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Die fünf möglichen Gründe für das Thiem-Tief

Tennis-Ass Dominic Thiem steckt in der Krise. Ursachen-Forschung:

Die fünf möglichen Gründe für das Thiem-Tief Foto: © getty

Jetzt ist es wohl amtlich: Dominic Thiem ist ähnlich wie im Vorjahr im Saison-Herbst in eine kleine Krise gerutscht.

In Tokio kassierte der 24-jährige Niederösterreicher gegen den US-Amerikaner Steve Johnson die zweite Auftaktniederlage in Folge. Seit seinem beeindruckenden Halbfinal-Einzug bei den French Open schaffte es Thiem bei neun Turnieren nur ein einziges Mal über das Achtelfinale hinaus.

Doch warum riss ähnlich wie im Vorjahr nach der Sandplatz-Saison plötzlich der Faden bei Östereichs Nummer eins?

Wir haben fünf mögliche Gründe für das Thiem-Tief gefunden:



Mangelndes Selbstvertrauen

Der Glaube an sich selbst ist im Tennis das Um und Auf. Nur wenn man davon überzeugt ist, den Ball richtig zu treffen, trifft man ihn auch richtig. Klingt einfach, ist aber eines der schwierigsten zu behebenden Probleme überhaupt in diesem Sport. Auf Sand gehört Dominic Thiem zu den Besten der Welt. Das weiß er, das wissen seine Gegner. Mit dem Wechsel auf Rasen kam der Motor nach den French Open ins Stottern. Auf diesem Belag fühlt sich der Lichtenwörther nicht wohl, sein gefürchteter Vorhand-Spin hilft ihm auf Gras nur wenig. Trotzdem zog sich Thiem ordentlich aus der Affäre. Doch auch der Start in die nordamerikanische Hartplatz-Tournee verlief nicht nach Wunsch. Bei den US Open kämpfte sich Österreichs Nummer eins zwar trotzdem bis ins Achtelfinale, dort setzte es aber nach einer 2:0-Satz-Führung die bittere Niederlage gegen einen gesundheitlich angeschlagenen Juan Martin Del Potro. Kein Wunder, dass das Selbstvertrauen nach so einem Match einen kleinen Knacks erleidet. "Ich spiele nicht schlecht. Ich muss vielleicht nur ein Match gewinnen, um wieder mehr Selbstvertrauen zu kriegen", klagte Thiem nach seinem Tokio-Aus.

Müdigkeit

"Dominic wirkt nicht frisch, weder körperlich noch geistig", analysierte Coach Günter Bresnik in seiner Fern-Diagnose die Erstrunden-Niederlage von Tokio. Die lange Saison hinterlässt sichtlich ihre Spuren. Und zwar nicht nur körperlich. Die eben angesprochenen Rückschläge müssen auch mental erst einmal ordentlich verdaut werden. "Er hat auch nicht sehr lustvoll gewirkt", kritisierte Bresnik den Auftritt gegen Johnson. Thiem zeigt sich gewohnt selbstkritisch, will die aktuellen Probleme nicht verleugnen, aber auch nicht überbewerten: "Die Saison ist immer lang, aber ich fühle mich okay, besser als letztes Jahr. Jeder ist ein bisserl müde, aber ich fühle mich okay."

Turnierplanung

Für einige Experten ist die angesprochene Müdigkeit allerdings auch teilweise selbstverschuldet. "Wenn ich wo ansetzen würde, dann bei der Turnierplanung. Es ist zwar besser geworden, aber noch immer nicht perfekt", meinte beispielsweise der ehemalige Fitness-Coach von Novak Djokvic, Gebhard Gritsch, in der vergangenen Woche bei einem Vortrag auf der Schmelz, als er auf die Entwicklung von Dominic Thiem angesprochen wurde. Gritsch bezieht sich damit auf die immer noch sehr hohe Anzahl von Turnier-Starts des Niederösterreichers. Mit 27 gespielten ATP-Events hat Thiem von allen Top-10-Spielern mit Abstand am meisten. Nur Alexander Zverev kommt mit 24 gespielten Turnieren auf eine ähnliche hohe Zahl. Vor allem so mancher Start bei einem kleinen 250er Turnier war in der Nachbetrachtung nicht sonderlich sinnvoll: Von fünf gespielten Events in dieser Kategorie schaffte es Thiem nur zwei Mal (Brisbane, Sydney zu Jahresbeginn) über sein Auftaktmatch hinaus und selbst dort war dann jeweils im nachfolgenden Spiel Endstation. Vergangene Woche in Chengdu klagte Thiem über den heftigen Jetlag. "Müde kann man einfach nicht gewinnen."



Belagswechsel

Wir haben es zu Beginn schon angesprochen: Während Dominic Thiem auf Sand aktuell wohl der zweitbeste Spieler der Welt ist, ist der Niederösterreicher auf Hartplatz und Rasen von diesem Ziel noch ein Stückchen entfernt. Sein Spiel mit dem harten Vorhand-Spin ist nun mal für die rote Asche prädestiniert. Thiem ist nicht der erste Sandplatz-Liebhaber, der sich mit diesen Problemen herumschlagen muss. Auch einem Rafael Nadal hatte man aufgrund seines Spielstils nie zugetraut, derartige Erfolge auf anderen Belägen zu feiern. Sogar zum Wimbledon-Sieger brachte es der Spanier in Folge. Thiem bleibt nichts anderes übrig, als seinen Weg weiter zu gehen und konsequent an einigen Schwächen zu arbeiten. So hat der Bresnik-Schützling vor allem beim Return und beim Volley-Spiel immer noch viel offenes Potenzial. Deshalb tritt Thiem auch immer noch bei vielen Turnieren im Doppelbewerb an. Denn gerade hier kann er sich diesbezüglich wichtige Match-Praxis holen, um diese Schwachstellen auszumerzen.

Stress

Seit über einem Jahr ist Dominic Thiem nun bereits fixer Bestandteil der Top 10. Mit diesem Status kommen nicht nur einige Rechte, sondern auch viele Pflichten einher. Medien-Termine, Aufnahmen für Werbe-Spots und Publicity-Aktionen der jeweiligen Turnier-Veranstalter sorgen bei den Top-Stars für gefüllte Termin-Kalender. Eine ungewohnte Situation mit der junge Spieler erst einmal umgehen lernen müssen. Der 24-jährige Thiem erledigte seine Aufgaben bislang ohne Murren und Allüren - doch natürlich rauben einem auch diese Auftritte Energie, die das eine oder andere Mal am Platz abgeht. Mit größerer Erfahrung wird Thiem lernen, mit diesem vollgefüllten Kalender umzugehen. Gerade bei neuen Stars ist es im Tennis-Zirkus ganz normal, dass sie nach einem oder zwei Jahren diese Anpassungsschwierigkeiten überwinden müssen.

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