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Gabriel Batistuta: Ein Superstar unter dem Radar

Jungen Fans ist sein Name heute kaum ein Begriff, doch war er alles andere als ein Mitläufer. Seine aufregende Karriere endete beinahe in einer Tragödie.

Gabriel Batistuta: Ein Superstar unter dem Radar Foto: © getty

Fußballlegenden gibt es in einer schieren Unzahl, doch nur wenige schaffen es, sich auf den Olymp zu hieven. In Argentinien wurde diese Ehre bisher insbesondere drei Ikonen zuteil.

Moment, drei? Ja! Die ersten beiden werden dem geneigten Leser wohl blitzartig einfallen. Zunächst wäre da natürlich ein gewisser Diego Maradona, der bereits zu Lebzeiten ein Art Gottesstatus in dem südamerikanischen Land hatte. Unmittelbar dahinter folgt Lionel Messi, der bei der Folgegeneration einen ähnlichen Status erfährt. Und Nummer drei?

Hier folgt ein Name, den jüngere Fußballfans so kaum im Kopf haben werden: Gabriel Batistuta, oder wie ihn die "Gauchos" nennen: "Batigol". Der heute 53-Jährige komplettiert dieses Triumvirat der argentinischen Fußballheiligen. In manifestierter Form zu bewundern in der Hauptstadt Buenos Aires, wo der Bildhauer Fernando Pugliese die drei Legenden im Auftrag der Stadtregierung verewigte.

Dies sagt sehr viel über den Status aus, den Batistuta bis heute bei den Fans genießt. Niemand geringerer als Diego Maradona sagte einst über ihn: "Er ist der beste Stürmer, den ich je gesehen habe." Der Angreifer ist so etwas wie das emotionale Bindeglied der Fans, überspitzt ausgedrückt eine Art "Übegangslegende" zwischen Maradona und Messi und ab Mitte der 1990er-Jahre das Gesicht der "Albiceleste".

Batistuta (l.), Maradona (m.) und Messi (r.) gelten in Argentinien als "Fußballheilige".
Foto: © getty

Der Stürmer durchlebte eine Karriere voller Höhen, Tiefen und Kuriositäten, was seinem Legendenstatus nicht minder zuträglich war. Doch wer war dieser Mann eigentlich und warum ist er in unseren Breiten, wo Messi und Maradona jedem ein Begriff sind, der jüngeren Generation vergleichsweise unbekannt?

WM-Titel entfachte Fußball-Leidenschaft

Gabriel Omar Batistuta wurde am 1. Februar 1969 in Avellaneda, in der nördlich gelegenen Provinz Santa Fe geboren. Dass er später einmal zu einer solchen Fußballlegende werden sollte, ahnte in seinen jungen Jahren noch niemand. Denn sein Ziel damals war eigentlich ein anderes: Batistuta wollte Basketball-Profi werden, was ihm später noch sehr helfen sollte.

Erst durch einen Zufall kam er zum Fußball. Es war im Jahr 1978, als die Fußballbegeisterung in Argentinien ein neues Hoch erlebte. Die "Albiceleste" sicherten sich in einem spannenden Finale gegen die Niederlande den WM-Titel. Das begeisterte auch den damals neun Jahre jungen Gabriel, der fortan neben seiner Leidenschaft für Basketball auch die Liebe zum Fußball entwickelte.

Batistuta war ein fußballerisches Phänomen, wie man es damals wie heute nur selten findet: Was ihn auszeichnete, war, dass er kaum Schwächen hatte. Er vereinte nahezu alle Eigenschaften eines "perfekten" Stürmers.

"Er ist der beste Stürmer, den ich je gesehen habe"

Diego Maradona

Dank seiner Basketball-Vergangenheit verfügte er über eine herausragende Sprungkraft, was ihn zusammen mit seiner Kopfballtechnik in der Luft brandgefährlich machte. Seine geniale Schusstechnik, gepaart mit unglaublicher Schusskraft und Präzision, sorgten für große Augen bei den gegnerischen Torhütern.

Auch sein ehemaliger Nationalteam-Kollege Maradona bewunderte dies. In einem Interview sagte der viel zu früh verstorbene Superstar, er habe es noch nie erlebt, dass ein Spieler so viel Kraft in einen Schuss stecken kann.

Batistuta war zudem ein sehr athletischer Spieler, der mit großen, raumgreifenden Schritten einer Abwehr rasch enteilen konnte. Und vor allem: Er war beidfüßig, was ihm im Torabschluss alle Möglichkeiten gab. Zu sagen es fast gab nichts, was er offensiv nicht konnte, ist keine Übertreibung.

Heimweh wurde fast zum Stolperstein

Doch erst als Jugendlicher entschied er sich endgültig für den Ball am Boden und gegen jenen in der Luft. Eigentlich wollte Batistuta Medizin studieren, doch ein Freund nahm ihn mit zu einem Auswahlspiel der Newells Old Boys nach Rosario. Dort fiel er sofort auf. Mit 17 unterschrieb er beim früheren Klub von Diego Maradona seinen ersten Vertrag.

Doch er hatte zunächst Anpassungsschwierigkeiten, Heimweh plagte den jungen Angreifer und er überlegte zeitweilig sogar, es mit der großen Karriere sein zu lassen. Doch die Old Boys wollten ihm Zeit geben und ermöglichten ihm eine Leihe zu Regionalligist Deportivo Italiano aus Buenos Aires, wo das Umfeld ruhiger war und er sich langsam eingewöhnen konnte.

Die Leihe tat gut: Batistuta wurde zum Torgarant und ging zurück zu den Old Boys. Auch dort sollte es fortan laufen. Vor allem dank seines damaligen Trainers, einem gewissen Marcelo Bielsa.

Danach folgte der erste große Schritt: Batistuta wurde von River Plate verpflichtet. Auch dort zeigte er weiter starke Leistungen, zerstritt sich allerdings mit dem Trainer und wechselte für eine Saison zu den Los Millonarios nach Kolumbien. Danach wurde er ausgerechnet von River Plates schärfstem Konkurrent Boca Juniors verpflichtet. Soviel vorweg: Er schaffte es als einer der wenigen, bei beiden Klubs Leistungsträger und von den Fans angesehen zu sein.

"Batigol" - der Name spricht für sich

Bei den Juniors gelangen ihm in seiner ersten Saison 20 Treffer, wenig später gab er auch sein Debüt in der argentinischen Nationalelf. Sein außergewöhnliches Talent blieb auch in Europa nicht verborgen. Die AC Fiorentina verpflichtete ihn für umgerechnet 2,5 Millionen Euro.

Spätestens da begann sein Aufstieg zum Fußballphänomen. In seiner ersten Saison 1991/92 kam er auf 13 Treffer für ein Team aus dem unteren Tabellendrittel in einer Liga, in der anno dazumal Defensive Trumpf war - beachtlich! Von da an trug er auch seinen prägenden Spitznamen: "Batigol".

Wie sich im Lauf der kommenden Jahre zeigen sollte, verkörperte der Argentinier das, was man im Fußball als "Vereinstreue" bezeichnet. Er trug das Angriffsspiel der Fiorentina speziell in der Saison 1992/93 fast alleine auf seinen Schultern. Am Ende stieg die "Viola" aus der Serie A ab, doch "Batigol" kam dennoch auf beachtliche 16 Tore.

Die meisten anderen Kicker würden wohl nun das Weite suchen, aber Batistuta blieb und hievte seine Fiorentina mit erneut 16 Treffern zurück ins Oberhaus. Von da an liebten ihn die Tifosi aus der Kulturmetropole.

Batistuta wurde daraufhin auch für die WM 1994 nominiert und schoss Griechenland bei seinem WM-Debüt mit einem Hattrick quasi im Alleingang ab. Im Achtelfinale scheiterten die Argentinier trotz eines Batistuta-Treffers mit 2:3 an Rumänien.

Toptorjäger und Objekt der Begierde

Bei seinem Klub setzte er in der darauffolgenden Spielzeit noch eins drauf: In der Aufstiegssaison machte er sich mit 26 Toren zum Torschützenkönig. Es schien, als sei die "Viola" mit ihm unaufhaltbar auf dem Weg nach oben. In der Folgesaison errang man sogar Platz vier und war nun international vertreten. Außerdem gewann Florenz die Coppa Italia.

So gut wie alle Spitzenklubs der damaligen Zeit waren hinter Batistuta, mittlerweile Kapitän in Florenz, her und versuchten den Star zu locken. Alle wollten "Batigol" und dies war auch kein Wunder. Die Vereine, wie auch deren Fans wussten: Batistuta zu holen bedeutet genau ein Motto: "Veni, vidi, met" - er kam, sah und traf. Der Argentinier galt damals neben Ronaldo für viele Experten als der kompletteste Stürmer überhaupt.

Doch der liebte seine "Viola" mittlerweile heiß und blieb, er hatte "noch nicht fertig". Ein Zitat, das uns gleich noch beschäftigen wird. Die Dankbarkeit der Fiorentina-Fans für "Batigols" Verbleib schoss bisweilen ins Unermessliche.

Wie diese auf Italienisch aussieht, zeigten die Anhänger im Sommer 1996, als sie ihrem Idol ein überlebensgroßes Denkmal errichteten. Die Bronzestatue kann bis heute in Florenz bewundert werden.

Als "Trap" fertig hatte

Obwohl die Fiorentina danach bestenfalls im oberen Mittelfeld und so hinter ihren eigenen Ansprüchen landete, blieb der Superstar, trotz zwischenzeitlicher Unstimmigkeiten mit dem Präsidenten, an Bord. Das hatte auch mit den verbesserten sportlichen Voraussetzungen zu tun. Die Vereinsführung wollte nun unbedingt zum großen Wurf ansetzen und verpflichtete einen Coach, der einstweilen bei Bayern München "fertig hatte": Giovanni Trapattoni.

Diente nicht nur frisuren-technisch als Vorbild: Mario Kempes.
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Bevor die beiden Stars aufeinandertrafen, ging es für "Bati" zur WM 1998. Kurios: "Erzengel Gabriel", wie man ihn in seiner Heimat nennt, wäre bei der Endrunde beinahe nicht dabeigewesen. Der damalige Teamchef Daniel Passarella hatte ihn zuvor aus der Mannschaft geworfen. Offiziell passte der damals vielleicht beste Stürmer der Welt nicht in sein "taktisches Konzept".

Der wahre Grund: Batistutas wallende Mähne - heute eigentlich undenkbar. Doch der Coach lenkte am Ende ein und nominierte "Batigol". Argentinien galt damals als Mitfavorit auf den Titel. Auch dort schwang er sich mit insgesamt fünf Treffern zum Torgarant auf und sicherte sich einen bis heute bestehenden Rekord: Batistuta erzielte gegen Jamaika einen Hattrick und ist der einzige Spieler, dem dies bei zwei Endrunden gelang. Doch auch das konnte das Aus der "Albiceleste" im Viertelfinale (1:2 gegen die Niederlande) nicht verhindern.

Der Grund für seine langen Haare ist indes ein anderer argentinischer Superstar, der einst in Österreich kickte: Mario Kempes (Vienna, St. Pölten, Krems), der das große Vorbild Batistutas war und eine ebensolche Mähne trug.

Probleme beginnen am Karriere-Zenit

Kult-Coach "Trap" führte den AC Florenz in der Saison 1998/99 auf Rang drei, obwohl das große Ziel eigentlich der "Scudetto" war. Die Fiorentina war sogar Winterkönig, im Frühjahr lief es aber nicht mehr so rund. Auch in der nächsten Spielzeit sollte es nicht nach Wunsch laufen und Batistuta, mittlerweile am Zenit seines Schaffens, entschied sich im Jahr 2000 für einen Wechsel zur damals aufstrebenden AS Roma.

Das machte ihn zu jener Zeit zum bestbezahlten Spieler der Welt. Zwölf Milliarden Lire (umgerechnet rund 600.000 Euro) soll er damals monatlich verdient haben.

Sein intensiver Spielstil sollte allerdings bald seine Schatten offenbaren. Den Argentinier plagten Knieprobleme. Obwohl er in seiner Debütsaison bei der Roma zehn Spiele verpasste, kam er auf 20 Treffer und wurde italienischer Meister.

Es sollte das letzte große Highlight in der Karriere des mittlerweile 33-Jährigen sein. Das Glück war ihm und seinem Körper nicht mehr länger hold. 

Ein letztes Aufflackern in Katar

Der Angreifer probierte in Folge alles, um seine Karriere noch zu retten, aber wollte zu viel. Der Körper machte nicht mehr mit, in den kommenden Jahren wurden die Einsätze und Tore immer weniger, die Verletzungsprobleme immer mehr. Es folgte ein kurzes Gastspiel bei Inter Mailand, ehe es ihn ins nunmehrige WM-Gastgeberland Katar zu Al-Arabi zog.

In der physisch weniger anspruchsvollen Liga ließ er zum Ausklang nochmals seine Klasse aufblitzen und erzielte 25 Treffer in 21 Spielen. Doch seine körperlichen Probleme waren hier bereits offenbar, was der Stürmer auch selbst einsah und seine Karriere beendete.

Unter dem Strich kann Batistuta eine beeindruckende Bilanz vorweisen. Für seine Fiorentina erzielte der Stürmer in 331 Spielen 203 Tore. In 78 Einsätzen für Argentinien gelangen ihm 54 Volltreffer. Im Jahr 2016 wurde er von Messi überholt, der für diese Bestmarke aber mehr als 110 Spiele brauchte.

In den Jahren nach seinem Karriereende wurde sein Zustand immer schlimmer. Nicht nur Knie, sondern auch Knöchel forderten ihren Tribut. Wie schlimm es tatsächlich um den einstigen Nationalkicker stand, offenbarte er einst in einem aufsehenerregenden Interview mit "Quest France". Darin hatte der damals gerade einmal 45-Jährige erklärt, er würde lieber "sterben, als mit meinen beiden Beinen weiterzuleben".

Pistorius ließ "Bati" über Bein-Amputation nachdenken

Manchmal, so der Argentinier weiter, habe er sich sogar eingenässt, weil die Schmerzen so unerträglich und ein Aufstehen fast unmöglich war. Als er keinen Ausweg mehr sah, wollte Batistuta sogar zum Äußersten greifen.

"Eines Tages kam ich in die Klinik und sagte dem Arzt, dass ich es nicht mehr aushalten würde. Ich bat ihn, mir das Bein zu amputieren", schilderte er. "Ich habe Bilder von Oscar Pistorius gesehen und gedacht: Das ist es", so "Batigol" damals gegenüber "TyC-Sports".

Batistuta nach einer seiner zahlreichen OP's.
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Dem Arzt gelang es jedoch, den Ex-Kicker von einer alternativen Vorgehensweise zu überzeugen. Es folgten zahlreiche Operationen, die am Ende Besserung brachten. Heute kann Batistuta nur noch Golf und Polo spielen, mehr geben seine Beine nicht mehr her.
"Die Mobilität in den Knöcheln ist eingeschränkt, sie sind ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen, speziell der rechte", erklärte er der "Marca". Er könne aber ein normales Leben führen.

Im Jahr 2019 zeigte sich sein Legendenstatus bei den Florenz-Tifosi noch einmal mehr als deutlich. Anlässlich seines 50. Geburtstags wurden seine 50 besten Tore für "La Viola" auf die Denkmäler der Stadt projiziert. Bereits 2016 hatte ihn die Stadt zu ihrem Ehrenbürger ernannt.

Der Argentinier durchlebte eine Karriere, die Stoff für einen Hollywood-Film bietet. Mit vielen Höhen, als gefeierter Held seines Herzenvereins und einer ganzen Nation. Und noch mehr Tiefen, die beinahe in einer Tragödie endeten.

Weltklasse alleine reicht nicht

Gabriel Batistuta war nicht nur während seiner aktiven Zeit ein Phänomen, sondern auch darüber hinaus. Als Spieler verkörperte er den idealen Stürmertypus und vereinte entscheidende Eigenschaften, wie es nur wenige konnten. Der heute 53-Jährige bewegte sich mit seinen Leistungen im Bereich der absoluten Weltklasse und doch wird er in den Köpfen der Fans nicht in diesem Regal angesiedelt.

Am Ende verhinderte dies seine fast zehnjährige Treue zum Mittelständler Fiorentina und auch, dass die "Albiceleste" ihr Potenzial bei den WM-Endrunden nie ganz abrufen konnte. Kein WM-Titel, nicht einmal 30 Spiele in der Champions League, lediglich ein italienischer Meistertitel - zu wenig, um im generationsüberschreitenden Gedächtnis der Fußballfans haften zu bleiben.

Trotz seiner Weltklasse liest sich die Biografie seiner sportlichen Errungenschaften dafür einfach zu nüchtern. Zu wenige sportliche Highlights säumen seinen Karriere-Weg. Dass er danach im europäischen Fußball keinerlei Funktionen inne hatte, tut sein Übriges.

Wenn auf seine Laufbahn ein Attribut zutrifft, dann ist es wohl "legendär". Legendär insofern, als dass es bemerkenswert ist, dass ein Spieler seines Kalibers in der Wahrnehmung heute kaum noch vorhanden ist. Hätte er die Fiorentina früher verlassen, stünde sein Denkmal längst nicht nur auf einem belebten Platz zu Buenos Aires und in der Altstadt von Florenz. So oder so: "Batigol" wird für seine Fans für alle Zeit ein Mythos bleiben.

Denn wer ihn spielen gesehen hat, der weiß: So einer kommt nicht mehr.

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