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Ingolitsch: "Ich habe zum ersten Mal Rückschläge erlitten"

"Ich wurde in meiner ganzen Trainerlaufbahn immer gehypt", sagt Fabio Ingolitsch. Nach seinem schwierigen Jahr in Liefering ist er bereit für neue Aufgaben.

Ingolitsch: Foto: © FC Red Bull Salzburg

Fabio Ingolitsch ist erst 31 Jahre alt. Erfahrung als Fußball-Trainer hat der Salzburger dennoch schon jede Menge.

Sechs Jahre lang war er in der Welt von Red Bull tätig, als Co-Trainer des FC Liefering, als U18-Coach und in der Saison 2022/23 als Chef-Trainer der Lieferinger.

"Die letzte Saison beim FC Liefering war mit Abstand die schwierigste und herausforderndste meines Lebens", sagt der Pro-Lizenz-Inhaber. Er steckte mit den Jungbullen praktisch die gesamte Saison der Admiral 2. Liga im Kampf gegen den Abstieg.

Seit Sommer ist Ingolitsch vereinslos. Im Interview mit LAOLA1 blickt das Trainer-Talent auf seine sechs Jahre bei Red Bull zurück und spricht über mögliche neue Aufgaben.

LAOLA1: Ich bin überzeugt, Sie haben nach dem Ende beim FC Liefering viel reflektiert. Was waren Ihre Erkenntnisse?

Fabio Ingolitsch: Es war eine sehr prägende Zeit für mich. Ich hatte insgesamt sechs wunderschöne Jahre in Salzburg, in denen ich mit vielen spannenden Menschen zusammengearbeitet habe, viel lernen durfte und mich sowohl beruflich als auch persönlich weiterentwickeln konnte. Auf diese Zeit werde ich immer gerne zurückblicken und viele Erfahrungen und positive Erinnerungen mitnehmen.

LAOLA1: Sie sind davor mit der Salzburger U18 zwei Mal Meister geworden, einmal sogar mit Punkterekord. Wie schwierig war der Umstieg zum FC Liefering, wo es dann in andere Tabellenregionen gegangen ist?

Ingolitsch: Ich wurde in meiner ganzen Trainerlaufbahn intern und extern immer gehypt – aufgrund meines jungen Alters und der Lizenzen, die ich sehr früh erworben habe. Vor meiner Zeit als U18-Cheftrainer war ich dreieinhalb Jahre Co-Trainer beim FC Liefering – unter Gerhard Struber und Bo Svensson. Auch da hatte das Team richtig, richtig schwierige Phasen. Diese Erfahrung hat mir extrem geholfen, besser damit umgehen zu können. Hätte ich das nicht gehabt, wären schon Selbstzweifel aufgekommen. So war mir im Vorhinein bewusst, dass der Übergang in den Erwachsenenfußball auch für richtig talentierte Jugendspieler dauert, dass das ein normaler Prozess ist. Eines muss ich aber trotzdem sagen.

LAOLA1: Was denn?

Ingolitsch: Die letzte Saison beim FC Liefering war mit Abstand die schwierigste und herausforderndste meines Lebens. Gleichzeitig war es auch die lehrreichste – als Trainer, aber vor allem als Mensch.

"Die Kunst des Trainers ist, sich so zu polen, dass man selbst an Dinge glaubt"

LAOLA1: Inwiefern auch als Mensch?

Ingolitsch: Weil ich zum ersten Mal als Hauptverantwortlicher viele Hindernisse überwinden musste, das erste Mal auch Rückschläge erlitten habe. Das macht etwas mit einem Menschen. Am Ende des Tages bist du als Trainer der Spiegel der gesamten Mannschaft und des Betreuerteams, wie du zur Arbeit kommst, mit welcher Energie, mit welchen Messages du wieder in die neue Woche trittst. Ich glaube, da habe ich mich extrem gesteigert.

LAOLA1: Muss man da als Trainer ein Stück weit Schauspieler sein?

Ingolitsch: Nein! Die Kunst des Trainers ist, sich so zu polen, dass man selbst an Dinge glaubt, nur dann kann man auch das ganze Team davon überzeugen. Das musst du als Trainer täglich deiner Mannschaft und dem ganzen Staff vorleben.

LAOLA1: Der FC Liefering tut sich in der laufenden Saison noch schwerer als in der Vorsaison. Woran liegt das?

Ingolitsch: Ich kann nur von meiner Zeit sprechen. Wir haben letztes Jahr den Kader noch einmal verjüngt, hatten zu meiner Zeit mit 18,2 Jahren die jüngste Liefering-Mannschaft aller Zeiten. Zudem hat sich die 2. Liga professionalisiert. Der FC Liefering wird immer jünger und die Gegner machen das immer besser. Wenn du dann Jahr für Jahr kein klares Gerüst vor dir hast, sondern immer wieder neu beginnst, dauert dieser Adaptionsprozess, von dem ich vorher gesprochen habe. Man muss sich darüber im Klaren sein, wenn man sich so aufstellt, dass man sich ein Stück weit von Ergebniszielen entkoppeln muss und es wahrscheinlich nicht in den Top 3 enden wird, sondern man am Ende des Tages kämpfen muss. Aber ich finde diese Challenge im Sinne des Entwicklungsgedankens für die Spieler richtig gut.

LAOLA1: Warum?

Ingolitsch: Die Jungs haben ihr ganzes Leben nur gewonnen und es ist immer ziemlich einfach gegangen. Und plötzlich wird es richtig schwierig. In diesen Phasen sieht man, wer von diesen Top-Jugendspielern Hindernisse überwinden und es im Profifußball wirklich schaffen kann. Da geht es auch mal darum, Dreck zu fressen und zu zeigen, dass man sich durchsetzen kann.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Wie geht es Ihnen, wenn sie Samson Baidoo sehen, der plötzlich ÖFB-Nationalspieler ist?

Ingolitsch: Das sind genau die Momente, für die wir immer gearbeitet haben. Ich durfte Sammy Baidoo schon in der U18 begleiten, dann bei Liefering. Wenn ich jetzt sehe, dass er in Lissabon gegen Benfica vor ausverkauftem Haus in der Champions League von Anfang an spielt oder ins Nationalteam kommt, bin ich einfach nur happy und freue mich sehr für ihn. Oder Spieler wie Karim Konate. Der ist im Sommer 2022 aus Afrika gekommen, hatte keine Ahnung von unserer Spielidee. Ich war mit meinem Team verantwortlich, ihn so schnell wie möglich ins System zu integrieren. Und er kriegt es so hin, dass er am Ende der Saison den FC Red Bull Salzburg zum Meistertitel schießt und jetzt Stammspieler ist. Auch das sind Erfolge.

LAOLA1: Was machen Sie derzeit?

Ingolitsch: Ich genieße die freie Zeit, die ich in den letzten Jahren nicht hatte. Plötzlich gibt es Wochenenden, an denen ich mit Freunden und Familie etwas unternehmen kann. Ich mache auch viel Sport, nütze die Zeit, um meine Akkus aufzuladen, bis die nächste Aufgabe kommt.

LAOLA1: Sie haben ja auch bei anderen Klubs hospitiert.

Ingolitsch: Speziell im Sommer war ich viel unterwegs, habe mir Trainings bei Leverkusen, Köln, Mainz und Union Berlin angesehen. Ich habe viele spannende Leute aus der Branche getroffen, mich mit ihnen ausgetauscht, mich inspirieren lassen.

LAOLA1: Wer war der spannendste Kollege, mit dem Sie sich getroffen haben?

Ingolitsch: Da gibt es viele. Bo Svensson, Gerhard Struber, Oliver Glasner, Thomas Letsch, … Ich habe versucht, meinen Horizont zu erweitern. Die Fußballwelt in Salzburg ist großartig, aber nicht die einzige.

LAOLA1: Gehen Sie an Wochenenden in Stadien?

Ingolitsch: Ich schaue momentan viel mehr Fußball als zu der Zeit, als ich bei Liefering bzw. Salzburg gearbeitet habe. Im Stadion bin ich nur gelegentlich, meistens schaue ich von zu Hause aus. Ich genieße es, nicht zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort sein zu müssen.

LAOLA1: Haben schon Vereine bei Ihnen angeklopft?

Ingolitsch: Ich hätte im Sommer direkt weitermachen können, hatte Optionen im In- und Ausland. Aber mir geht es nicht darum, so schnell wie möglich eine neue Aufgabe zu finden, sondern die richtige.

"Ich bin nicht der Typ, der wie auf einem Trampolin von Verein zu Verein springen möchte"

LAOLA1: Was wäre das?

Ingolitsch: Da möchte ich mir alle Möglichkeiten offenlassen. Jede Veränderung ist eine Chance, um dazuzulernen. Ich bin jetzt 31 Jahre alt, ich weiß, dass ich noch nicht am Ende meiner Entwicklung bin. Ich will besser werden, brauche dafür einen neuen Reiz. Ich kann mir gut vorstellen, als Cheftrainer den nächsten Schritt zu machen. Ich kann mir aber auch vorstellen, im internationalen Top-Bereich als Co-Trainer zu arbeiten. Das Wichtigste für mich ist, dass ich mich mit dem Projekt identifizieren kann

LAOLA1: Wie schwierig ist es, das richtige Projekt auszumachen? Alle sprechen immer von langfristigen Projekten. Fakt ist aber auch, dass ein Trainer selten länger als ein Jahr im Amt bleibt.

Ingolitsch: Ich bin ein loyaler Mensch. Wenn ich Salzburg und Liefering zusammenfasse, war ich sechs Jahre bei meiner ersten Station. Ich bin nicht der Typ, der wie auf einem Trampolin von Verein zu Verein springen möchte. Ich will etwas finden, wo ich mich verwirklichen kann, wo ich hinpasse. Ich will das Gefühl haben, dass die Menschen in die Richtung gehen wollen, wie ich mir den Fußball vorstelle. Ich bin nicht der Feuerwehrmann-Typ. Ich will etwas aufbauen.

LAOLA1: Sie haben praktisch Ihr gesamtes Trainerleben in der Welt von Red Bull verbracht. Dort sind Trainern von der Spielidee her klare Leitplanken gesetzt. Wofür stehen Sie als Trainer? Können Sie sich vorstellen, sich auch außerhalb dieser Leitplanken zu bewegen?

Ingolitsch: Ich bin mit einem leeren Blatt Papier zu Salzburg gekommen – und mit einem gut gefüllten Buch gegangen. An diesem Buch möchte ich weiterschreiben. Ich bin natürlich davon geprägt und davon überzeugt, dass es die effektivste Methode ist, erfolgreich zu sein, wenn man proaktiv gegen den Ball unterwegs ist und sehr schnell umschaltet. Zudem habe ich mir in den letzten Jahren auch viele Tools im Positionsspiel mit Ball zugelegt, das Buch auch damit gefüllt. Daraus möchte in eine gesunde Mischung finden. Generell benötigt man als Trainer auch das nötige Feingefühl für die Situation und die eigene Mannschaft und eine gewisse Offenheit, Dinge zu adaptieren.

LAOLA1: Wie soll Ihr neues Team also spielen?

Ingolitsch: Mein Leitsatz ist: agieren statt reagieren. Das heißt gegen den Ball intensiv unterwegs zu sein, um viele Umschaltsituationen zu kreieren und mit dem Ball, aus einer guten Struktur heraus, den Gegner vor Entscheidungsprobleme zu stellen, um sich viele Torchancen zu erspielen.

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