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Die vier Torwart-Helden der WM-Halbfinalisten im Porträt

Emiliano Martinez, Dominik Livakovic, Hugo Lloris oder Yassine Bounou - welcher Spitzengoalie hext sein Land zum WM-Titel?

Die vier Torwart-Helden der WM-Halbfinalisten im Porträt Foto: © getty

Die FIFA Weltmeisterschaft 2022 in Katar stand bisher mitunter im Zeichen großartiger Torwartleistungen.

Gleich mehrere zuvor eher unbekannte Keeper spielten sich mit Wahnsinns-Paraden in den Vordergrund und damit auf die Notizzettel internationaler Spitzenklubs; speziell bei Elfmetern konnte sich der ein oder andere Schlussmann bei dieser WM bereits als absoluter Teufelskerl profilieren - 36 Prozent aller Strafstöße während eines Spiels wurden im bisherigen Turnier gehalten bzw. gingen daneben, zählt man das Elfmeterschießen dazu, sind es immerhin noch 34 Prozent.

Alle vier Semifinalisten stehen (auch) dank grandioser Auftritte ihrer Schlussleute im Halbfinale und werden auch in den finalen Spielen einen starken Rückhalt benötigen, um sich den WM-Titel zu sichern.

LAOLA1 stellt Emiliano Martinez (Argentinien), Dominik Livakovic (Kroatien), Hugo Lloris (Frankreich) sowie Yassine Bounou (Marokko) etwas genauer vor:

EMILIANO MARTINEZ - ARGENTINIEN

Foto: © getty

Als Sohn eines Hafenarbeiters in der Küstenstadt Mar de Plata auf die Welt gekommen, blickt Damian Emiliano Martinez Romero auf alles andere als eine Bilderbuchkarriere zurück.

Schon früh den mutigen Schritt aus der Heimat zum großen FC Arsenal gewagt, gestaltete sich die Laufbahn des 1,95-Meter-Hünen zunächst steinig und schwer. Seine Vita gleicht einer Odyssee, der Schlussmann geisterte auf der Suche nach einer fußballerischen Heimat von Leihstation zu Leihstation, quer über die Insel. So richtig klappen wollte es aber bei keinem der zahlreichen Karriere-Zwischenstopps. Mit 28 fristete Martinez sein Dasein als zweite Wahl beim FC Arsenal, die richtig große Karriere schien ihm verwehrt zu bleiben - bis sich der etatmäßige Stammkeeper Bernd Leno im Frühjahr 2020 verletzte. Martinez packte die Gelegenheit beim Schopfe und überzeugte bei den "Gunners" auf Anhieb.

Nachhaltig als Nummer eins bei Arsenal etablieren konnte sich "Dibu", wie ihn die Argentinier liebevoll nennen, zwar nicht, seine starken Leistungen brachten ihm im Sommer 2020 aber einen 21,5 Millionen Euro-Wechsel zu Aston Villa ein. Martinez schrieb Geschichte und wurde zum teuersten argentinischen Torhüter aller Zeiten. Seitdem gilt der Argentinier in Birmingham als unangefochtene Stammkraft und zählt außerdem zu den besten Torhütern der Premier League.

Erst mit 29 Jahren debütierte er für die Nationalmannschaft – und ist seitdem auch dort nicht mehr wegzudenken. Martinez verleiht der "Albiceleste" Charakter, strahlt Entschlossenheit und bedingungslosen Einsatz aus. Auch bei der laufenden WM leistet der Aston-Villa-Schlussmann einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Argentinier – und "Dibu" polarisiert.

Wie gegen die Niederlande eindrucksvoll unter Beweis gestellt, gilt Martinez besonders bei Elfmeterschützen als gefürchtet - auch aufgrund von Psycho-Spielchen und bitterbösem Trash-Talk. Zur argentinischen Legende avancierte Martinez spätestens, als er im Halbfinale der Copa America 2021 den kolumbianischen Innenverteidiger Yerry Mina im Elfmeterschießen mit den Worten: "Ich weiß, dass du nervös bist. Ich weiß, wo du hinschießt. Sieh zu, wie ich dich fresse!" so aus der Fassung brachte, dass dieser seinen Strafstoß tatsächlich vergab und Argentinien ins Finale aufstieg. Argentinien krönte sich in weiterer Folge zum Titelgewinner.

Sein Teamkollege und Freund Lionel Messi bezeichnete den Torwart daraufhin als "Phänomen" und "einen der besten Torhüter der Welt". Mit weiteren Heldentaten könnte sich Martinez endgültig Ikonen-Status sichern.

HUGO LLORIS - FRANKREICH

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Hugo Lloris ist der wohl mit Abstand bekannteste und erfolgreichste der noch übrig gebliebenen WM-Torhüter. Der fast immer verlässliche und zeitweise mit spektakulären Paraden glänzende Keeper hat sich in Frankreich längst den Status als Legende erarbeitet. Seit 2008 ist der in Nizza geborene Lloris fester Bestandteil im französischen Nationalteam, seit 2012 führt er die "Équipe Tricolore" als Kapitän auf den Platz.

Lloris wechselte schon im Alter von 11 Jahren in die Jugendakademie seines Heimatklubs OGC Nizza, wo er 2006 den Sprung in die erste Elf schaffte. 2008 stand er kurz vor einem Wechsel zum AC Mailand, ehe er sich doch für den französischen Topklub Olympique Lyon entschied. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lyon sieben Mal in Folge die Ligue 1 gewonnen, doch würde in den folgenden Jahren, mit Lloris als Stammtorhüter, nie wieder an diese Erfolge anknüpfen können.

2012 folgte der Wechsel zu Tottenham, wo Lloris seither zu den besten Torhütern der Premier League zählt. Neben seinen Stärken auf der Linie wird er auch als "Sweeper Keeper" bezeichnet, der eine gute Strafraumbeherrschung verfügt und oft schnell aus dem Tor kommt. 

Im Bereich Titel sieht es, zumindest auf Vereinsebene, bei Lloris eher mager aus. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass der 35-Jährige seit nun mehr als zehn Jahren bei Tottenham spielt, wo das Titelsammeln bekanntlich schwerfällt. Einzig einen Coupe de France und einen französischen Supercup mit Olympique Lyon konnte Lloris bislang bejubeln. Als Trostpflaster dient natürlich der WM-Titel 2018, den das "Les-Bleus"-Urgestein als Kapitän in die Höhe stemmen durfte.

Im WM-Viertelfinale gegen England erreichte Lloris einen großen Meilenstein, den er bis zum Finale noch weiter ausbauen könnte: Mit seinem 143. Länderspiel überholte Lloris den bisherigen Rekordnationalspieler Lilian Thuram. Sollte es kommenden Sonntag mit dem zweiten WM-Titel klappen, spekulieren viele mit einem Rücktritt des erfahrenen Goalies. Alleine an seinen Fähigkeiten gemessen ist Lloris aber immer noch gut genug, um noch mehrere Jahre an seiner Rekordmarke und seinem Vermächtnis zu schrauben.

YASSINE "BONO" BOUNOU - MAROKKO

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Nicht Ivan Perisic, Alavaro Morata oder Cristiano Ronaldo waren es, die Marokko bei der WM 2022 bisher ein Tor einschenken konnten. Einzig Nayef Aguerd und damit ein marokkanischer Eigentorschütze konnte Yassine Bounou bis dato in diesem Turnier bezwingen. In den 390 Spielminuten (die teils exzessive Nachspielzeit nicht einberechnet), in denen der 31-Jährige zwischen den Pfosten des nordafrikanischen Sensationsteams stand, ließ er einen Superstar nach dem anderen an seinen Torwartkünsten verzweifeln, vereitelte laut Expected-Goals-Statistik fast fünf Tore und auch beim Elfmeterschießen gegen Spanien musste er kein einziges Mal hinter sich greifen.

Kurzum: Yassine Bounou ist einer der absoluten Aufsteiger der bisherigen Weltmeisterschaft und dank seiner Paraden das Gesicht des Überraschungsteams aus Marokko - daran ändert auch der Umstand, dass er beim 0:0 gegen Belgien in der Gruppenphase verletzungsbedingt fehlte, nichts.

Dass "Bono", so der nicht mit dem U2-Frontmann zusammenhängende Spitzname des Goalies, einmal für Marokko auflaufen würde, war einst allerdings nicht in Stein gemeißelt. 1991 wurde er als Kind marokkanischer Emigranten nämlich im kanadischen Montreal geboren, erst im Alter von drei Jahren kehrte er in die Heimat seiner Eltern zurück.

Fußballspielen lernte er schlussendlich in Casablanca - und "Bono" dachte sich wohl wie einst der von Humphrey Bogart legendär verkörperte Rick Blaine im Filmklassiker "Casablanca": "Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft". Der kanadischen Nationalauswahl sagte er rasch ab, 2013 erfüllte sich sein Traum von einem Einsatz im marokkanischen Nationalteam.

Auf Klubebene kickte der Rückhalt der "Löwen vom Atlas" damals noch in der zweiten Mannschaft von Atletico Madrid. Über Stationen in Saragossa und Girona schaffte es der 1,92 Meter große Hüne 2019 zum FC Sevilla - und gewann mit den Andalusiern prompt die Europa League. In La Liga ist "Bono" längst als Spitzenklasse-Keeper bekannt, so soll Real Madrid ein Angebot in Höhe von 30 Millionen Euro vorbereiten, um den WM-Helden als Nummer zwei hinter Thibaut Courtois zu verpflichten. Ob sich der nordafrikanische Hexer nach dieser WM so schnell mit einem Platz auf der Ersatzbank zufrieden geben wird, darf allerdings bezweifelt werden.

DOMINIK LIVAKOVIC - KROATIEN

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Von der kroatischen HNL zur Nummer eins eines der besten Teams der Welt?

Eine Weltmeisterschaft hat schon so manches Märchen wahr werden lassen, nun könnte jenes von Dominik Livakovic in Erfüllung gehen. Der 27-jährige Schlussmann von Dinamo Zagreb wird aktuell als heißester Tipp auf die (Interims-)Nachfolge des schwer verletzten Manuel Neuer beim FC Bayern München gehandelt, nachdem er bei der WM in Katar seine Kroaten bis ins Semifinale brachte.

Die "Krake aus Zadar", wie der bullige Keeper nach seinen vier (!) parierten Elfmetern aus den beiden K.o.-Runden-Spielen - das ist schon vor den beiden finalen Spielen dieses Turniers geteilter Rekord - gegen Japan und Brasilien mittlerweile gerufen wird, ist im kroatischen Nationalteam beinahe ein Unikum. Als einziger Stammspieler der "Kockasti" kickt Livakovic noch in der kroatischen Liga, einzig seine beiden Dinamo-Kollegen Bruno Petkovic und Mislav Orsic sowie Ersatzkeeper Ivica Ivusic (Osijek) und Joker Marko Livaja (Hajduk Split) sind ebenfalls in der HNL beschäftigt.

Dabei agiert die kroatische Nummer eins mittlerweile seit Jahren auf höchstem europäischem Niveau und ärgert mit Dinamo Zagreb Jahr für Jahr Großklubs in der Champions bzw. Europa League; in der HNL hält er den Allzeit-Rekord der meisten Zu-Null-Spiele. Allerdings hatte Livakovic immer wieder auch mit teils heftigen Formschwankungen zu kämpfen, fußballerisch ist er nicht auf dem allerhöchsten Niveau und seine Abschläge kommen oftmals zu kurz.

Auf der Linie gibt es in Europa aber nur wenige Schlussmänner, die Livakovic in der Geschwindigkeit seiner Reflexe das Wasser reichen können - und wie man nach dieser WM weiß, sind selbst weltweit wenige bessere "Shotstopper" unterwegs.

Der Sprung des bald 28-Jährigen, der noch nie außerhalb seiner Heimat lebte, ins Ausland ist mehr als überfällig. "Ich werde sicher bei Dinamo bleiben, aber Livakovic werden wir verkaufen. Wenn wir ihn jetzt nicht verkaufen, dann nie", prophezeit Dinamo-Kollege Mislav Orsic einen Winter-Wechsel seines Keepers. Die Interessenten stehen jetzt schon Schlange und kommen wohl nicht nur aus München...


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