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Ein Sixpack kommt selten (von) allein

Rekordjagd auch ohne Kacheln. Lisa Zaiser mit der unrasierten Wahrheit über ihr Lehrjahr:

Ein Sixpack kommt selten (von) allein

Es gibt Dinge, die sich ins Gedächtnis eines Sportlers regelrecht einbrennen.

Während ein Ruderer praktisch jedes „Wimmerl“ am Rücken seines Vordermannes identifizieren kann, kann ein Radfahrer seine Teamkollegen alleine an deren Hinternform unterscheiden. So heißt es zumindest.

Den Schwimmern wird indes nachgesagt, punktgenau zu wissen, wie viele Kacheln ihr Trainingsbecken lang ist. Diese zu zählen gehöre zu den „Hobbies“ der Beckenstrampler beim stundenlangen Bahnenziehen.

Ein Vorurteil, mit welchem Lisa Zaiser jedoch bricht. Allerdings aus einem recht banalen Grund: „In Linz haben wir ein Alu-Becken.“

Die Linzer Schwimmer deswegen als unterprivilegiert zu bezeichnen, würde freilich zu weit gehen. Zumal die Trainings-Gruppe rund um Trainer Marco Wolf – oder kurz: die „Wolf-Gang“ – als verlässliche Leistungszelle der heimischen Chlor-Szene gilt. Selbst in unruhigeren Zeiten.

Allen voran Zaiser, die mit ihren 2:12,98 Minuten über 200m Lagen vor knapp zwei Wochen bei der ATUS-Trophy in Graz auf recht eindrucksvolle Weise das Olympia-Ticket endgültig löste.


Ihre Reaktion dazu auf Facebook:


Richtig verdrängt ist halb gewonnen

Das beweist freilich, dass es auch ganz ohne Kachelzählen geht. Zugegeben wird es dieser Zeitvertreib aber wohl ohnehin nie in den Rang eines Olympia-Kriteriums schaffen. Deshalb auch genug damit.

Denn auch ohne erkennbare Boden-Musterungen hat Zaiser in der Saison-Vorbereitung ordentlich Wasser verdrängt. Oder besser gesagt: „Kilometer gefressen“, wie es die gebürtige Kärntnerin im Athleten-Jargon so schön auf den Punkt bringt.

Selbst vor dem Meeting in Graz war Zaiser 40 bis 50 Kilometer pro Woche geschwommen, also ungefähr jene Strecke von Wien nach Bratislava. Aber das richtige Kilometerfressen sei jetzt vorbei, zu nah sei die am 9. Mai in London beginnende Langbahn-EM schon gerückt.

Die Wahrheit über das Titelbild

2014 sorgte die mittlerweile 21-Jährige in Berlin mit Lagen-Bronze für die einzige österreichische EM-Medaille. Ein Erfolg, der die aufgeweckte Hobby-Fotografin endgültig als Alpha-Tier unter den österreichischen See-Pferdchen positionierte.

Der bislang stete Aufstieg der Blondine bekam in ihrem zweiten Jahr nach dem Wechsel vom Kärntner Heimatverein Spittal nach Linz jedoch einen Knacks. Der erhoffte Zeitensprung unter 2:12 blieb aus. Sie stagnierte.

„Sicher ist es hart, wenn du nach dem Anschlag auf die Anzeigetafel schaust und du zum ungefähr 27. Mal 2:12 geschwommen bist“, spricht sie offen über Enttäuschungen. Doch diese Momente seien nicht die vorrangigen Dinge, die sie aus dieser Zeit mitgenommen hat.

„Ich würde viel eher sagen, dass das letzte Jahr ein sehr wichtiges für mich war, in dem ich mich extrem weiterentwickelt habe. Körperlich habe ich mich um 180 Grad gedreht.“ Ihre Fortschritte im Krafttraining beschreibt sie als eklatant. „In Kärnten bestanden meine Kraft-Einheiten aus Zugseil-Ziehen. Also jener Bewegung, die ich danach eh zwei Stunden lang im Becken gemacht habe.“

Trainer Wolf krempelte das von vorne bis hinten um, was nicht nur sportliche, sondern auch optische Veränderungen nach sich zog. „Von einem Bauchmuskel hat man bei mir vorher gar nichts gesehen. Jetzt kann man schon sagen, dass da ein Sixpack ist“, schmunzelt Zaiser.

Das „Bodybuilder“-Foto (siehe Titelbild) ihrer Trainingsgruppe – pardon: der „Wolf-Gang“ – dürfe dafür aber nicht als Beweis herhalten. „Solche Muckis – das sollte mit einem Augenzwinkern zu verstehen sein und wurde ein klein wenig bearbeitet.“ Na gut, ein Eyecatcher ist es aber allemal.

Zaiser hat nicht nur mit Alu, sondern auch mit dem Eisen Freundschaft geschlossen

Nichtsdestoweniger purzelten bei Zaiser im vergangenen Jahr die Kilos. „Als Mädel hörst du ja praktisch in deiner ganzen Jugend, dass da ein bisschen zu viel ist und dort ein bisschen weniger nicht schaden wurde. Und auf einmal nimmst du dann fast von alleine ab, wenn sich die Muskeln mit einem mal aufbauen und du gefällst dir immer mehr“, freut sie sich über den „netten Nebeneffekt“.

Kurzer Nachsatz für den Leser zu „fast von alleine abnehmen“: die Strecke von Wien nach Bratislava…

Verwässerte Theorie

Wie genau sich ihre nur mehr 63 Kilo auf die schwimmerische Darbietung auswirken, sei aber gar nicht so leicht zu sagen. Denn während in andere Sportarten eine klare Korrelation zwischen Lebendmasse und Leistung bekannt ist, existiert im Schwimmen kein Patentrezept.

„In der Theorie ist es schon so, dass umso besser ist, je weniger du mitziehen musst. Aber auf der anderen Seite gibt es Bespiele wie eine Katinka Hosszu“, so Zaiser. Die ungarische Ausnahme-Athletin, die derzeit alles in Grund und Boden schwimmt, sei mit 73 kg Muskelmasse physisch schon eher mit einem Mann zu vergleichen.

Ein Sixpack sei also gar kein Muss.


Apropos Hosszu - Die Ungarin hat auch in der Watersliding-Competition gegen Zaiser die Nase vorne:


Einige Unchlorheiten

Zaisers Zeit aus Graz lässt hoffen, dass ihr der Sprung unter ihren OSV-Rekord von 2:12,09 Minuten heuer gelingen könnte. Vor allem, da sie für das Rennen in der Murstadt weder rasiert war, noch richtig abtrainiert oder einen neuen Anzug hatte. Das macht auch der Projekt-Rio-Athletin Mut. „Ich träume noch immer von einer 2:11 Mitte bis nieder. Das ist mein persönliches Saisonziel.“

Schon eine 2:12 könnte bei der anstehenden EM für einen Top-Ten-Platz reichen. „Bei dieser EM ist halt die Frage, wer überhaupt startet und wer wie in Form ist.“ Denn schließlich werden viele Stars schon mit einem Auge auf die Olympischen Spiele schauen.

Die „Wolf-Gang“ werde die Trainings-Belastung für London aber sehr wohl herunterschrauben, „weil dort alleine schon von der Platzierung her viel mehr möglich sein wird als bei den Spielen.“

Und es wäre bestimmt lohnender, ein gutes EM-Ergebnis im Gedächtnis zu behalten als irgendwelche Kacheln.

 

Reinhold Pühringer


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Ein von Lisa (@lisazaiser) gepostetes Video am


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