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ÖHB-Team nach Chile-Pleite: "Was wollen wir hier?"

Fassungslosigkeit in Rot-Weiß-Rot nach dem Bauchfleck gegen Chile. Keine Aufstiegs-Illusionen.

ÖHB-Team nach Chile-Pleite: Foto: © GEPA

Es hätte ein Pflichtsieg auf dem Weg zur Zwischenrunde sein sollen.

Stattdessen kassierte das ÖHB-Nationalteam beim zweiten WM-Auftritt in Dänemark mit dem 24:32 gegen Chile eine richtige Abfuhr (Spielbericht).

Schon nach der zweiten Partie, die man binnen 21 Stunden nach dem erfolgreichen Auftakt gegen Saudi-Arabien bestreiten musste, ist dieses Ziel kaum mehr realistisch.

Österreich ließ viele Qualitäten vermissen, agierte in der Defensive zu zahm, in der Offensive zu unüberlegt und teilweise auch glücklos.

Nach einer erkämpften 15:14-Halbzeitführung der ÖHB-Mannen drehte Chile in der zweiten Halbzeit auf und fuhr mit der Truppe von Patrekur Johannesson Schlitten.

Lange Gesichter nach dem Schlusspfiff und Erklärungslosigkeit angesichts des abgelieferten Auftritts waren die Folge.

"Peinlich"

Am drastischsten drückte es Robert Weber aus: "Es ist beschämend. Chile hat uns vorgeführt. Das war keine Werbung für den österreichischen Handball. Peinlich. Was wollen wir hier? Wenn du Chile nicht schlagen kannst… ich habe keine Worte."

Er konnte das Geschehen kaum fassen und fühlte sich an die WM 2011 erinnert. Damals folgte dem Auftaktsieg über Brasilien die Niederlage gegen Japan, die das Vorrundenaus besiegelte.

"Vielleicht haben wir geglaubt, dass wir der sichere Sieger sind. Auf dem Papier haben wir die besseren Spieler, aber Chile hatte die bessere Mannschaft und war gemeinsam stark", sagte Österreichs Flügel-Routinier.

"Wenn wir eine Mannschaft sein wollen, die in die Hauptrunde kommt, musst du so wie Dänemark mit 15 zur Halbzeit führen", erinnerte er an die dänische 39:16-Abfuhr für Chile.

Den chilenischen Tormann warmgeschossen

So viel gegen Saudi-Arabien zusammenlief, so wenig gelang Österreich gegen die Südamerikaner.

Im Gegensatz zum Vortag konnten die Schlussmänner Kristian Pilipovic und Nikola Marinovic die behäbige Abwehrleistung ihrer Vorderleute nicht ausbaden. Österreichs Team wirkte träge.

"Wir haben schlecht gespielt. Auf jeder Position. Chile war schneller, wendiger", hatte ÖHB-Teamchef Johannesson trotz des "guten Gefühls" zur Halbzeit schließlich viel Grund zur Sorge.

"Schwierig, aber so ist das Leben. Wir müssen weiterarbeiten. Es ist eine junge Mannschaft, wir haben auch Verletzte. Aber ich will keine Ausreden suchen. Ich glaube, dass es einfach am Kopf lag. Das Problem war diese Hektik nach vorne. Wir haben angefangen, an uns zu zweifeln. Wir haben den chilenischen Tormann warmgeschossen."

Die leicht angeschlagen aus dem Auftakt gegen Saudi-Arabien hervorgegangenen Robert Weber und Lukas Herburger wirkten mit, Nikola Bilyk trug sich erneut mit sieben Treffern in die Schützenliste ein – nicht genug.

Chile? "Das, was jedes Team auf der Welt kann"

Der Kapitän bekrittelte "zu einfache Tore", die man über die erste und zweite Welle der Chilenen bekommen habe.

"Wir haben den Ball vorne zu schnell weggeworfen, sind dann unter die Räder gekommen. Ich glaube, durch die Fehlwürfe, die wir praktiziert haben, die zu schnellen Gegentoren führten, haben wir nicht richtig ins Spiel gefunden – jeder von uns wollte zuviel", so der Kiel-Legionär.

"Dann hat Chile das gemacht, was jedes Team auf der Welt kann: Nach vorne laufen und die einfachen Tore machen."

In Summe hätten viele Komponenten nicht zusammengepasst, das führe zu so einem Resultat. Auf Johannesson kommt jedenfalls viel Analyse-Arbeit zu.

Keine Illusionen über den Aufstieg

Die Zeit dafür kann er sich am Sonntag nehmen, wenn das ÖHB-Team spielfrei ist. Am Montag und Dienstag warten die schwersten Aufgaben gegen Vizeweltmeister Norwegen und Gastgeber Dänemark.

Partien, aus denen man eigentlich keine Punkte eingeplant hatte – das könnte nun notwendig sein. Andernfalls ist man auf Schützenhilfe angewiesen.

Durch die hohe Niederlage gegen Chile ist ein Punktegleichstand mit den Südamerikanern und Tunesien die realistischste Variante, die noch einen Aufstieg ermöglichen würde – unter der Annahme, dass keiner der Außenseiter gegen Norwegen und Dänemark überrascht, aber alle gegen Saudi-Arabien souverän bleiben.

Selbst dann bräuchte es wohl einen hohen Erfolg gegen die Nordafrikaner, gegen die man schon vor dem Turnier auf ein Entscheidungsspiel schielte.

Eine Konstellation, über die Robert Weber im Moment nur nüchtern sagt: "Jetzt ist es erst einmal nach so einem Spiel schwierig, daran überhaupt noch zu denken."

Sieg über Österreich wie ein Märchen für Chile

Bei Gegner Chile herrscht hingegen Stimmung wie am Nationalfeiertag.

"Das ist unser Traum. Unser Trainer hat uns vor sechs Monaten gesagt, dass wir Österreich schlagen können. Und wir haben an etwas geglaubt, das uns niemand zugetraut hat", erklärt Chiles "Man of the Match", Erwin Feuchtmann, 2016/17 bei Westwien unter Vertrag.

Es sei auch ein Sieg des Willens gewesen: "Viele Leute in Chile spielen Handball für nichts. Österreich, das sind alle Profis - vielleicht sind sie bequemer."

Kreisläufer Marco Oneto stieß nach dem erst zweiten Sieg Chiles bei einer WM ins selbe Horn.

"Wir haben keine große Unterstützung, wir machen diesen Sport, weil wir ihn lieben", erklärt der Kreisläufer, bei Magdeburg einst Teamkollege von Robert Weber.

Diese Liebe könnten sie bis in die Zwischenrunde tragen, eigentlich das große ÖHB-Ziel.

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