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Österreichs ICE-Torhüter: Eine aussterbende Spezies

Bei allen vier Halbfinalisten steht ein Import im Tor. Dazu gibt die Situation rund um Ali Schmidt zu denken. Ein Kommentar:

Österreichs ICE-Torhüter: Eine aussterbende Spezies Foto: © GEPA

HC Bozen, EC Red Bull Salzburg, KAC und die Vienna Capitals – sie spielen ab Freitag um den Einzug ins Finale der win2day ICE Hockey League.

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Diese vier Teams haben eines gemeinsam: Bei ihnen steht kein Österreicher im Tor. Gut, bei den "Foxes" wenig verwunderlich.

Dass in heimischen Gefilden auf Torhüter aus dem Ausland gesetzt wird, ist mittlerweile ebenfalls schon Usus, wenn nicht sogar zur Normalität geworden.

Nichtsdestotrotz ist es ein fatales Zeichen für das rot-weiß-rote Torhütertum.

Starkbaums Einser-Status bröckelt

Seit vielen Jahren ist die Position des Torwarts wohl die größte und zugleich am heißesten diskutierte Problemstelle im österreichischen Eishockey.

Im Nationalteam wurde der miserable Zustand in der Vergangenheit noch von Bernhard Starkbaum kaschiert, der gefühlt schon eine halbe Ewigkeit die Nummer eins mimt.

Der ehemalige Schweden- und Schweiz-Legionär wird allerdings nicht jünger, zählt inzwischen 37 Lenze. Und dürfte - zumindest zahlenmäßig - seinen Zenit überschritten haben. Die Fangquote rasselte von 92,1 Prozent im Vorjahr auf 89,7 in der laufenden Saison ab. Die Souveränität, die der Keeper in seinem Spiel stets strahlte, bröckelt dahin.

Im Playoff-Viertelfinale gegen den HC Innsbruck wurde er nach sieben Gegentoren aus zwei Spielen vom Schweden Stefan Steen aus dem Tor verdrängt, der wiederum zu einer Schlüsselfigur im weiteren Serienverlauf wurde.

Kickert aktuell nicht mehr als ein Bankerldrücker

Während Starkbaum den Großteil der Saison immerhin als etatmäßiger Stammtorhüter absolvierte, muss sich dessen designierter Nachfolger im ÖEHV-Team und ehemaliger Teamkollege David Kickert in Salzburg mit der Backup-Position begnügen.

Schon in Wien erhielt sein mit größerer Routine ausgestatteter Konkurrent zumeist den Vorzug, in Salzburg gestaltet es sich im Duell mit Atte Tolvanen ähnlich. Keine Überraschung, wurde der Finne doch in der Vorsaison für seine überragenden Leistungen am Weg zum Meistertitel als Playoff-MVP ausgezeichnet.

Wie sich die Situation in der Mozartstadt entwickelt hat, sollte Kickert jedoch nachdenklich stimmen. Teilte der scheidende Head Coach Matt McIlvane zu Saisonbeginn die Arbeit noch gerecht auf, stand Kickert seit Jahresbeginn nur noch sechs Mal am Eis.

Ob dies seinen bis dorthin eigentlich guten Leistungen gerecht wird, darüber ließe sich bestimmt debattieren. Aber Kickert MUSS gewusst haben, dass ihm solch ein Szenario in Salzburg drohen könnte.

Zufrieden kann er mit dem Ist-Zustand nicht sein, eine Verbesserung ist wahrscheinlich auch nur dann in Sicht, wenn Tolvanen den Klub im Sommer verlässt – und der neue Coach sich entscheidet, auf Kickert als Nummer eins zu setzen.

Kann ihm das nicht zugesichert werden, sollte er seine Zukunft bei den "Bullen" tunlichst überdenken. Mit seiner Erfahrung und dem zweifelsfrei vorhandenen Können darf er durchaus den Anspruch haben, bei einem ICE-Team einen Stammplatz einzunehmen.

Außerdem würde er dadurch seinen künftigen Einser-Status im ÖEHV rechtfertigen und Teamchef Roger Bader sicher die eine oder andere lästige Diskussion über die triste Lage am heimischen Torhüter-Sektor ersparen.

Backup - kennen Klagenfurt und Villach den Begriff überhaupt?

Eines muss man Salzburg und Wien zugute halten: Sie setz(t)en wenigstens auf einheimische Torhüter.

"Sie sind Egomanen, überlassen ihren Backups überhaupt keine Einsatzzeit. Diese könnten am Spieltag genauso gut in der Karibik urlauben, die Wirkung wäre diesselbe."

In der "Eishockey-Hochburg" Kärnten rühmt man sich dagegen mit nicht aus ihren Torräumen zu verdrängenden Imports. Ihre Namen: Sebastian Dahm und J.P. Lamoureux.

Beide sind unbestrittene Top-Männer ihres Fachs, stehen aber sinnbildlich für die in diesem Text behandelte Problematik.

Sie sind Egomanen, überlassen ihren Backups überhaupt keine Einsatzzeit. Diese könnten am Spieltag genauso gut in der Karibik urlauben, die Wirkung wäre diesselbe.

Dahm dominiert die Einsatz-Statistik in dieser Saison mit 50 Spielen, hinter ihm kommen Val Usnik und Florian Vorauer – von Bader immerhin schon mehrmals ins ÖEHV-Team einberufen – auf zwei Spiele bzw. eines.

Lamoureux befindet sich ICE-übergreifend auf Rang drei (44 Spiele), seinem nun ehemaligen Ersatz Alexander Schmidt überließ er ganze neun Mal das VSV-Tor – in den beiden Playoff-Spielen gegen den KAC auch nur deshalb, weil er in Spiel 3 die Nerven verlor und vom DOPS zwei Spiele gesperrt wurde.

Schmidts Entscheidung (hoffentlich) goldrichtig

Es kommt nicht zum ersten Mal vor, dass der US-Amerikaner einen jungen Österreicher aus dem Klub vergrault hat. Schon während seiner Zeit in Wien ließ er Kickert wenige bis gar keine Einsätze, der gebürtige Korneuburger flüchtete in der Folge nach Villach.

Dort konnte Schmidt auch nicht mit einem vertraglich vorgeschriebenem Fixum an Spielen (zumindest zehn Einsätze wären garantiert gewesen) davon überzeugt werden, ein neues Arbeitspapier zu unterschreiben. Genauso wenig wie die Aussicht auf einen Stammplatz bei AlpsHL-Kooperationspartner Kitzbühel.

Das Angebot glich zu einem gewissen Grad einer Verhöhnung. Das Talent – wenn man mit 23 Jahren überhaupt noch als solches beschrieben werden darf – sollte sich zu einem Zweitliga-Keeper degradieren lassen. Für seine Entwicklung sah der VSV dies als besten Schritt an.

"Wie soll etwa ein Nachwuchs-Keeper den Glauben daran haben, jemals Stammtorhüter in Österreichs höchster Spielklasse werden zu können, wenn ihm solch eine niederschmetternde Bilanz zu Gesichte geführt wird?"

Stattdessen geht der vierfache ÖEHV-Torwart das selbsternannte "Risiko" ein, Ende März – also während der laufenden Saison – ohne Vertrag für das nächste Jahr dazustehen. Diese Entscheidung kann viel mehr als Investition in die eigene Zukunft gesehen werden, denn bei seinem neuen Klub wird er nicht weniger als in Villach spielen.

Vorrangig sollte für Schmidt auf der Klubsuche eines sein: Vertrauen. Potenzial hat der eher kleingewachsene (1,78m) Keeper zur Genüge. Nun muss ihm ein Verein nur die richtige Perspektive aufzeigen.

Dass sich unter den möglichen Kandidaten die Vienna Capitals und Pioneers Vorarlberg genannt werden, sollte einen nicht verwundern. In Wien und Feldkirch sind mit Dave Barr und Marc Habscheid nämlich zwei Männer am Werk, die ein gewisses Händchen für junge, aufstrebende Spieler haben.

Ganz im Gegensatz zu Villachs Rob Daum, unter dem das Talente-Fließband auch in anderen Mannschaftsteilen gänzlich ins Stocken kam.

Weitreichende Probleme drohen

Der Mangel an rot-weiß-roten Torhütern wird durch solch ein Treiben nur verstärkt.

Bezeichnend: Unter den Top-10-Goalies mit den meisten Spielen in dieser Saison befindet sich kein einziger Österreicher. Unter den Top 20 sind es immerhin fünf. Ein Trend, der sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat – aber vermieden hätte werden können.

Wie soll etwa ein Nachwuchs-Keeper den Glauben haben, jemals Stammtorhüter in Österreichs höchster Spielklasse werden zu können, wenn ihm solch eine niederschmetternde Bilanz zu Gesichte geführt wird?

Diese Frage können nur die acht heimischen Klubs beantworten. Denn sie sind für die "aussterbende Spezies" verantwortlich. Und die Konsequenzen werden sogar das im Aufwind befindliche Nationalteam treffen.

Von den Vereinen eine konkrete Antwort zu erwarten, wäre jedoch fast zu viel verlangt. Daher kann nur gefordert werden: Bitte fördert den Nachwuchs!


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