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Maximilian Senft: Vom Poker-Star zum ÖFB-Trainer-Talent

2014 wurde Maximilian Senft Elfter bei der Poker-WM. Nach Lehrjahren bei FAC, Austria, WAC und Barnsley will sich der 33-Jährige nun als Chefcoach durchsetzen.

Maximilian Senft: Vom Poker-Star zum ÖFB-Trainer-Talent Foto: © GEPA

Mit 33 hat sich Maximilian Senft schon in jungen Trainer-Jahren bis zum aktuellen UEFA-Pro-Diplom-Kurs hochgearbeitet.

Dabei war vor einem Jahrzehnt noch keinesfalls absehbar, dass der Wiener diesen Berufsweg einschlagen würde.

Als WU-Student war Senft damals in der Poker-Szene unterwegs, 2014 staubte er bei der WM in Las Vegas als Elfter unter 6683 Teilnehmern gar eine halbe Million Euro ab.

Danach widmete er sich seiner großen sportlichen Leidenschaft Fußball und arbeitete sich als Videoanalyst und Co-Trainer die Hackordnung hoch.

2020 erfolgte der Umstieg zum Cheftrainer. Nach zwei Lehrjahren in Pinkafeld Übernahm er in dieser Saison die jungen Wikinger der SV Ried und führte sie mit fünf Siegen in Serie zum Ende des Herbst-Durchgangs auf Platz fünf, womit man im engen Spitzenfeld theoretisch im Aufstiegsrennen in die Admiral 2. Liga wäre.

Im LAOLA1-Interview erläutert Senft die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Aufgaben als Poker-Profi und Fußball-Trainer, sein hollywoodreifes Barnsley-Erlebnis mit Gerhard Struber und seine Ambition, als Trainer auf "das höchstmögliche Niveau" zu kommen.

Mit Gerhard Struber beim WAC und in Barnsley
Foto: © GEPA

LAOLA1: Du liegst mit Ried II nach einem starken Herbst nur fünf Punkte hinter Leader DSV Leoben. Ist in Ried ein starker Jahrgang am Werk, oder liegt es doch mehr am Trainer?

Maximilian Senft: Vorstand Sport Wolfgang Fiala hat einen sehr spannenden und jungen Kader zusammengestellt, der sich zu einem großen Teil aus Spielern der Akademie zusammensetzt – ergänzt vom einen oder anderen Akteur aus dem Unterhaus oder von anderen Vereinen.

LAOLA1: Ist in Ried der Aufstieg mit der zweiten Mannschaft in die Admiral 2. Liga im Hinterkopf? Die Ausgangsposition ist nicht so schlecht.

Senft: Nein. Unser Ziel vor der Saison waren mehr Punkte als in der vergangenen, da sind wir super unterwegs. Wie es bei Amateur-Teams so ist, hast du eine ständige Fluktuation zwischen den Mannschaften. Wir wollen extrem hungrig bleiben und den Jungs gar keine Grenzen setzen, aber das Thema Aufstieg wäre vermessen.

LAOLA1: Das Hauptziel ist so oder so, Spieler fürs Bundesliga-Team auszubilden.

Senft: Genau, das haben wir auch ausformuliert. Einerseits das Ergebnisziel, andererseits dass wir Spielern helfen, sich für die Bundesliga-Mannschaft zu entwickeln. Auch hier sind wir über Pace. Mit Jonas Mayer, Valentin Akrap und Junior Diomande sind im Herbst drei junge Wikinger auf Kadereinsätze in der Kampfmannschaft gekommen.

"Es hat mir das Mindset gegeben, dass ich mich trauen kann, Dinge anzugehen und mit Überzeugung durchzuziehen, die vielleicht nicht dem klassischen Lebensweg eines WU-Studenten entsprechen."

Maximilian Senft

LAOLA1: Du hast inzwischen auch im Fußball eine interessante Vita. Aber wenn wir rund ein Jahrzehnt zurückgehen: War es immer dein Plan, Trainer zu werden? Damals warst du auf der WU inskribiert und im Poker unterwegs.

Senft: Der Fußball war immer die größte Leidenschaft in meinem Leben. Seit ich sechs war, habe ich vereinsmäßig gespielt. Mir war jedoch schon im jugendlichen Alter klar, dass es sich vom Talent her nicht für ganz weit oben ausgehen wird. Ich habe nach der Schule auf der WU den Bachelor gemacht. Das Thema Fußball blieb amateurmäßig im niederösterreichischen Unterhaus die große Leidenschaft. Den Trainer-Beruf hatte ich in meinen frühen 20ern nicht am Schirm. Während des Studiums habe ich mit Poker begonnen und das fünf Jahre lang sehr intensiv betrieben. Der Trainer-Gedanke ist mir erst mit Mitte 20 gekommen.

LAOLA1: Du bist bei der Poker-WM 2014 in Las Vegas unter 6683 Teilnehmern Elfter geworden. Wie erinnerst du dich an dieses Erlebnis?

Senft: Es war ein sehr prägendes Erlebnis. Du spielst acht Tage am Stück über zwölf Stunden pro Tag Poker. Die World Series of Poker war ja auch das, was man schon als Jugendlicher immer verfolgt hat. Man kann es vielleicht mit einem Burschen vergleichen, der Fußball spielt und es dann selbst zur WM schafft. Es war ein herausragendes Erlebnis, eines meiner Highlights.

LAOLA1: Das Preisgeld betrug eine halbe Million Euro. Inwiefern hat dir Poker die notwendige Unabhängigkeit verschafft, um dich danach auf die Leidenschaft Fußball zu konzentrieren?

Senft: Es stimmt absolut, dass mir das eine gewisse Unabhängigkeit ermöglicht, aber für meinen beruflichen Weg auch viel Selbstvertrauen gegeben hat – vor allem das Mindset, dass ich mich trauen kann, Dinge anzugehen und mit Überzeugung durchzuziehen, die vielleicht nicht dem klassischen Lebensweg eines WU-Studenten entsprechen.

LAOLA1: Was verbindet Poker und den Trainer-Job im Fußball?

Senft: Als Trainer ist natürlich strategisches, analytisches Denken gefragt, da kann man aus dem Poker einiges ableiten. Ein weiteres Element ist, dass man sich in der Analyse recht frei macht vom Ergebnis. Das Ergebnis hat zwar im Profi-Fußball logischerweise trotzdem einen extrem hohen Stellenwert, aber in der Analyse musst du möglichst sachlich bleiben und solltest dich nicht zu sehr von den Emotionen der Resultate leiten lassen. Eine weitere Parallele ist die Komplexität der Einflussfaktoren, die auch im Poker sehr groß ist, wenn man sich im Detail damit befasst. Im Trainer-Beruf gilt das sowieso – du hast beispielsweise den Job am Platz, sprichst mit den Medien du dem Vorstand.

"Je weiter ein Turnier fortgeschritten ist, desto höher werden die Preisgelder. Du musst erst einmal – und das ist dem Ergebnisdruck im Fußball sehr ähnlich – lernen, trotzdem die richtigen Entscheidungen zu treffen."

Maximilian Senft

LAOLA1: Welche Einflussfaktoren sind das beim Poker?

Senft: Einerseits der Umgang mit Druck. Je weiter ein Turnier fortgeschritten ist, desto höher werden die Preisgelder. Du musst erst einmal – und das ist dem Ergebnisdruck im Fußball sehr ähnlich – lernen, trotzdem die richtigen Entscheidungen zu treffen, auch wenn dieser Druck und die Emotionen größer werden. Ein anderer Faktor ist der Gegner. Du hast natürlich deine Hand, aber du hast auch die Hand des Gegners. Das ist ja im Fußball auch so. Du hast deine Überlegungen zum Spiel, aber der gegnerische Trainer genauso. Dann treten Wechselwirkungen ein, auf die du dich immer wieder einstellen musst. Das ist definitiv eine Parallele. Es gibt aber auch einen entscheidenden Unterschied zwischen Poker und Fußball.

LAOLA1: Und zwar?

Senft: Poker spielst du für dich selbst, hast kein Team zu führen. Diese soziale Komponente ist für mich jedoch der große Mehrwert am Trainer-Dasein. Das war auch der Hauptgrund, warum ich mich entschieden habe, vom Poker weg hin zur Trainer-Karriere zu gehen.

Hollywoodreifer Klassenerhalt mit dem FC Barnsley
Foto: © getty

LAOLA1: In selbiger bist du recht schnell im Profi-Bereich gelandet und warst beim FAC, bei Austria Wien und dem Wolfsberger AC Co-Trainer und Video-Analyst. Gerhard Struber hat dich 2019 als Co-Trainer mit zum FC Barnsley genommen. Wie wichtig waren diese Lehrjahre auf Profi-Ebene?

Senft: Extrem wertvoll. Erstens durfte ich in den jeweiligen Staffs mit wirklich tollen Menschen zusammenarbeiten. Ich konnte von erfahrenen Cheftrainern lernen – egal ob das Gerhard Struber, Thomas Letsch, Thomas Eidler oder Robert Ibertsberger war. Zweitens war es auch wertvoll, dass ich mit Profi-Spielern arbeiten durfte, die durchaus einige Jahre älter waren und mehr Erfahrung im internationalen Fußball hatten. Nehmen wir als Beispiele beim WAC Nemanja Rnic und Michael Liendl oder bei der Austria Mike Madl, der jetzt in Ried Co-Trainer ist. Von ihnen konnte ich viel mitnehmen, speziell weil ich selbst eben keine Profi-Karriere hatte.

LAOLA1: An der Seite von Gerhard Struber konntest du bei Barnsley Auslandserfahrung sammeln. Inwiefern war das eine andere Fußball-Welt?

Senft: Die zweite englische Liga war von der physischen Komponente und der Identität schon noch einmal etwas anderes als die Bundesliga in Österreich. Das Spezielle an Barnsley war, dass wir nach Runde 16 mit neun Punkten übernommen, bis zum letzten Spieltag nie die Abstiegszone verlassen haben und erst im letzten Spiel mit einem 2:1-Sieg in der Nachspielzeit bei Brentford über den roten Strich gekommen sind. In meiner Trainer-Karriere war es bisher sicher die prägendste Erfahrung, über einen derart langen Zeitraum auf einem Abstiegsrang zu sein, trotzdem beharrlich sein Ding durchzuziehen und fast schon hollywoodreif in letzter Minute den Abstieg zu verhindern.

"Ich habe die von außen betrachtet eher unkonventionelle Entscheidung getroffen, aus der zweiten englischen Liga zum SC Pinkafeld in die vierte österreichische Liga zu gehen."

Maximilian Senft

LAOLA1: Barnsley war deine letzte Station als Co-Trainer. War klar, dass danach der Schritt zum Cheftrainer erfolgen soll?

Senft: Ich habe zu dem Zeitpunkt einfach gespürt, dass ich für mich selbst als nächsten Schritt erstmals als Cheftrainer Erfahrungen sammeln will, weil es doch eine andere Rolle ist. Dementsprechend habe ich die von außen betrachtet eher unkonventionelle Entscheidung getroffen, aus der zweiten englischen Liga zum SC Pinkafeld in die vierte österreichische Liga zu gehen. Damals war aufgrund meiner Trainer-Lizenz gar nicht viel mehr möglich, das hat sich inzwischen Gott sei Dank mit der Aufnahme in den Pro-Lizenz-Kurs geändert. Auch das war eigentlich ähnlich zum Poker.

LAOLA1: Inwiefern?

Senft: Auch als ich mich entschieden habe, mit Poker aufzuhören, um Trainer zu werden, hat mich nach dem Erfolg bei der Weltmeisterschaft der eine oder andere schief angeschaut. Ich bin ein reflektierter Mensch, treffe aber auch gerne mutige und unkonventionelle Entscheidungen. Pinkafeld war ein super Schritt. Es ist ein gut geführter Amateurverein, bei dem ich nach all den Vorerfahrungen meinen eigenen Trainerstil finden konnte.

LAOLA1: Wie würdest du diesen Trainerstil beschreiben?

Senft: Sehr fordernd für die Spieler, aber mit einer großen Portion Empathie. Eine der Kernkompetenzen eines Trainers ist, das strategische Element mit Energie und Emotion zu verbinden, was am Platz wahrscheinlich sogar die größere Gewichtung hat als das Strategische. Was das Fußballerische angeht, bin ich durch meine Zeit als Co-Trainer unter Thomas Letsch und Gerhard Struber natürlich vom Vorwärtsverteidigen geprägt. Ich möchte, dass wir den Gegner aktiv in Räume bewegen und schlussendlich den Rücken vom Tormann finden, sprich das Tor.

Senft gehört dem aktuellen UEFA-Pro-Diplom-Kurs an
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LAOLA1: Gibt es am Trainer-Markt Vorbilder, an denen du dich orientierst?

Senft: Ich lasse mich von vielen Trainern inspirieren, da würde ich mich nicht auf einen festlegen. Außerdem glaube ich, dass es ganz wichtig ist, seinen eigenen Stil zu finden, der aber im Kontext zur Mannschaft angepasst werden muss. Die vorwiegende Kultur, die in jedem Verein da ist, gilt es in die Überlegungen des Spielstils miteinzubeziehen. Die Fußball-Kultur in Ried ist anders als jene damals bei der Austria, und die Fußball-Kultur in Barnsley war wieder anders. Es ist wichtig, als Trainer ein paar Non-Negotiables zu haben, die immer gelten. Aber ich halte es für eine Kernkompetenz, das Vereins-Umfeld beziehungsweise die Fan- und Spiel-Kultur miteinzubeziehen. Deshalb schaue ich auch nicht zu einem bestimmten Trainer auf, finde es aber spannend zu beobachten, wie Trainer ihren Stil bei den jeweiligen Mannschaften interpretieren. Thomas Tuchel war bei Mainz vom Spielstil her auch ein anderer Trainer als bei Chelsea.

LAOLA1: Du hast es mit Anfang 30 in den Kurs zur höchsten Trainer-Ausbildung geschafft. Wo soll es hingehen in deiner Karriere?

Senft: Mein Ziel ist auf jeden Fall, im Profi-Fußball als Cheftrainer tätig zu sein. Wie jeder ambitionierte Trainer möchte ich versuchen, auf das höchstmögliche Niveau zu kommen. Kurzfristig möchte ich unsere Ziele mit Ried II erreichen. Ich bin froh, dass ich in diesem hervorragenden Umfeld bei der SV Ried arbeiten darf, weil das Know-how der sportlich Verantwortlichen sehr groß ist und ich viel mitnehmen kann. Hier ist einiges im Entstehen.

LAOLA1: Ich frage es mit Augenzwinkern: Ried-Cheftrainer Christian Heinle ist mit dir im Pro-Lizenz-Kurs – muss er vor dir zittern?

Senft: Christian und ich fahren regelmäßig gemeinsam zu den Pro-Lizenz-Kursen. Wir pflegen wirklich einen sehr guten inhaltlichen, freundschaftlichen und kollegialen Austausch!

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