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"Im Prinzip habe ich einen sehr einfachen Job"

Einen Monat nach "Signing Day" spricht NFL-Hoffnung Thomas Schaffer über Veränderungen:

Wirklich auf einen Überraschungsgast gefasst war die versammelte Medienschar nicht, als man sich zur Eröffnungs-Pressekonferenz der neuen Saison in der Austrian Football League einfand.

Doch Österreichs größter Hoffnungsträger im Vollkontaktsport, Thomas Schaffer, legt aktuell einen kurzen Heimatbesuch ein, bevor es in die letzten Wochen auf der High School geht.

Gleich im Anschluss beginnt für den 19-Jährigen, einst beim AFL-Klub Mödling Rangers ausgebildet, das große Abenteuer College Football an der renommierten Universität von Stanford.

Im Rahmen dieses Abstechers ins spätwinterliche Wien ließ sich der Defensive End auf Einladung seiner ehemaligen Wegbereiter nicht nehmen, den Medientermin mit seiner Anwesenheit abzurunden. Einen Monat nach dem „Signing Day“ – LAOLA1 berichtete – ist die Aufregung keineswegs aus dem Kopf des 2,00 Meter großen und 120 Kilogramm schweren Jung-Athleten gewichen.

Im Interview spricht Thomas Schaffer über seine bisherige Vorbereitung auf die neue Aufgabe, die Erwartungen der Coaches, sein NFL-Vorbild und die Chancen im ersten Jahr seiner College-Karriere.

LAOLA1: Der Signing Day liegt nun einen Monat zurück – war das schon Zeit genug, diesen großen Schritt im Kopf setzen zu lassen?

Thomas Schaffer: Dass es passieren könnte, nächstes Jahr am Feld zu stehen und vor 50.000 Leuten im Stadion und einer weiteren Million vor dem Fernseher zu spielen, habe ich noch immer nicht realisiert. Ich glaube, das wird sich erst nach dem ersten Monat am Campus ergeben.

LAOLA1: Es war nicht viel Zeit, sich schon in die neue Aufgabe einzuarbeiten. Was konntest du bisher tun?

Schaffer: Ich habe meinen Trainingsplan bekommen, mich da durchgearbeitet und versuche, mich athletisch weiterzuentwickeln. Ich trainiere jeden Tag – und wenn es nur Laufen oder Basketball spielen ist. Ich muss darauf achten, in Form zu sein, wenn ich mein eigentliches Training angehe. Mein Defensive-Line-Coach ruft mich jede Woche an, wir reden über das System und versuchen, mich schon jetzt auf das vorzubereiten, was kommen wird.

Schaffers neues Zuhause - das Stanford Stadium

LAOLA1: Wie viel zeitintensiver sind deine neuen Aufgaben schon jetzt?

Schaffer: Vorher habe ich Offense und Defense gespielt. Man sollte also meinen, das Playbook zu lernen, wäre nur mehr der halbe Aufwand. Stattdessen hat er sich verdoppelt. Anstelle von vier verschiedenen Defensiv-Formen gibt es jetzt 16, dazu habe ich Stunts... Es werden mehr und mehr Taktiken, je höher man im Football-Level steigt. Ich bin immer wieder auf "Hudl" (Analyse-Tool, Anm.), schaue mir die Übungen an und versuche schon jetzt, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Wege gelaufen werden.

LAOLA1: Wie kann man die neue Komplexität in Sachen Playbook am besten beschreiben?

Schaffer: Man kann es auf die paar Fronts, die man läuft, hinunterbrechen, und dann kommen Anpassungen dazu – je nachdem, was die Offense macht. Wenn man das drauf hat, ist alles nicht mehr so kompliziert, aber auf den ersten Blick weiß man nicht, wie man das alles lernen soll. Wenn man sich damit wirklich beschäftigt, wird es zur Gewohnheitssache. Im Nationalteam hatte ich ein Playbook, das mit allem Drum und Dran vielleicht 20 Seiten umfasst hat – jetzt sind es wahrscheinlich 120 Seiten. Es ist viel, aber im Prinzip habe ich immer noch einen sehr einfachen Job.

LAOLA1: In den USA kannst du dich auf deine Position konzentrieren, die Coaches können besser mit dir arbeiten und haben eine genauere Vorstellung davon, was sie aus dir herausholen wollen. Was werden die ersten Schritte sein, die es zu setzen gilt?

Schaffer: Wenn ich ins Camp gehe, muss ich zeigen, was ich spielen kann. Der Plan ist, mich von einem Five Technique-Spieler (außen in der Defensive-Line zu finden, Anm.) zu einem Allrounder zu entwickeln, dass ich gut genug werde, überall spielen zu können. Ich muss beweisen, dass ich draußen schnell, aber auch innen voller Power sein kann, um das gegnerische Laufspiel zu stoppen.

LAOLA1: Spricht man im Vorhinein mit den Coaches über die Eigenschaften, die ihnen bei dir aufgefallen sind?

Schaffer: Das ist Teil des Rekrutierungs-Prozesses. Ich habe mit Trainern von allen Universitäten Meetings gehabt, wo wir besprochen haben, was ihnen an mir gefallen hat. Die Verantwortlichen von Stanford haben mich mit einem ehemaligen Spieler dieses Colleges, der jetzt in der NFL bei den Indianapolis Colts spielt, verglichen – Henry Anderson. Ich habe dieselbe Größe wie er, bin dabei aber etwas gewichtiger. Er hatte aus der High School kommend vielleicht 95 Kilo, ich habe 120. Ein Vorteil für mich. Wir haben viel über unsere Spielweisen geredet, sie sind sehr ähnlich.

Im Nationalteam hatte ich ein Playbook, das mit allem Drum und Dran vielleicht 20 Seiten umfasst hat – jetzt sind es wahrscheinlich 120 Seiten. Es ist viel, aber im Prinzip habe ich immer noch einen sehr einfachen Job.

LAOLA1: Du kannst dir also ein Vorbild nehmen.

Schaffer: Ich habe ihn schon gekannt, bevor ich ein Angebot von Stanford hatte, und habe mich sehr mit ihm identifiziert. Als das Offert gekommen ist, war dies ein zusätzlicher Grund, dorthin zu gehen.

LAOLA1: Du wirst auch nebenbei studieren – wie willst du die Doppelbelastung managen und welche Ambitionen hast du neben dem Football?

Schaffer: Mein Tag läuft rund um den Sport ab. Ich stehe um 08 Uhr auf, habe Frühstück mit den anderen Athleten, im Anschluss ein paar Stunden Unterricht und am frühen Nachmittag geht es zum Training. Ich muss einem Essensplan folgen, habe also Zeiten, zu denen ich etwas Bestimmtes essen soll. Es wird am Anfang schwer, sich daran zu gewöhnen, aber die Sommerschule wird mir etwas helfen. Dann gehe ich aber an die Universität, wo die Studenten in ihrem Fach die Besten der Besten sind, und muss trotz des gleichen Lehrplans wie alle anderen zusätzlich meine Trainings absolvieren.

LAOLA1: Warum hast du dich für Humanbiologie entschieden?

Schaffer: Die Idee ist gekommen, als ich im Nationalteam war und während einer Verletzung oft zum Physiotherapeuten musste. Da habe ich begonnen, mich für den menschlichen Körper zu interessieren, für seine Funktionsweise, und habe schon viele Fragen gestellt.

Die Universität in Stanford

LAOLA1: Damit könntest du abseits der aktiven Karriere auch im sportlichen Bereich arbeiten.

Schaffer: Das ist ein sehr großer Teil der Überlegung gewesen: Darauf zu schauen, was nach dem Football kommt. Auch nach einer möglichen NFL-Karriere habe ich eine Perspektive.

LAOLA1: Wie viel Zeit konntest du schon in Stanford verbringen?

Schaffer: Das kommt erst alles auf mich zu. Ich war bis jetzt einmal bei meinem offiziellen Besuch dort und werde am 18. Juni wirklich übersiedeln, anfangen, dort zu leben und die Sommerschule absolvieren.

LAOLA1: Wie sieht der weitere Fahrplan aus, bis es ernst wird?

Schaffer: Momentan spiele ich Volleyball an meiner Schule, das ist ein guter Weg, mich in Form zu halten. Es wird auch normal trainiert. Ich muss zuerst die Schule abschließen, akademisch stark sein. Es könnte immer noch passieren, dass ich abgelehnt werde, wenn ich nicht das schulische Mindestmaß erfülle. Das lasse ich aber nicht zu, also tue ich, was ich kann und konzentriere mich bis Ende Mai auf meinen Abschluss.

LAOLA1: Wie wird das erste Jahr in Stanford aussehen?

Schaffer: Ich stelle mich auf eine mehrwöchige Umstellungsphase ein, denn in der High School liegt der Fokus noch auf dem Schulischen und Football spiele ich nur nebenbei. Das wird sich umkehren. Jetzt bin ich noch jeden Tag bis 15 Uhr in der Schule. In Stanford habe ich pro Tag maximal drei Stunden Unterricht.

LAOLA1: Die Aussichten, im ersten Jahr auch wirklich zu spielen, werden eher gering sein.

Schaffer: Das sind sie für jeden „Freshman“. Aber warum nicht „redshirten“, wenn man es kann? Dann verlängert sich mein Stipendium quasi auf fünf Jahre. Ich kann meinen Körper schneller weiterentwickeln als jene, die wirklich spielen. Diese Spieler können zweimal pro Woche in die Kraftkammer gehen, „Red Shirts“ drei- bis viermal. Während andere Partien gewinnen müssen, konzentriere ich mich auf das Training. Das könnte mir wirklich helfen, mich im ersten auf das zweite Jahr vorzubereiten, wo ich dann sogar einen Fixplatz ergattern könnte. Wir haben im Moment sechs Defensive Liner in Stanford, vier weitere kommen dazu. Nach dieser Saison verlieren wir zwei Kollegen, die auf meiner Position spielen – Defensive End bzw. Defensive Tackle. Zwei von denen, die dazustoßen, sind eher Nose Tackles, ich bin der einzige echte Defensive End, also gibt mir das die Hoffnung, früh spielen zu können. Es ist wirklich kein Nachteil, als „Red Shirt“ zu starten.

LAOLA1: Wir wünschen dir für die aufregende neue Zeit alles Gute und drücken dir die Daumen!

 

Das Interview führte Johannes Bauer



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