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Der spielende Präsident

Dmitry Gerasimenko ist Präsident bei einem russischem Spitzen-Team. Er kauft sich auch Spielzeit.

Der spielende Präsident

Nicht alltägliches Comeback in der osteuropäischen VTB United League: Krasny Oktyabr ("Roter Oktober") Volgograd lag vergangenen Sonntag in der 25. Minute bei VEF Riga 42:67 zurück, ging aber nach 40 Minuten als 94:92-Sieger vom Parkett.

In die internationalen Schlagzeilen geriet diese Partie aber erst wegen der Tatsache, dass der Präsident der Russen zwei Punkte zur fulminanten Aufholjagd beigetragen hatte.

Dmitry Gerasimenko wurde schon in der ersten Hälfte eingewechselt und auch zu Beginn des vierten Viertels, in dem er mit einem bedrängten "Runner" zum 66:80 aus Sicht der Gäste scorte.

Insgesamt stand der Milliardär 6:19 Minuten auf dem Parkett, neben dem Korberfolg trug er sich robust mit vier Fouls in die Statistik ein.

Höchstes europäisches Niveau

Die VTB United League ist alles andere als eine Jux-Liga. Sie gehört - zumindest, was die Spitze betrifft - neben der spanischen ACB und der türkischen BSL zu den stärksten Europas. Die fünf Top-Teams - ZSKA Moskau, Unics Kasan, Zenit St. Petersburg, Khimki und Lokomotiv Kuban - spielen in Euroleague bzw. Eurocup dominante Rollen.

Rang acht nimmt derzeit Nizhny Novgorod, Klub von ÖBV-Center Rasid Mahalbasic, mit einer 10:8-Bilanz ein. Einen Platz dahinter ist Krasny Oktyabr (7:11) erster Konkurrent um die Playoff-Plätze, noch vor Güssings Europacup-Gegner Tsmoki Minsk.

Gerasimenko, der in der Stahlindustrie reich wurde, 2012 den Klub gründete und eine Wild Card für die VTB-Liga erhielt, erfüllt sich also einen Traum, den wahrscheinlich so mancher Präsident eines Sportvereins insgeheim in sich trägt.

Basketball-Körper

Doch ganz so spektakulär, wie es ein Auflaufen von Roman Abramovich in der Premier League wäre, ist das "Spielerpräsidenten-Amt" des gebürtigen Ukrainers dann doch nicht: Gerasimenko steht mit 37 Jahren noch relativ gut im Saft, bringt mit 1,99 Metern und rund 100 Kilogramm durchaus die nötigen körperlichen Voraussetzungen mit und verfügt über einige Jahre Zweitliga-Erfahrung in der Ukraine.

In der Saison 2011/12 - also unmittelbar vor seinem "Wechsel" zu Krasny Oktyabr - erzielte er dort in zehn Spielen durchschnittlich 2,7 Punkte.

Bauermann: "Stundenlange Diskussionen"

Mit dieser Statistik qualifiziert man sich aber natürlich noch lange nicht für Einsätze in einer Liga, in der Stars wie Milos Teodosic, Alexey Shved, Nando De Colo oder Tyrese Rice aktiv sind. Da hilft es freilich entscheidend, wenn man Besitzer des Klubs ist und dem Trainer "einflüstern" kann. So lief Gerasimenko auch schon gegen ZSKA und in Playoff-Spielen auf.

In der vergangenen Saison konnte der damalige Coach Dirk Bauermann ein Lied davon singen. Der ehemalige deutsche Teamchef sprach im Interview mit der "WAZ" von einem "abenteuerlichen Jahr". Daraus, dass Gerasimenko selbst ein begeisterter Basketballer sei, hätten sich Probleme ergeben, "die ich hier so noch nie erlebt habe. Es gab viele stundenlage Diskussionen mit dem Präsidenten im Training und nach den Spielen."

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Auch unter Bauermann kam der Präsident zwei Mal zum Einsatz. "Ihm hat es unheimlich viel bedeutet. Er hat einfach eine riesige Begeisterung für den Sport, trainiert abends selbst nach der Arbeit noch stundenlang in der Halle. Ich habe das irgendwann respektiert und auch noch nie einen Milliardär gesehen, der sich regelmäßig leidenschaftlich dem Ball hinterherwirft", erzählte der Deutsche, der das Team unter die besten 32 im Eurocup führte.

Gegenüber der "Bild" gestand Bauermann ein, dass viele Entscheidungen im Verein willkürlich getroffen worden seien. Die Spieler-Fluktuation war hoch. "Es entsteht halt eine ganz eigene Dynamik, wenn der Präsident neben den Spielern unter der Dusche steht."

33-minütiger Eurocup-Einsatz: "In den Prozess eintauchen"

Nicht nur in der VTB United League, auch im Eurocup - also im zweithöchsten europäischen Bewerb - wirkte Gerasimenko mit, wenn auch in sportlich nicht mehr bedeutungsvollen Spielen.

Im Frühjahr 2015 lief er gegen Cedevita Zagreb auf. Im Dezember stand der Boss bei der 76:103-Niederlage bei Galatasaray Istanbul sogar in der Starting Five und unglaubliche 33:20 Minuten auf dem Feld. Zwei Punkte, vier Rebounds, drei Turnovers und vier Fouls besagte die Statistik.

Bewerbsübergreifende Karriere-Bestleistung für Volgograd waren im Oktober vier Punkte gegen das noch sieglose VTB-Schlusslicht Vita Tbilisi.

"Ich habe schon in der Schule gespielt und liebe Basketball von ganzem Herzen. Ich bin sehr glücklich, dass ich mit den Burschen auf das Feld gehen und ihnen mit meinem Rat helfen konnte. Ich denke, wenn du etwas machst, musst du alle Nuancen von innerhalb studieren und komplett in den Prozess eintauchen", erklärte Gerasimenko, der im Mai 2015 am Moskauer Flughafen wegen Betrugsverdachts für kurze Zeit verhaftet wurde, in einem Interview auf der Liga-Homepage seine Motive.

Präsident auch bei Cantù

Der sportliche Fokus richtet sich scheinbar dennoch von Krasny Oktyabr weg in Richtung Italien: Im November 2015 erwarb Gerasimenko 65 Prozent des Serie-A-Traditionsvereins Cantù, für den auch schon der Innsbrucker Benjamin Ortner aktiv gewesen ist, und übernahm zudem das Präsidentenamt.

Seither wurde u.a. der Wechsel von JaJuan Johnson von Krasny Oktyabr nach Cantù vollzogen, mit Sergey Bazarevich ein russischer Trainer und mit Kyrylo Fesenko ein ukrainischer Ex-NBA-Center verpflichtet.

Noch ohne letztere Zwei verloren die Italiener am 2. Dezember im FIBA Europe Cup bei den ece bulls Kapfenberg sensationell mit 91:95.

Erstes größeres Vorhaben in Cantù ist der Bau einer neuen Halle für 5.500 Zuschauer. Ob diese dann durch einen Spieler Gerasimenko beehrt werden soll, ist nicht bekannt.


Hubert Schmidt

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