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F1-Ersatzfahrer: Sprungbrett oder Karriereende

Vom großen Sprungbrett bis zum Ende der Formel-1-Karriere war seit 1982 alles dabei:

F1-Ersatzfahrer: Sprungbrett oder Karriereende Foto: © GEPA

Lewis Hamiltons positiver Corona-Test bietet am Wochenende beim zweiten Grand Prix in Bahrain die Riesenchance für Mercedes-Protege George Russell, der nach zwei Jahren bei Williams und Tests für die Silberpfeile ausreichend Formel-1-Erfahrung besitzt. Für Mercedes ist es – bei entschiedener WM – eine optimale Möglichkeit, den jungen Engländer im Top-Team unter Rennbedingungen zu evaluieren.

Russells Stammplatz bei Williams nimmt stattdessen mit Jack Aitken (25) ein weiterer Brite ein, der sonst in der Formel 2 fährt. Auch bei Haas sitzt nach dem schrecklichen Feuerunfall von Romain Grosjean ein Ersatzmann hinterm Steuer: Der 24-jährige Brasilianer Pietro Fittipaldi, Enkel von Ex-Weltmeister Emerson Fittipaldi. 

Doch was erreichten die F1-Ersatzleute bei oft kurzfristigen Einberufungen bisher? Nützten sie ihre Chance? Alles gab es in den letzten Jahrzehnten: Von beschleunigten Karriere-Enden bis zum Beginn einer Traum-Karriere. Ein Rückblick ohne Gewähr auf Vollständigkeit:

Nico Hülkenberg, 2020.
Der 33-jährige Deutsche fand nach 177 Formel-1-Rennen für Williams, Sauber, Force India und Renault für 2020 keine Berücksichtigung, wurde aber für die aktuellen Racing-Point-Piloten Sergio Perez bzw. Lance Stroll zwei Mal kurzfristig als Ersatz geholt. Er eroberte als Siebenter im zweiten GP in Silverstone und als Achter auf dem Nürburgring (wo er kein freies Training fahren konnte) dank seiner langjährigen Erfahrung zehn WM-Punkte. Damit ist er vor dem vorletzten Saison-Rennen in Bahrain 15. der WM-Wertung.

Jenson Button - 2017 
Sag niemals nie (wieder): Ende 2016 war der Weltmeister von 2009 aus der Formel 1 zurückgetreten, blieb aber Ersatzmann bei seinem letzten Team McLaren. Als Alonso Ende Mai sein Debüt bei den 500 Meilen von Indianapolis gab, sprang Button beim zeitgleichen Monaco-GP ein, schied aber aus.

Stoffel Vandoorne -2016
Der McLaren-Testfahrer sprang in Bahrain für den in Melbourne verletzten Spanier Fernando Alonso ein und wurde bei seinem Debüt Zehnter (mit einem WM-Punkt).

Christian Klien - 2010
2006 war die Red-Bull-Zeit des Vorarlbergers nach 46 Rennen vorbei. 2010 wurde er gegen Saisonende von HRT in Singapur als Ersatz für den Japaner Yamamoto geholt und war auf Anhieb schneller als Teamkollege Bruno Senna, fiel aber aus. In Brasilien und Abu Dhabi hatte der Vorarlberger keine Chance, in die Nähe der Punktränge zu kommen. Sein letztes Rennen vor zehn Jahren war auch das letzte eines Österreichers in der Formel 1 bisher.

Luca Badoer - 2009
Als der sympathische Italiener 1992 die F-3000-Meisterschaft gewann, galt er als große Hoffnung der Tifosi. Von 1993 bis 1999 (mit Unterbrechungen) fuhr er für die Scuderia Italia, Forti und Minardi meist chancenlos hinterher. Von Ferrari wurde er schon 1998 als Testfahrer verpflichtet und blieb dies bis 2010. Als sich Michael Schumacher 1999 in Silverstone das Bein brach, kam er aber nicht zum Zug, sondern Mika Salo. 2009 überlebte Ferrari-Star Felipe Massa den Unfall in der Qualifikation in Ungarn, als ein Metallteil des Boliden von Rubens Barrichello seinen Helm durchschlug und nur knapp das Auge verfehlte. Als Ersatz wurde Badoer von Ferrari eingesetzt, weil ein Comeback von Michael Schumacher wegen dessen Motorrad-Unfalls mit Nackenverletzung scheiterte. Nach zwei Einsätzen, die blamabel verliefen (Vorletzter in Valencia, Letzter in Spa) war sein F1-Renncomeback nach zehn Jahren nach nur zwei Einsätzen beendet. Statt ihm wurde mit Giancarlo Fisichella ein anderer Italiener aufgeboten, der zuvor mit Force India Zweiter in Belgien geworden war – doch auch der Ex-Benetton-Kollege von Wurz blieb im Ferrari punktelos, auch seine F1-Rennkarriere war damit beendet. Der Römer fährt seither weiter für Ferrari – in GT-Autos auf der Langstrecke.

Sebastian Vettel - 2007
Nach dem Unfall von Robert Kubica in Montreal wurde der damals 19-jährige Vettel von BMW-Sauber für den US-Grand-Prix in Indianapolis nominiert. Der Deutsche wurde Achter und holte damit einen WM-Zähler. Damit war er damals nicht nur der jüngste Pilot in den Punkträngen, er setzte auch einen anderen Maßstab: Bei der ersten Ausfahrt aus der Box im freien Freitag-Training war er nach neun Sekunden zu schnell in der Boxengasse – so schnell hatte noch nie ein Rookie eine Strafe ausgefasst. Schon ab dem Ungarn-GP 2007 war Vettel F1-Stammpilot, als er bei der Scuderia Toro Rosso den gefeuerten Scott Speed ersetzte.

Pedro de la Rosa - 2005
Der Katalane, der von 1999 bis 2002 für Arrows und Jaguar fuhr, wurde danach Testfahrer bei McLaren – wie Alex Wurz. Als sich Juan Pablo Montoya im Frühjahr beim "Tennisspielen" (inoffiziell war er auf einer Motocross-Maschine zu übermütig) an der Schulter verletzte, sprang de la Rosa ein, schlug in Bahrain Teamkollege Kimi Räikkönen im Qualifying und wurde im Rennen respektabler Fünfter mit schnellster Runde. Als Montoya Mitte 2006 McLaren in Richtung NASCAR-Serie verließ, wurde Pedro de la Rosa erneut befördert und kam auf dem Hungaroring als Zweiter zu seiner einzigen F1-Podest-Platzierung. Drei weitere Jahre vergingen, ehe er 2010 bei Sauber wieder Stammfahrer wurde. Mit 41 Jahren beendete er 2012 seine F1-Laufbahn im Nachzügler-Team HRT.

Alexander Wurz (l.) und Gerhard Berger
Foto: © GEPA

Alexander Wurz - 1997 und 2005
Als Gerhard Berger in seiner letzten Formel-1-Saison durch gesundheitliche Probleme gehandicapt war und sogar ins Spital musste, schlug die Stunde für Benetton-Testfahrer Alex Wurz. In Kanada, Frankreich und Großbritannien kam der damals 23-Jährige zu den ersten Einsätzen und raste schon im dritten Rennen in Silverstone auf Platz drei über die Ziellinie. Von 1998 bis 2000 blieb Wurz Stammpilot bei Benetton und wurde 2001 Testfahrer bei McLaren. Durch Montoyas Verletzung kam er 2005 zu einem Renncomeback, wurde in Imola sogar Dritter (allerdings nach Platz vier im Ziel erst durch Disqualifikation von Jenson Button, als Dritter angekommen, wegen Untergewichts seines BAR-Honda). 2006 wechselte er – wieder als Testfahrer – zu Williams und wurde dort 2007 sogar wieder Stammpilot – mit einem neuerlichen Podest-Platz in Montreal.

Mika Salo - 1999
Der Finne war von 1995 bis 1998 Stammpilot in der Formel 1 und kam 1999 gleich in zwei Teams als Ersatz zum Einsatz: Zuerst beim Neulingsteam British American Racing für den verletzten Ricardo Zonta, ab dem Sommer auf dem A1-Ring im Ferrari für den in Silverstone verunglückten Schumacher. Im zweiten Rennen für die Scuderia wurde er in Hockenheim Zweiter, wobei er den Sieg an Teamkollege Eddie Irvine nur durch Stallorder verlor. In Monza wurde er Dritter, mit diesen Resultaten verhalf Salo Ferrari zum Gewinn der Konstrukteurs-WM 1999, obwohl sein Landsmann Mika Häkkinen im Duell mit Irvine den Fahrertitel eroberte.

David Coulthard - 1994
Als nach Ayrton Sennas tödlichem Unfall in Imola ein Platz bei Williams frei war, rückte der junge Testfahrer David Coulthard nach. Er blieb für 246 Rennen bis 2008 in der Formel 1, wurde 2001 Vize-Weltmeister und triumphierte bei 13 Grand Prix.

Michael Schumacher - 1991
Das kurioseste F1-Debüt aller Zeiten: Zuerst war das Jordan-Cockpit von Bertrand Gachot vor dem belgischen GP frei geworden, weil der belgisch-französische Doppelbürger in London nach einer Handgreiflichkeit mit einem Taxifahrer für kurze Zeit ins Gefängnis musste. Dann ermöglichte ein Deal zwischen Mercedes-Sportchef Jochen Neerpasch, Sportwagen-Teamchef Peter Sauber (der die Mercedes-Junioren in der Sportwagen-WM einsetzte) und Eddie Jordan die Premiere von Michael Schumacher in Spa-Francorchamps. Schumacher brillierte im Training, scheiterte gleich nach dem Start an der Kupplung und wurde schon für das nächste Rennen in Monza von Benetton-Teamchef Flavio Briatore abgeworben. Der Rest ist Geschichte.   

Patrick Tambay - 1982
Der tödliche Unfall von Gilles Villeneuve in Zolder brachte dem Franzosen, der 1977 in der Formel 1 debütiert hatte, ein Comeback, bei dem er im vierten Rennen in Hockenheim den Sieg holte. Ein weiterer folgte 1983 in Imola. In beiden Saisonen verhalf Tambay Ferrari zum Konstrukteurstitel. Dennoch wurde er 1984 durch Michele Alboreto abgelöst.

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