindert von hinter dem Tor in den Slot ziehen und hatten damit insofern recht, dass er mittlerweile Schüsse gar nicht mehr in Erwägung zieht und noch länger als sonst den perfekten Pass sucht.

Das alles kann sich aber schlagartig ändern, das Offensivpotential der Roten Bullen ist weiterhin groß, auch wenn das Team zeitweise etwas wenig dynamisch daherkommt. Austin Ortega fehlt noch ein Spiel, sein Speed und über die Spiele gewonnener Zug zum Tor geht sicher ab.

Beim KAC zog sich das Offensivpotential in den letzten Wochen bis in die dritte Linie um Thomas Hundertpfund, die Treffer von Samuel Witting (allerdings immer schon talentierter als sein älterer Bruder) waren ein willkommener Bonus. Rok Ticar hat sich von schwachen KHL-Jahren endgültig erholt, überraschend aber, dass der Playmaker so viele Tore erzielt. Nik Petersen hat derzeit noch Playoff-Steigerungspotential, Matt Fraser könnte (und muss vielleicht) in engen Spielen weiter der Game-Breaker sein.

HC Bozen (1.) – Vienna Capitals (4.)

Bisherige Ergebnisse: 3:2, 2:3 SO, 1:3 (H) – 2:3, 3:0, 4:3 OT (A)

Kann mir vorstellen, dass so mancher Spiel- bzw. Serienbericht schon geschrieben ist: "Eine mit illegal eingebürgerten Doppel-Staatsbürgern aufgeblasene Bozner Mannschaft knüppelt ein wehrloses Wiener Juniorenteam nieder". So zumindest der Tenor seit Saisonbeginn, der sicher auch unbeschadet aller Fakten in den Playoffs wieder aufgewärmt wird.

Doch die Serie könnte weit mehr interessante Details als populistische Parolen hergeben. Auch wenn Bozen in beiden Grunddurchgangsphasen weit vor den Wienern landete, waren alle Spiele immer ganz enge Kisten. Kein Wunder: Beide Teams ähneln sich mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Entscheiden Strafen die Serie?

Beide Teams spielen ein leidenschaftliches und (zeitweise) physisches Spiel, soweit man in der ICE überhaupt noch von physischem Spiel sprechen kann. Tun sie das nicht, berauben sie sich ihrer eigenen Stärken. Die Caps sind weiter mit Abstand das meistbestrafte Team der Liga. In Spiel eins gegen Fehervar drückten die Refs noch alle Hühneraugen zu, danach rissen sich die Wiener am Riemen und profitierten von der neugewonnenen Disziplin.

Trashtalk und einige Aktivitäten bei Unterbrechungen sind sicher angesagt, da werden sich beide Teams nichts schenken. Die Kernfragen: Können Cracks wie Mario Fischer und Ali Wukovits Checks ziel- und regelgerecht anbringen oder nehmen sie Strafen? Passieren Ty Loney oder Raffi Rotter das ein oder andere Frustfoul? Sorgt Mike Halmo für Verkehr vor dem gegnerischen Tor oder reibt er sich in Privatduellen auf? Sprengt Daniel Catenacci einige Scheiben frei oder geht er über die Grenzen? Wie auch immer – die Refs werden hier sicher gefordert sein, jeweils die Verursacher schnell herauszufiltern.

Bozens passives Penaltykilling?

Für mich die größte Schwäche über die ganze Saison bei einem ansonsten dominierenden HCB: Das Penaltykilling erholt sich einfach nicht. Faktisch vier der neun Gegentreffer in den Semifinali entsprangen Bratislava-Powerplays, das HCB-PK ist auch am Papier ganz schwach (77 Prozent).

Am Personal scheitert es sicher nicht: Daniel Frank, Anton Bernard, Luca Frigo oder Marco Insam spielen diese Rollen schon seit Jahren und auch an den Defendern kann es eigentlich nicht liegen, auch wenn Dylan Di Perna (kommt wieder zurück) zuletzt schmerzlich vermisst wurde. Aber das PK der Bozner übt nur sehr wenig Druck auf den Gegner aus, die Gegner können oft von den Halfwalls unbehelligt in den Slot ziehen und von dort schießen. Einzig Pässe von dort an die blaue Linie sollen ab und zu mit Stockarbeit vermieden werden, der Block steht meist sehr eng und passiv. Das nimmt im Slot zwar Eis weg, aber Halfwall-Spieler mit Abschlusspotential haben hier sicher Vorteile.

Wer löst sich besser aus der Defensive?

Bei Wien liegt sowohl in der offensiven Zone als auch bei der Spielauslösung vieles, wenn nicht alles, an Jerome Leduc und Alex Wall, letzterer ist ohnehin einer der Top-Scheibenträger der Liga. Bozen hat mit Nick Plastino, Dennis Robertson (immer schon ein bockstarker Defender, heuer aber mit offensivem Ausbruch), Gleason Fournier und mit Abstrichen Ben Youds mehrere Leute, die die Scheibe aus Drucksituationen passen oder spielen können. Karl Stollerys Rückkehr ist noch fraglich, aber mit DiPerna müssen die Bozner nicht nur mit fünfeinhalb Verteidigern agieren (Pietronieros Eiszeit fiel gegen Bratislava stark ab).

Beide Teams lieben es, Verkehr vor dem gegnerischen Tor zu kreieren. Wenn Bozen dies nicht tut – etwa im ersten Spiel gegen Bratislava – sieht der gegnerische Goalie gleich um ein bis zwei Klassen stärker aus.

Aber entscheidend: Wer geht mit den abspringenden Pucks besser um, kann Fastbreaks besser auslösen? Bozen hatte hier über die Saison gesehen sicher Vorteile, aber die Capitals zeigten sich hier zuletzt verbessert.

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