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Der Start in Österreichs neue Schwimm-Ära?

FH Wr. Neustadt sorgt für Unterstützung der heimischen Schwimm-Asse:

Der Start in Österreichs neue Schwimm-Ära? Foto: © GEPA

Zwölf Jahre schon liegen die ganz großen Erfolge des österreichischen Schwimmverbands (OSV) zurück.

Im turbulenten und durch Corona stark beeinträchtigen Sportjahr 2020 bleibt den Athletinnen und Athleten nur noch eine Möglichkeit, beim Einladungssturnier "ANOROC" des OSV (Olympia-Qualifikationsmeeting) ihr Können unter Beweis zu stellen (LAOLA1 zeigt alle Entscheidungen bis So., 20.12. im LIVE-Stream) und ehemaligen Größen nachzueifern.

Mirna Jukic und Markus Rogan bescherten Rot-Weiß-Rot Anfang des neuen Jahrtausends einen Höhenflug. Mit zwei olympischen Silbermedaillen bei den Sommerspielen in Athen 2004 krönte Rogan seine bereits damals erfolgreiche Karriere. Jukic holte 2008 in Peking Bronze.

Seitdem ist es stiller geworden um die OSV-Schwimmer. Lisa Zaiser machte 2014 auf der internationalen Bühne auf sich aufmerksam. Bei der Europameisterschaft gewann sie auf 200 Metern Lagen die Bronzemedaille.

Als Hoffnungsträger des OSV gelten Felix Auböck, dreifacher österreichischer Rekordhalter und Caroline Pilhatsch, Gold- und Bronzegewinnerin bei den Europaspielen 2015. Sie haben bereits gezeigt, dass sie mit der Weltspitze mithalten können. Nur für ganz vorne hat es noch nicht gereicht. Doch das soll sich ändern.

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Projekt der Fachhochschule soll Erfolge bringen

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Um an die vergangenen Erfolge von Jukic und Rogan anknüpfen zu können, könnte ein Projekt der Fachhochschule Wiener Neustadt helfen. Dort arbeiten Erich Neulinger, Schwimmtrainer und Jugendschwimmwart von Niederösterreich, Trainingswissenschaftler Dr. Klaus Wirth und Ingenieur Dr. Markus Hochrainer gemeinsam mit Studenten der FH seit zwei Jahren an der Entwicklung eines Mess-Startblocks.

Dieser soll dabei helfen, die Zeiten der österreichischen Schwimmer beim Startsprung zu verbessern. "Der Start hat sich in den letzten Jahren als extrem wichtig gezeigt, weil man dadurch ein Rennen gewinnen oder verlieren kann", sagt Neulinger. "Besonders bei den 50 Metern ist der Startsprung rennentscheidend."

Mess-Startblock analysiert Startsprung

Durch den Mess-Startblock soll der Startsprung der österreichischen Schwimmer analysiert und optimiert werden. Denn der Messstartblock gibt genaue Informationen über die Kräfte und deren horizontale und vertikale Verteilung beim Startsprung ab. Auf einem Bildschirm am Startblock werden diese Informationen angezeigt.

"Nach dem Startsprung kommt der Sportler direkt an den Bildschirm und sieht sich seinen Absprung an. Es wird analysiert, ob zum Beispiel der Fuß zu weit unten war, das Knie zu weit vorne. An diesen Details wird dann gearbeitet", erklärt Neulinger und ergänzt: "Es nützt nichts, wenn ich beim Absprung hohe Beschleunigungen erziele, aber flach ins Wasser eintauche. Ich muss die Geschwindigkeit, die ich ins Wasser mitnehme, so lange wie möglich aufrechterhalten. Denn sobald man mit dem Schwimmen beginnt, ist man langsamer." Der richtige Absprung ist also rennentscheidend.

Noch kein Mess-Startblock in Österreich

In Österreich ist ein solcher Mess-Startblock noch nicht vorhanden. Die Schwimmer mussten bislang nach Deutschland fahren, um dort ein optimales Startblocktraining zu absolvieren. Die Kosten dafür sind hoch. "In Hamburg kann man zum Beispiel eine komplexe Leistungsdiagnostik buchen. Als Sportler aus dem Ausland muss man jedoch jede einzelne Maßnahme bezahlen", sagt Neulinger.

Ein eigener Startblock im Land würde Erleichterung schaffen. Die Idee dazu kam Neulinger bereits früh: "Mit einem meiner Schwimmer war ich 1990 in einem Leipziger Trainingszentrum. Dort habe ich erstmals gesehen, wie ein spezifisches Startblocktraining abläuft. Die Analysen und unser darauf ausgerichtetes Training zeigten im Wettkampf ihre Wirkung, der Schwimmer war beim Start vorne."

Über die Jahre setzte sich Neulinger immer mehr mit dem optimalen Startsprung auseinander. Der Jugendwart war überzeugt, dass die österreichischen Schwimmer nur durch ein spezifisches Messstartblock-Training langfristig wieder Erfolge haben werden. Nach den Olympischen Spielen in London ging er zum Präsidenten des Landesschwimmverbands und schlug das Projekt vor. Dieser willigte sofort ein.

FH-Studenten beschleunigten Projekt

Dr. Markus Hochrainer ist einer der Entwickler des Messstartblocks

Der Zufall, der die Durchführung beschleunigte, erfolgte durch Studenten der FH, die im Team von Neulinger mittrainieren. "Ein Student hatte mich nach einer Idee für ein Diplomarbeitsthema gefragt. Ich gab ihm den Tipp, über den Startsprung zu schreiben", erzählt Neulinger. "Parallel dazu hatte ich eine Studentin im Team, die Mechatronik studiert. Sie wollte ebenfalls an dem Projekt mitarbeiten." Gemeinsam mit den Studenten arbeiteten Neulinger und Dr. Markus Hochrainer an der Entwicklung. Während Neulinger die Idee ins Rollen brachte, lag die technische Erarbeitung bei Hochrainer.

"Von meiner Sicht aus, ist die fächerübergreifende Arbeit das spannende", erklärt Hochrainer. "Ein Techniker allein könnte die Herausforderung nicht lösen. Es gibt wahnsinnig viel Input von den Trainern. Mein Part ist es, die Messtechnik bereitzustellen, sicherzugehen, dass wir gute Signale haben, um eine gute Videoaufnahme zu erzielen."

In vielen kleinen Teilschritten entwickelte der Ingenieur den Messstartblock, wurde dabei aber auch immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt: "Abgesehen von der Technik ist noch viel mehr zu beachten. Der Startblock ist nicht gerade leicht, er muss hin- und hergetragen werden. Wir waren oft in der Schwimmhalle, haben überlegt, wie eine Installation überhaupt möglich wäre." Außerdem musste das Gerät Chlor-resistent sein, die einzelnen Sensoren umso robuster.

Eigene Entwicklung günstiger als Kauf

Das Projekt ist kostspielig, dennoch ist eine eigene Entwicklung deutlich günstiger als ein direkter Kauf. Da der Messstartblock überregional eingesetzt werden soll, beteiligen sich der Niederösterreichische Schwimmverband, der Österreichische Schwimmverband und das Trainingszentrum in der Südstadt, in dem der Startblock aufgestellt werden soll, finanziell an der Entwicklung.

Der Startblock ist außerdem nicht nur für Österreichs Top-Schwimmer gedacht. "Eine Vielzahl von Leistungssportlern soll Zugang zum Messstartblock haben, aber wir haben das Gerät auch für die Schwimmer entwickelt, die nicht zur Spitze gehören", sagt Hochrainer. Neulinger ergänzt: "Auch der Nachwuchs soll möglichst früh lernen, wie ein Start am besten funktioniert."

Wirth: "Keiner weiß, ob Schwimmer optimal abspringen"

Das Trio um Nerlinger und Hochrainer komplettiert Dr. Klaus Wirth. Seine Hauptaufgabe im Projekt wird erst nach der Entwicklung beginnen. "Die Frage, mit der ich mich beschäftige, ist, wie wir das Projekt weiterentwickeln."

Dabei schielt Wirth sogar auf eine kleine Revolution im Schwimmsport. Keiner weiß, ob die besten Schwimmer der Welt wirklich optimal vom Startblock abspringen oder ob eine andere Technik einen größeren Erfolg bringen würde.

Führt Messstartblock zu Technik-Änderung?

Es wäre bei Weitem nicht die erste Technik-Änderung im Sport: Der schwedische Skispringer Jan Boklöv revolutionierte das Skispringen mit dem V-Stil, Dick Fosbery veränderte den Hochsprung, als er anstelle des Streddles die Latte rückwärts mit dem Fosbery-Flop überquerte.

Könnte so eine Revolution auch im Schwimmen stattfinden? "Nein, das ist nicht möglich", sagt Wirth. "Wir reden beim Schwimm-Start über Nuancen. Dass man die Füße fünf Zentimeter enger stellt, um vielleicht so fünf Hundertstel herauszuholen. Das kann auf 50 Metern entscheidend sein. Es geht nur um Kleinigkeiten, die in der Weltspitze allerdings entscheidend sind."

Prozess kann lange dauern

Dr. Klaus Wirth hat viel vor mit dem Projekt

Um an der Start-Technik der Athleten zu feilen, steht Wirth jedoch vor Herausforderungen: "Die Frage ist, mit wem kann man arbeiten? Ich kann nicht am Start von jemandem herumspielen, der zu Olympia will." Ein weiteres Problem liegt in der Ausführung: "Man muss unterscheiden zwischen der reinen Diagnostik und dem Prozess. Der Prozess dauert, je nachdem wie sehr das Feintuning ist, Wochen oder Monate. Wie schnell es aber wirklich geht, ist von Sportler zu Sportler verschieden. Es ist nicht mit einer Stunde Messstartblock-Training getan", sagt Wirth. Neulinger ergänzt, dass vor allem der Wettkampfstress dem Sportler zusetzen kann: "Der Sprung muss so gefestigt sein, dass der Schwimmer unter Druck auch den besten Sprung zeigt."

Messstartblock-Training für Tokio?

Im Idealfall könnten die österreichischen Top-Schwimmer also bereits für die Olympischen Spiele in Tokio 2021 mit dem Messstartblock trainieren. Ob Veränderungen am Startverhalten aber bereits in einem Jahr erkennbar sein können, ist nicht sicher.

Neulinger erhofft sich neben verbesserten Zeiten vor allem auch ein neues Ansehen in der Welt in Bezug auf den österreichischen Schwimmsport: "Bei internationalen Großereignissen gibt es immer Analysen, die zeigen, wer worin besonders gut war. Wenn es einmal heißt: 'Die österreichischen Schwimmer hatten alle einen Super-Start, was haben die besonders gut gemacht?'‘, wäre das für uns ein großer Erfolg, das Vorbild bei einer Analyse zu sein." Sollte das gelingen, könnte Österreich vielleicht bald wieder an vergangene Erfolge anknüpfen.


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