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Ferrari - Der einstige Krösus auf dem Weg zurück zur Spitze

Ferrari lässt Titel in den vergangenen 16 Jahren vermissen. Woran das liegt und wie Teamchef Frederic Vasseur die Italiener zurück an die Spitze führen will:

Ferrari - Der einstige Krösus auf dem Weg zurück zur Spitze Foto: © getty

16 Konstrukteurstitel, 15 Einzeltitel, 244 Rennsiege. Bis heute ist die Scuderia Ferrari der erfolgreichste Rennstall der Formel-1-Geschichte.

Doch der bisher letzte Weltmeistertitel liegt schon eine ganze Weile zurück: Mit Kimi Räikkönen feierten die "Roten" 2007 den Fahrertitel, das Duo Massa/Räikkönen holte ein Jahr später die Team-Weltmeisterschaft nach Maranello.

Die brennende Frage ist: Was ist der Grund für die Titel-Durststrecke und wie weit ist der italienische Traditionsrennstall heute von einem Titel entfernt?

Unter Ex-Teamchef Mattia Binotto wurde Ferrari 2020 nur Sechster der Teamwertung – das schlechteste Resultat seit 1980. Ende November 2022 wurde das Aus des Italieners verkündet, auf ihn folgte Frederic Vasseur.

Ist der Franzose der Richtige, um die einstigen Dominatoren zurück in die Erfolgsspur zu bringen? Zwar reicht es aktuell noch nicht für den Titelkampf, jedoch wirken die Italiener unter Vasseur deutlich stabiler, Mankos aus den vergangenen Jahren wurden erheblich verbessert. Ein Aufwärtstrend ist erkennbar, doch reicht das, um das Team zu Erfolgen wie in alten Zeiten zu führen?

LAOLA1 analysiert die letzten Ferrari-Jahre, nimmt sich die Personalie Frederic Vasseur genauer vor und blickt in die Zukunft.

Ein Blick in die Vergangenheit

Fernando Alonso verpasste den Titel 2012 um drei Punkte.
Foto: © getty

In den 2010er Jahren war die Scuderia mit dem Spanier Fernando Alonso und später auch dessen Rivalen Sebastian Vettel, der unter anderem 2012 im Red Bull drei Punkte vor Alonso im Ferrari Weltmeister wurde, einige Male knapp dran, einen Titel zu holen - einmal trennten den Spanier nur drei Punkte vom großen Triumph.

Doch sowohl die Verpflichtung der beiden als auch die Rückholaktion des letzten Ferrari-Champions Kimi Räikkönen waren nicht von Erfolg gekrönt. Das Personal wurde durchgewürfelt, seit Jean Todts Abgang 2007 wechselte man den Teamchef stolze fünf Mal.

Doch es sollte nicht sein, immer wieder ging die Mission Titeljagd schief, mal knapper, mal weit davon entfernt. 2019 folgte wieder eine Art Umbruch, als Youngster Charles Leclerc Räikkönen an der Seite von Sebastian Vettel ablöste und Teamchef Maurizio Arrivabene durch Mattia Binotto ersetzt wurde.

Strategiefehler, technische Defekte, interne Machtkämpfe – Ruhe kehrte in Maranello nie wirklich ein. Diskussionsbedarf gab es in der Formel-1-Community auch hinsichtlich des starken Motors des SF90, der einige Fragen offen ließ. Immerhin holte Leclerc erstmals seit neun Jahren wieder einen Heimsieg in Monza, doch viel mehr Positives als das tolle erste Jahr des Youngster gab es dann doch nicht.

Covid-Pandemie und historisch schlechtes 2020

Partystimmung beim Heimtriumph von Charles Leclerc in Monza (8. September 2019)
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Rund um die Motoren-Aufregung gab es schlussendlich eine geheime Einigung zwischen dem Motorsport-Weltverband FIA und dem Rennstall. Es folgte ein dramatischer Leistungsrückfall der Scuderia, die in der von Corona geplagten Saison 2020 das schlechteste Ergebnis seit 1980 erzielte.

Das Team wollte das Manko Abtrieb aus 2019 verbessern, weshalb sie das Chassis des SF1000 vor allem darauf ausrichteten – nicht wissend, dass der überlegene Motor, der das ganze ausgleichen sollte, letztendlich nicht verwendet werden darf. Noch bitterer: Die umfangreichen Änderungen am Reglement – ursprünglich für 2021 angedacht – wurden auf 2022 geschoben.

Ein Großteil des Autos wurde für die Entwicklung eingefroren, was für Ferrari nach dem Debakel 2020 eine weitere Seuchensaison bedeutete. Das Duo Leclerc/Sainz konnte zumindest den dritten Platz in der WM herausholen.

Geplatzter Titeltraum nach aussichtsreichem Start

2022 sollte mit den neuen Regularien dann alles besser werden, schließlich war das Technikteam Ferraris seit Anfang 2021 bereits mit dem neuen Boliden beschäftigt. Tatsächlich war der F1-75 ein konkurrenzfähiges Endprodukt, und es gelang ein Saisonauftakt nach Maß. Zum Auftakt in Bahrain gab es einen Doppelsieg, nach drei Rennen führte Leclerc die Fahrerwertung souverän an.

Jubel nach dem Doppelsieg zum Saisonauftakt in Bahrain
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Was dann passierte, steht ganz im Bilde der vergangenen Jahre.

In der Entwicklung machte Ferrari Schritte zurück, zudem kosteten strategische Fauxpas - sinnbildlich dafür das Drama in Monaco, als der führende Leclerc zunächst in die Box beordert wurde und dann doch draußen bleiben sollte - und technische Defekte wertvolle Punkte, weshalb die Weltmeisterschaft 2022 verloren ging und man sich mit zwei Vizeweltmeistertiteln begnügen musste. Dass es so nicht weitergehen konnte, wurde klar.

Beginn der Ära Frederic Vasseur

Frederic Vasseur, zuvor Teamchef bei Sauber, wurde im Dezember 2022 als Nachfolger von Mattia Binotto verkündet. Am 9. Jänner 2023 übernahm der 55-Jährige das Ruder bei den "Roten" offiziell.

Der Bolide für das Jahr 2023 war allerdings noch das Werk von Vorgänger Binotto, und zum Leid des gesamten Teams ein Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr. Der Anschluss an Red Bull war in weite Ferne gerückt, zudem zog auch Mercedes an den Italienern vorbei.

Trotz des Leistungsabfalls und nur einem mageren Sieg gab es positive Schlüsse, die man bei Ferrari aus der Saison 2023 ziehen und für die Zukunft mitnehmen konnte. In der zweiten Saisonhälfte zeigte die Leistungskurve bereits bedeutend nach oben. Probleme wurden gelöst, das Auto wurde besser verstanden, sodass die Scuderia nach der Sommerpause hinter Red Bull am meisten punktete und den zweiten Platz in der Konstrukteurswertung nur knapp verpasste.

 

Teamchef Frederic Vasseur im Paddock (2023)
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Zusätzlich wurde an Aspekten wie Rennstrategie oder Boxenstopps gearbeitet. Bereits in Vasseurs ersten Amtsjahr war ein deutlicher Aufwärtstrend erkennbar. Der Sieg von Carlos Sainz in Singapur wäre ohne diese Entwicklung wohl nicht möglich gewesen.

Die Italiener schienen die Rennen besser zu verstehen und da zu sein, wenn die Konkurrenz in Angriffsweite ist – etwas, das man in den Jahren zuvor immer wieder verabsäumte. Immer wieder wurden nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen getroffen. Das scheint unter Vasseur der Vergangenheit anzugehören.

Aber blicken wir auf 2024. Im Vorhinein war bereits klar, dass die Dominanz von Max Verstappen und Red Bull wohl nicht enden wird. Die Turbulenzen im österreichischen Werksteam rund um Teamchef Christian Horner könnten den Weltmeister allerdings noch zum Verhängnis werden. Aber zurück zu Ferrari.

Deutlicher Sprung von 2023 auf 2024

SF24 nennt sich der Nachfolger des SF23, der nicht enttäuscht. Das Auto ist schnell, der Abstand zu Red Bull Racing wurde um einiges verringert. Als Weltmeister Verstappen aufgrund eines technischen Defekts in Melbourne kurz nach Rennstart ausfiel, war Ferrari zur Stelle. Mit passender Strategie und Boxenstopps holten die Italiener ein Doppelsieg.

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Nach sechs Rennen stehen bereits sechs Podestplätze zu Buche. Zum Vergleich: 2023 waren es bei 22 Grands Prix neun Podiumsplatzierungen für die "Roten". Das ist aber nicht die einzige Statistik, welche die Fortschritte der Scuderia darlegt.

Am Ende der vergangenen Saison hatte Ferrari 406 Punkte am Konto, nach den ersten sechs Saisonrennen der laufenden Weltmeisterschaft sind es mit 187 bereits fast die Hälfte aus dem Vorjahr.

An der Verpflichtung des siebenfachen Formel-1-Weltmeisters Lewis Hamilton, der ab 2025 im Cockpit des Traditionsteams sitzen wird, war Teamchef Vasseur maßgeblich beteiligt. Der Franzose soll zudem an einem Engagement des Star-Designers Adrian Newey, der Red Bull nach langjähriger Zusammenarbeit verlässt, arbeiten. Erst kürzlich holte Ferrari zwei Top-Personalien von Konkurrent Mercedes an Bord.

Es scheint, als würde sich der Teamchef des erfolgreichsten Formel-1-Teams aller Zeiten allmählich sein Team aufbauen, um bereits 2025 angreifen zu können. Vasseur holt erfahrene Leute, die den Rennstall als Einheit wieder zurück an die Spitze bringen sollen.

Ausblick in die Zukunft

Das ist ein gutes Stichwort für die Zukunft. Was kann man sich von Ferrari erwarten?

Nun, wie wir in den ersten Rennen gesehen haben, hat es Ferrari bereits jetzt geschafft, die Lücke zu Red Bull zu verkleinern. Natürlich gilt es abzuwarten, wie sich die neuen Updates jetzt in Imola und im weiteren Saisonverlauf auf die Performance und Abstände auswirken.

Charles Leclerc und Lewis Hamilton: Ferraris zukünftiges Erfolgsduo?
Foto: © getty

Sollte Ferrari im restlichen Jahr weiterhin dranbleiben und bestenfalls noch näher rankommen, könnte vielleicht schon 2025 ein spannender Titelkampf warten.

Ab 2026 werden die Karten sowieso völlig neu gemischt, denn da treten bekanntlich die neuen Regularien in Kraft. Das bietet für alle die Chance, das beste Auto zu bauen. Schafft es Frederic Vasseur, Adrian Newey nach Maranello zu holen, würde Ferrari wohl dann als gefährlichstes Team gelten.


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