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Wird die MotoGP zu schnell?

Irrer Speed-Rekord gibt zu denken. KTM will bremsendes Reglement:

Wird die MotoGP zu schnell? Foto: © getty

362,4 km/h.

Das ist schneller als ein Passagierflugzeug beim Abheben und seit diesem Jahr der offizielle Topspeed in der MotoGP.

Mit dieser abenteuerlichen Performance kommt die Zweirad-Königsklasse nach fünf Wochen Sommerpause zum Österreich-Doppel in Spielberg. Und damit auf den Red Bull Ring, wo im Vorjahr an der schnellsten Stelle nur Riesenglück Schlimmstes verhindert hat. "Es ist eine Grenze erreicht. So darf es nicht weitergehen", fordert Pit Beirer.

Die Bremsen sind das Problem

Der Deutsche ist Sportdirektor bei KTM und damit auch "Chef" von Brad Binder. Der Südafrikaner hat im Mai in Mugello den zuvor in Doha aufgestellten Geschwindigkeitsrekord von Johann Zarco egalisiert.

"Es war cool und du denkst bei diesem Speed nicht daran, was alles passieren kann. Angst machend war aber, das Bike wieder abzubremsen", erinnert Binder wenige Tage vor dem Steiermark-Grand Prix an das eigentliche Problem. Denn für die Bremsen sind die MotoGP-Raketen kaum noch beherrschbar.

Auch das ist schon im Vorjahr in Österreich sichtbar geworden, als Maverick Vinales bei 220 km/h "abspringen" musste, weil seine Yamaha keine Vorderbremse mehr hatte.

Das Reglement müsste eingreifen

Die Hersteller weisen längst auf dieses Problem hin. "Wir sind da längst einen Schritt zu weit", glaubt auch Beirer. Das Problem: "Unser Auftrag als Werk ist, das beste Motorrad zu entwickeln. Wir würden uns also technischen Widerstand vom Reglement her wünschen."

Bei einem modernen MotoGP-Bike senkt die Elektronik des aktiven Fahrwerks beim Beschleunigen den Schwerpunkt ab, vorne pressen "Flügel" das Motorrad auf den Boden. "Diese zwei Dinge haben beim Topspeed nochmals 20 km/h drauf gelegt, das Ding geht nun ab wie ein Düsenjäger", erklärt Beirer den Sprung bei der Höchstgeschwindigkeit.

"Jetzt", so Beirer, "darf es aber nicht noch schneller werden. Sonst reißt einmal die Aerodynamik ab und das Vorderrad hebt ab, wenn man eigentlich bremsen sollte. Dafür sind die Sturzräume nicht gemacht."

Selbst in der Formel 1 schüttle man mittlerweile den Kopf über die Entwicklung im MotoGP-Sport. "Dort sitzen die Piloten aber in einer Sicherheitszelle", verweist Beirer auf den folgenlosen Silverstone-Crash von Max Verstappen mit 51 G. "Bei uns geht es in so einem Fall kopfüber in den Reifenstapel."

Nicht jedes Unglück zu verhindern

Durch die besten Bremsen nicht zu verhindern ist leider das fatale Überfahren von gestürzten Fahrern. So etwas hat schon mehreren GP-Piloten das Leben gekostet, zuletzt dem Schweizer KTM-Piloten Jason Dupasquier in der Moto3.

"Das ist leider die harte Realität", weiß Binder, der 2020 in Spielberg die Horrorszene der MotoGP erste Reihe fußfrei miterlebte. "Egal welche Vorkehrungen du triffst. Die Gefahr ist immer da wenn du versuchst, mit einem Motorrad so schnell wie möglich zu fahren", ist der Südafrikaner abgeklärt.

"Wir sind ein leistungsorientierter Sport", ergänzt Teamkollege Miguel Oliveira. "Es geht also auch um das Verhalten von uns Fahrern sowie gegenseitigen Respekt."

Mehr Gedanken über die Sicherheit nötig

Mitverantwortlich für die Sicherheit in Spielberg ist der örtliche Rennleiter Andreas Meklau. In der Formel 1 an der Seite von Michael Masi, in der MotoGP zusammen mit Michael Webb. Schwere Unfälle und Tote habe es zu seiner Zeit auch gegeben und trotz der Riesensprünge bei der Sicherheit trage dieser Sport eben Risiken. "Selbst die sicherste Strecke wird nie sicher genug sein. Und wer den Gedanken an die Gefahr nicht wegschiebt, ist hier falsch", so Meklau.

Die Gefahr mache aber auch einen guten Teil der Faszination im Zweiradsport aus. "Ein MotoGP-Bike am Limit zu bewegen, ist etwas ganz Besonderes", ist Meklau überzeugt. "Deshalb werden MotoGP-Piloten auch immer ganz besondere Helden sein."

Michael "Mike" Leitner ist seit Jahrzehnten im GP-Sport tätig und weiß, dass im Hintergrund ständig Gespräche zum besseren Schutz der Piloten geführt werden. Die rasante Entwicklung der Sicherheitsbekleidung vom Carbonhelm über den Airbag bis zu den Stiefeln sei ein Zeugnis davon. Die boomende Serie sei es sich aber selbst schuldig, Gedanken zur Sicherheit zu wälzen, ist der KTM-Teammanager überzeugt.

"Im Gegensatz zum Autorennsport fällt bei uns der Pilot beim Unfall vom Fahrgerät weg. Das ist, wie wenn ein Skifahrer auf der Streif den Kontakt zum Schnee verliert", vergleicht Leitner. "Dann bist du nur noch Passagier. Und wenn alles blöd auf einen Punkt zusammenkommt, können solch schlimme Sachen passieren."

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