Über viele Fußballer im Bereich des Spitzensports besteht landläufig die Meinung, dass diese scheinbar das Glück gepachtet haben, denn nur sie verdienen ein Vermögen mit nur ein paar Stunden Arbeit pro Woche, bleiben dabei in bester körperlicher Verfassung und können sich der Bewunderung der Massen kaum erwehren.

Dies mag zwar in den bestbezahltesten Ligen so sein, aber auch die allerbesten Kicker sind immer noch Menschen. Auch Profifußballer bleiben von Schicksalsschlägen  nicht verschont und erleben so wie wir alle ebenfalls von Zeit zu Zeit die unterschiedlichsten Traumata: Und in manchen Fällen sind diese so verheerend genug, um Karrieren abrupt zu beenden.

Aber zum Glück gibt es auch einige Pechvögel, die es von selbst geschafft haben, die erlittenen Schicksalsschläge oder die selbstverschuldeten persönlichen Krisen zu überwinden um auch weiterhin deren Lieblingssport ausüben zu können. Und viele von ihnen sind auch wegen der erlittenen Erfahrungen stärker als zuvor zurück aufs Feld gekommen.

Wir werden in diesem Artikel unseren Blick auf einige Fußballer werfen, die sich im Laufe ihrer Karriere einigen schweren Prüfungen stellen mussten, und diese auch schlussendlich gemeistert haben. Und alle haben den Weg wieder zurück zum Fußball gefunden.

Luka Modric

Der quicklebendige Mittelfeldstratege von Real Madrid war maßgeblich daran beteiligt, dass der spanische Rekordmeister im Laufe der Karriere des Kroaten insgesamt vier Mal die Champions League gewinnen konnte. Und als kroatischer Vizeweltmeister  ließ Luka Modric 2018 sogar bei der jährlich stattfindenden Wahl des Fußballer des Jahres sogar Leonel Messi und Cristiano Ronaldo hinter sich, und wurde bei der Preisverleihung des „Ballon D'or“ zum weltbester Spieler gekürt.

Aber alles hätte auch ganz anders kommen können, denn hinter all dem Glanz und dem Trubel verbirgt sich auch ein anderes Schicksal. Luka wuchs im vom Krieg verheerten Kroatien auf und musste als Flüchtling im Alter von nur fünf Jahren mit seiner Familie in einem heruntergekommenen Hotel Zuflucht suchen, nachdem serbische Truppen deren Heimatdorf eingenommen hatten.

Die Kindheit des Jugendlichen wurde von den Kriegswirren bestimmt, in denen er auch miterleben musste, wie  sein Großvater, der übrigens auch Luka hieß, bei schweren Bombenangriffen ums Leben kam.

Aber dank eines bemerkenswerten Kampfgeistes und seines enormen Talents stieg Luka die Karriereleiter immer weiter nach oben und hinterließ als Teenager bei Dinamo Zagreb bereits einen bleibenden Eindruck. Vom kroatischen Serienmeister wechselte er auf die Insel zu den Spurs an die White Hart Lane, bevor er anschließend bei den „Königlichen“ zum besten Mittelfeldspieler der Welt avancierte.

Nicht schlecht für ein Kind, das zwischen Bombenkrater und Ruinen seine ersten Matches austragen musste.

Ivan Klasnic

Kroatien, mit seinen nur 4-Millionen Einwohnern, ist eines der fußballverrücktesten Länder Europas, das jedes Jahr die internationalen Fußballbühnen mit immer neuen und hungrigen Dribblanskis versorgt. Viele haben ihre eigenen Geschichten, aber die von Luka Modrics Landsmann Ivan Klasnic ist aus menschlicher Sicht hervorzuheben, denn er ist der erste und bisher einzige Spieler, der nach einer Organtransplantation an einem großen Turnier teilgenommen hat.


Noch bemerkenswerter an dieser Tatsache ist die Dauer seines Leidenswegs. Bereits ein Jahr nach dem Double-Gewinn mit Werder Bremen im Jahr 2004 wurden bei dem ehemaligen Stürmer eine Niereninsuffizienz diagnostiziert, die zwei Jahre später Transplantationen unumgänglich machten. Weniger als 18 Monate später spielte er aber dennoch im Dress Kroatiens bei der Euro 2008 und erzielte sogar zwei Treffer: eines davon beim dramatischen 1:1  im Viertelfinale gegen die Türkei im Wiener Ernst Happel Stadion, nach Flanke von Luka Modric!

Der in Hamburg geborene Familienvater musste sich zusätzlich noch mit einem langandauernden Rechtsstreit mit den beiden Vereinsärzten von Werder auseinandersetzten, bestritt aber dennoch anschließend noch über 100 weitere Einsätze in den Top-Ligen Frankreichs, Englands und Deutschlands, bevor er 2013 seine aktive Karriere beendete.

 

Andros Townsend

Der unaufhaltsame Aufstieg des mobilen Glücksspiels hat es leichter denn je gemacht, immer und überall Wetten auf seinen Lieblingsverein platzieren zu können. Für Andros Townsend, der vor dem entscheidenden Play-Off Halbfinale seines damaligen Vereins Birmingham City im Jahr 2012 gelangweilt auf seinem Hotelbett lag, war dies alles aber viel zu einfach. Mit nur einem Klick verlor er 46.000 Pfund (umgerechnet rund 52.000 Euro) mit einer einzigen Fußballwette. Und ab diesem Moment wusste er, dass er ein Problem hatte.

Als Townsend später darüber sprach, auch bei offiziellen Anhörungen der FA, gestand er reumütig seine Fehler ein und wähnte die Gründe seiner Spielsucht im Verlust seines Halbbruders, der bei einem Autounfall ums Leben kam, als er gerade einmal 10 Jahre alt war, zu suchen. Da er zusätzlich noch als junger Profi mehrmals auf Leihbasis in England von Verein zu Verein gereicht wurde (unglaubliche neun Vereine in nur vier Jahren) fehlte ihm auch hier eine stabile soziale Basis um den Gefahren des Glücksspiels zu entkommen.

Nachdem der im Moment für Crystal Palace am Flügel spielende Townsend durch die Wohltätigkeitsorganisation „GamCare“ beraten wurde, konnte er sich allmählich aus den Fängen der Online-Wetten befreien. Diese britische Wohltätigkeitsorganisation ist Teil eines Online-Support-Netzwerks, das auf die Gefahren des Glücksspiels hinweist und auch Hilfe und Unterstützung bei Problemfällen anbietet. Jetzt ist Andros Stammspieler in der Premier League und dankt „GamCare“ noch heute bei öffentlichen Anlässen, dass ihm diese non-profit Organisation nicht nur seine Fußballkarriere gerettet hat, sondern dass er ihr auch wahrscheinlich sein ganzes weiteres Leben zu verdanken hat.

 

Victor Moses

Einige Sportler kommen selbstverschuldet in Krisen, andere werden vom Schicksal unvermittelt mit voller Wucht getroffen. Der Nigerianer Victor Moses, inzwischen an Inter Mailand verliehen, wurde als 11-Jähriger nach London geschickt, nachdem seine beiden Eltern durch islamistische Fundamentalisten getötet worden waren. Seine überlebenden Familienmitglieder sammelten genügend Geld, damit er in England sicher bei Pflegeeltern unterkommen konnte. Von da an nahm sein Leben einen komplett anderen Verlauf und schön langsam strahlte auch sein fußballerisches Talent durch.

Die Scouts vom Premier League-Club Crystal Palace bemerkten als erste das enorme Talent des Teenagers  und ermöglichte ihm eine Ausbildung an einer der besten Akademien der Stadt.

Sein Karriereweg führte Victor dann in die ersten Mannschaften von Liverpool, Chelsea, West Ham und Fenerbahce Istanbul und mit dem Nationalteam von Nigeria schaffte er zusätzlich noch die Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaften 2014 und 2018, bei denen er auch teilnahm.

Robert Schlienz

Alle bisher geschilderten Leidenswege waren in ihren Eigenheiten schlimm und bedauernswert, aber alle Sportler konnten sich zumindest auf ihre Gliedmaßen verlassen.

Anders bei Robert Schlienz. Am 14. August 1948 kam er, damals im Alter von 24 Jahren, nicht rechtzeitig zum Mannschaftstreffpunkt des VfB Stuttgarts, da tags zuvor seine Mutter verstorben war. Auf der anschließenden privaten Anreise zum Pokalspiel gegen den VfR Aalen wurde er in einen Autounfall verwickelt, bei dem sein linker Unterarm, den er aufgrund der großen Hitze zuvor aus dem offenen Autofenster gehalten hatte, zerschmettert und dieser musste daher zwingenderweise amputiert werden. Seine Fußballkarriere schien hierdurch unwiderruflich beendet, aber davon wollte Schlienz nichts hören– ihm war schließlich schon als Soldat im Zweiten Weltkrieg in den Kiefer geschossen worden.

Keine vier Monate später stand er wieder auf dem Rasen und holte in weiterer Folge auch noch als Kapitän des VfB Stuttgart zwei deutsche Meisterschaften und lief dreimal im Nationaltrikot für Deutschland auf.

Einer der Gründe für seinen Erfolg wurde neben seiner extrem harten Arbeit auch in seinem großen taktischen Verständnis gesehen: So wechselte Schlienz von der Stürmerposition auf die Flügel aus, was ihm weniger körperlichen Einsatz bescherte, aber er dennoch seine Schnelligkeit, trotz seiner Einschränkung, immer noch gekonnt ausspielen konnte.

Ein echtes Stehaufmanderl.

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