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Was EBEL-Finalist HC Bozen zu bieten hat

LAOLA1-Scout Freimüller nimmt den EBEL-Champion 2014 unter die Lupe.

Was EBEL-Finalist HC Bozen zu bieten hat Foto: © GEPA

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Der HC Bozen steht im EBEL-Finale gegen Red Bull Salzburg - von Haus aus bereits eine gehörige Überraschung, nach dem bisherigen Saisonverlauf mutet das Kunststück der "Foxes" aber geradezu sensationell an. Von null auf hundert, oder im Fall der Bozner von Platz acht ins Endspiel.

Wie die Italiener im Halbfinale Champion Vienna Capitals aus dem Bewerb warfen, überraschte alle.

Was macht den HC Bozen aus? Ein Blick hinter die Kulissen sowie auf Schlüsselkräfte auf und abseits des Eises:

Auch LAOLA1-Scout Bernd Freimüller ist vom Finaleinzug der Foxes angetan. Der Experte versucht das "Wunder" zu entschlüsseln und kennt die Hauptdarsteller der Südtiroler Erfolgsgeschichte.

Kai Suikkanen

Vor allem die TV-Pundits haben ja vor dem Finnen regelrechte Bauchflecke hingelegt. Auch nicht verwunderlich: Wer ein Team vom letzten Platz ins Finale coacht, hat sich auch ausreichend Lob verdient.

Nur: Das Team overperformed bei ihm nicht annähernd so wie es unter seinem Vorgänger Pat Curcio underperformed hat. Unter diesem trat das Team völlig konzeptlos auf – kann sich jemand, der Bozen heute spielen sieht, noch vorstellen, dass sie etwa eine 7:4-Führung in Graz in den Schlussminuten noch vergeigten? Heute völlig unvorstellbar, doch selbst eine sehr gute Ansammlung von Einzelspielern braucht eine gewisse Führung, die Curcio nie geben konnte.

Der Kanadier hatte schnell Sündenböcke ausgemacht, doch als nach Goalie Marcel Melichercik noch weitere Cracks (wie etwa der heute sehr solide Matt Tomassoni) hätten weichen sollen, kamen dem ohnehin langmütigen Sportchef Dieter Knoll erste gröbere Zweifel.

Auch Curcios mehrmals geäußerte Aussage nach Niederlagen – "wir haben eine junge Mannschaft" – legte nahe, dass er in seiner eigenen Welt lebte. Melichercik war sicher nicht gut und das Team hatte einige Verletzungen zu verkraften, doch von einem Kader, der den letzten Platz rechtfertigen würde, waren die Italiener immer weit entfernt.

Suikkanen erwies sich in Bozen von Haus aus als pragmatischer Coach, der schon während der Phase des Kennenlernens das Line-up gar nicht so sehr umdrehte. Erst im Laufe der zweiten Saisonhälfte nahm er eine Umstellung vor, als er von vier (versucht) gleichstarken Linien auf drei plus eine Checkerlinie (Frank-Bernard-Frigo, sehr effektiv) umstellte.

Vor allem in den Playoffs verließ sich der HCB in Druckphasen des Gegners auf eine Collapse-Taktik, die Schüsse von den Außenseiten bereitwillig zulässt, Goalie Pekka Tuokkola freie Sicht gewährt und vor dem Tor aufräumt. Offensive entsteht meist aus Gegenstößen und aus dem wiedererstarkten Powerplay – dieses klappte längere Zeit nicht so gut wie unter Curcio, erwachte aber gerade im richtigen Moment gegen die Capitals wieder.

Wer das Bozner Eishockey sieht, kann diese Geschichte gar nicht glauben: Sowohl in Yaroslavl (2010/11, während der Saison gefeuert) als auch bei Kärpät Oulu (Vertrag 2017 vorzeitig aufgelöst) wurde Suikkanen entlassen, da er ein zu offensives und aggressives Hockey predigte, ohne die Pferde dafür zu haben. Als Vertreter der finnischen Catenaccio-Schule, wie ich im TV hören musste, geht er also nicht per se durch...

Pekka Tuokkola:

War in Klagenfurt ein Lottergoalie, wie der Schweizer Eishockey-Journalist Klaus Zaugg immer so schön sagt. Guten Partien folgten weniger gute mit fragwürdigen Gegentoren, vor allem eine gewisse Hyperaktivität, die ihn oft auch außerhalb seines Creases schlittern ließ, kennzeichnete sein Treiben. Er war auch heuer nur als Überbrückung vorgesehen, da sich Matt Climie in seinem ersten Spiel verletzte und dessen Nachfolger Jakub Sedlacek ein Angebot aus Bratislava annahm.

Als sich Climie wieder fit meldete, stand Knoll dann vor einer Entscheidung: Climie wieder anmelden und Tuokkolas Vertrag einfach auslaufen zu lassen oder Tuokkola zu behalten und Climie trotz Inaktivität auf der Lohnliste zu führen. Ein entscheidender Punkt: Tauschvorgänge standen keine mehr zur Verfügung, eine abermalige Verletzung von Climie hätte zum Desaster geführt.

Tuokkola blieb also auch über die Trading Deadline hinaus, hatte bis dahin aber bereits seinen gewichtigen Anteil an der Bozner Aufholjagd. Auch wenn er weiter für fragwürdige Gegentore gut ist, zeigte er vor allem gegen die Capitals eine Bierruhe und war weit öfters "square against the puck" als noch in Klagenfurt. "Lasst mir den ersten Schuss, ihr kümmert euch um den Rest", schien seine Körpersprache zu sagen und ließ diesem Versprechen auch Taten folgen.

Ob dieser Flow auch im Finale anhält – möglich, die Hand würde ich dafür aber nicht ins Feuer legen!

Dieter Knoll:

Durch einige TV-Interviews kennen ihn nun auch die österreichischen Eishockey-Fans, die Frage bleibt aber weiter bestehen: Wie schafft es gerade dieser ältere Herr ohne großen Eishockey-Background Jahr für Jahr, sehr gute Legionäre in die Liga zu locken und ein stets konkurrenzfähiges Team (keine EBEL-Playoffs ohne Bozen bisher) auf die Beine zu stellen?

Nun, Knoll hat eine Gabe, die vielen EBEL-Sportdirektoren oder Coaches abgeht: Er weiß, dass er nicht alles wissen kann. So vertraut er einem kleinen Kreis an Informationszuträgern, die ihm und seinem Sohn Georg einerseits Namen von interessanten Spielern zutragen, andrerseits Einschätzungen über die am Markt angebotenen Cracks frei nach dem Motto "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen" abliefern.

Knoll bewegt sich nicht aus Bozen heraus, ist kein Scout, diesen Teil der Aufgabe überlässt er anderen, aber ein Informations-Sammler. Und diese Informationen können sich auch mit einer gewissen Verspätung auszahlen: An Angelo Miceli etwa bohrte er drei Jahre, ehe der Italo-Kanadier (als Nullpunkter natürlich noch wichtiger als ohnehin) heuer im November endlich nach Bozen kam. Auch wenn die Südtiroler am Transfermarkt meist spät in die Gänge kommen, heißt das nicht, dass Knoll und seine Mitstreiter vorher nur die Bozner Sonne genießen: Am Tage des entscheidenden Playoff-Spiels in Wien – noch dazu Ostermontag! – recherchierte der Sportchef zwei Allsvenskan-Stürmer im Hinblick auf die nächste Saison – zwei Namen von Hunderten...

Nur einige Namen: MacGregor Sharp, Taylor Vause, Andrew Yogan, Sebastien Piche, Joel Broda oder Rick Schofield – alles EBEL-Spieler, die ihre Europa-Karriere in Bozen begannen und die alle am freien Markt zu haben waren. Die Südtiroler agieren hier oft als Clearing House für den Rest der Liga, die sich so auf indirektem Wege der Bozner Expertise bedienen.

Dieter Knoll steht in der Spieler-Akquise sicher über einem Großteil seiner Amtskollegen, ist aber auch nicht unfehlbar: Die Coaches Mario Simioni und eben Pat Curcio etwa setzte er bald wieder vor die Tür. Doch da gibt es auch kein Fingerzeigen auf etwaige Sündenböcke, auch hier gilt für Knoll: "The puck stops here", die Eishockey-Version von "Mea culpa".

Der italienische Kern:

Alex Egger, Anton Bernard, Markus Gander und Marco Insam waren über Jahre das einheimische Rückgrat des Teams. Nicht nur auf dem Eis, sondern vor allem daneben sorgten sie für einen Kern, der den Neuankömmlingen im nicht immer einfachen Umfeld (erst verspätet beziehbare Wohnungen zu Saisonbeginn) zur Seite stehen.

Insam wanderte vor der Saison nach Pori ab, Gander fiel nach einer Kieferverletzung der Punkteregel zum Opfer. Eigentlich unverzichtbare Kräfte, doch im Laufe der fünfjährigen EBEL-Zugehörigkeit hat sich einiges zum Besseren gewandelt: Der HCB und die italienischen (Südtiroler) Teams sowie deren Spieler haben zueinander gefunden. Sowohl das Team als auch Knoll hatten beim Eintritt in die EBEL in der Umgebung keine hohen Sympathiewerte, zu sehr galt der HCB als (abgehobener) Wasserkopf der italienischen Liga. Doch im Laufe der Jahre übersiedelten doch mehrere Cracks aus der Umgebung nach Bozen, die jetzt entweder wichtige Stammkräfte (Stefano Marchetti, Luca Frigo) oder zumindest vollwertige Einspringer (Daniel Glira, Viktor Schweitzer) mit geringen Punktewerten sind.

Eine Mär hält sich in der Liga hartnäckig: Bozen könne wie Zagreb Pässe bereitstellen. Ich kann mich an keinen einzigen Crack erinnern, der während seiner EBEL-Tätigkeit einen italienischen Pass bekam, im Gegenteil: Bei Cracks mit wunderbaren italienischen Nachnamen wie Phil DeSimone, Matt Tomassoni oder Domenic Monardo muss ich mich immer wieder daran erinnern, dass sie ganz normale Legionäre mit vier Punkten sind. Allerdings steht dem HCB natürlich der Markt an Spielern, die bereits mit einem italienischen Pass nach Europa kommen, weit offen: Miceli und Alex Petan sind natürlich Spitzenkräfte, der dritte im Bunde, Goalie Jake Smith, immerhin ein kostengünstiger Backup-Goalie.

Der italienische Kern, egal wo geboren, ergibt natürlich eine automatische Tiefe im Kader und meist auch eine erstaunliche Hingabe zum Arbeitgeber. Wer aber schon einmal einige Tage in dieser malerisch schönen Region verbracht hat, versteht diese auch...

Playoff-Performer:

Man sollte die Serien-Siege gegen den KAC und die Vienna Capitals ebenso wenig überbewerten wie die bescheidene Performance in der ersten Saisonhälfte. Anlässe zur neuen Euphorie in den Playoffs waren: Etwas Glück, Overtime-Siege und Treffer in den entscheidenden Phasen. Solche Momente gehören zu einem Erfolgsrun eines Grunddurchgang-Achten einfach dazu. Aber einige Cracks – bis dahin den österreichischen Fans und TV-Kommentatoren fast völlig unbekannt – erwiesen sich als Playoff-Performer:

Mike Angelidis Würde in der EBEL nur ein Sprintduell gewinnen, wenn sein Widerpart Shane O'Brien hieße. Doch der AHL-Veteran beweist stete Präsenz ums Tor herum, sorgt dort für Verkehr und Abfälscher und hat überhaupt verkannt gute Hände. Seine körperliche Präsenz und seine Leadership brachten ihn auch nach Bozen.

Mike Halmo – Auch wenn er derzeit weniger Punkte macht – Vorsicht wenn er auf dem Eis steht, diese Erfahrung mussten unter anderem Istvan Sofron, Ali Wukovits und Rafael Rotter machen. Halmo, keinswegs übermäßig groß von Statur, hat die seltene Gabe, harte, aber faire Checks durch den Körper hindurch zu setzen. DEL-Teams, die im letzten Sommer bei ihm zu zögerlich agierten, schätzen eine solche Gabe durchaus hoch ein...

Chris Carlisle und Robin Gartner – beide mit Gewichtsdefiziten und sie gehen auch keineswegs als große Offensivkräfte durch. Doch sie sind mobil, vertragen viel Eiszeit und finden den Weg aus engen Situationen, vor allem Carlisle ist ein Meister der 180- bzw. sogar 360°-Drehungen...

Matt Tomassoni – auf Curcios schwarzer Liste und auch danach lange ohne Powerplay-Zeit. Ist aber, wie er jetzt beweist, ein wertvoller Defender für alle Situationen und kann viel Eiszeit nehmen.

Mat Clark – ein typischer langjähriger AHL-Defender – groß, kräftig, nicht übermäßig beweglich und mit überschaubarer Stocktechnik. Fand sich am Beginn der Saison überraschend im Powerplay wieder, danach schien nach einer Knieverletzung die Saison schon beendet. Nach seiner Rückkehr ein wesentlicher physischer Faktor in einem körperlich nicht übermäßig starken Team.

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