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"Haben wir keine bessere Sportlerin des Jahres?"

Feld der Anwärterinnen zur Sportlerin des Jahres wirft Diskussion auf. Soziologe nimmt Stellung:

Hirscher oder Thiem. Oder gar ein Außenseitersieg etwa durch Jakob Pöltl?

Bei der Wahl zu Österreichs „Sportler des Jahres“ hat jeder seinen Favoriten – und auch jeder eine Meinung.

Ganz anders sieht es jedoch bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres“ aus. Wenn es um das Rennen zwischen Eva-Maria Brem, Ivona Dadic, Janine Flock, Magdalena Lobnig und Jasmin Ouschan geht, lautet der Grund-Tenor mit einem Mal: „Haben wir keine Besseren?“

Eine Reaktion, die bei genauerem Hinschauen jedoch verwundert, schließlich stehen da eine Weltcup-Disziplinensiegerin, eine EM-Dritte, eine Vize-Weltmeisterin, eine Europameisterin sowie eine Doppel-Europameisterin unter den letzten Fünf.

In Österreich kaum bekannt: Viktoria Schnaderbeck und Inga Orekhova

„Naja, aber das sind ja fast nur Randsportarten, die zählen nicht so viel“, heißt es dann schnell.

Was jedoch die Frage aufwirft, warum wiederum eine Viktoria Schnaderbeck, die heuer mit dem FC Bayern Meister wurde und sich mit den ÖFB-Damen erstmals für eine EM qualifizierte, oder eine Inga Orekhova, die als erste Österreicherin einst den Sprung in die WNBA schaffte, in Österreich praktisch kaum wahrgenommen werden bzw. wurden?

Sportsoziologe Otmar Weiß ortet das Grundproblem in einem generellen Unterbewerten von Frauensport. Speziell hierzulande. „Das ist typisch  für Österreich“, meint der Professer an der Uni Wien beim Blick auf die Medienanalyse von APA-DeFacto. Im Präsenzranking österreichischer Sportler in den heimischen Tageszeitungen scheint mit Cornelia Hütter die erste Frau erst an zehnter Stelle auf.

Im LAOLA1-Interview erklärt Weiß, was das Frauenbild im Sport prägt und wie Österreich im europäischen Vergleich dasteht:

LAOLA1: Herr Weiß, beschränkt sich die Unterbewertung von Frauensport auf Österreich?

Otmar Weiß: In Europa ist es unterschiedlich. In Österreich ist es nach wie vor stark ausgeprägt. In Skandinavien oder Deutschland ist es beispielsweise besser.

LAOLA1: Woran liegt das?

Weiß: In Österreich an den gewachsenen Strukturen. Sport ist hierzulande eine Männerdomäne. Das fängt bei den Aktivenzahlen an. Ein Drittel weniger Frauen als Männer treiben Sport.

Sportsoziologe Otmar Weiß nimmt die Medien in die Verantwortung

LAOLA1: Bedeutet das Präsenzranking, dass Medien nicht so gerne über Frauensport berichten oder dass die Leute nicht so gerne etwas über Frauensport lesen?

Weiß: Das hängt zusammen. Gerade der ORF bringt weniger Frauen- als Männersport. Das ist über Jahrzehnte hinweg evident. Insgesamt ist es ein gesellschaftliches Problem. Das fängt im Kindergarten, in der Schule und so weiter an und setzt sich in den Medien fort. Hauptsächlich sind jedoch die Medien schuld. Da besteht Aufholbedarf!

LAOLA1: Ihrer Kritik entgegne ich aus Mediensicht: Wenn ich einen Artikel über David Alaba publiziere, wird dieser für gewöhnlich öfter angeklickt als einer über Viktoria Schnaderbeck.

Weiß: Das verstehe ich. Dennoch besteht ein Zusammenhang, weil sich das Zuschauer-Interesse nun einmal daran anpasst, was von den Medien regelmäßig gebracht wird. Wenn immer nur Männersport gebracht wird, ist dieser attraktiver, weil er den Wahrnehmungsgewohnheiten entspricht. Ändert sich das nicht, ändern sich auch nicht die Wahrnehmungsgewohnheiten. Medien prägen unsere Vorstellung von Sport, wie Sport sein soll und was Sport überhaupt ist. Sie definieren eigentlich die Vorstellungen der Bevölkerung von Sport. Wenn da ein gewisses Frauenbild vorherrscht, dann ist das in unseren Köpfen automatisch drinnen. Im Umkehrschluss ist dieser Sport dann auch attraktiver.

LAOLA1: Welche Attribute muss eine Athletin in Österreich mitbringen, um breitenwirksam wahrgenommen zu werden?

Weiß: Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal muss sie erfolgreich sein. Bei Frauen ist aufgrund der überwiegend männlichen Rezipienten auch das Aussehen wichtig. Wie wichtig das ist, zeigt das Beispiel Anna Kournikova. Sie hat mehr verdient als alle anderen Tennis-Spielerinnen, ohne jedoch ein einziges WTA-Turnier gewonnen zu haben.

Österreichs Sportlerin des Jahres seit 2002
2015 Anna Fenninger Ski
2014 Anna Fenninger Ski
2013 Anna Fenninger Ski
2012 Marlies Schild Ski
2011 Elisabeth Görgl Ski
2010 Andrea Fischbacher Ski
2009 Mirna Jukic Schwimmen
2008 Mirna Jukic Schwimmen
2007 Nicole Hosp Ski
2006 Michaela Dorfmeister Ski
2005 Renate Götschl Ski
2004 Kate Allen Triathlon
2003 Michaela Dorfmeister Ski
2002 Mirna Jukic Schwimmen

LAOLA1: Seit 2002 wurde mit Ausnahme 2009 entweder eine Ski-Fahrerin oder eine Olympiamedaillengewinnerin „Sportlerin des Jahres“ – haben abseits dieser Plattformen Athletinnen in Österreich überhaupt die Möglichkeit, breitenwirksam wahrgenommen zu werden?

Weiß: Natürlich sind das Kriterien, aber die Wahl wird ja von Journalisten durchgeführt und die entscheiden. Olympia-Medaille ist vermutlich das wichtigste Kriterium, aber bei dem letztlich ausschlaggebenden Kriterien-Katalog hat jedes Land seine Eigenheiten. Wie bei uns etwa der Skilauf Nationalsport ist. Tennis wäre dagegen etwa eine Welt-Sportart. Optimal ist die Zusammenstellung des Kriterien-Katalogs nie. Es hängt immer von den Menschen ab.

LAOLA1: Was muss sich nun ändern – sind allein die Medien gefragt?

Weiß: Die Medien sind entscheidend in Bezug auf die Wahrnehmung des Sports in der Bevölkerung. Sie hätten hier die Verantwortung, ein ausgewogenes Bild zu zeichnen. Vor allem der ORF hat hier einen öffentlich rechtlichen Auftrag. Zudem gilt freilich: Je besser die Bildung funktioniert, umso aufgeklärter und gerechter entwickelt sich eine Gesellschaft. Umso mündiger werden die Menschen. In Österreich wird hier jedoch zu wenig investiert.

LAOLA1: Welche Tendenz ist bezüglich des Frauenbilds im Sport in Österreich festzustellen?

Weiß: Die Entwicklung verläuft nicht kontinuierlich, sie geht aber seit Jahrzehnten bergauf. Es gibt sehr wohl auch Rückfälle. Insgesamt herrscht seit dem zweiten Weltkrieg eine zunehmende Demokratisierung mitsamt einer Verbesserung des Bildungssystems. Im Zuge dessen hat sich das Frauenbild sehr zum Besseren gewendet, auch im Sport.

LAOLA1: Sport gilt als Spiegelbild der Gesellschaft. Heißt das im Umkehrschluss, dass die von Ihnen als positive Beispiele angeführten skandinavischen Länder und Deutschland ein fortschrittlicheres Frauenbild auch außerhalb des Sports haben als wir?

Weiß: In bestimmten Bereichen sind wir auch führend. Insgesamt steht Österreich in Europa nicht schlecht da. Gerade was die Geschlechterrollen angeht, liegen da einige Nationen noch weit hinter uns zurück. In Skandinavien waren eben die Emanzipations-Bestrebungen stärker wirksam. Zum Teil auch in Deutschland und Frankreich.
 

Das Interview führte Reinhold Pühringer



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