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Kalajdzic: Nationalteam? Vor fünf Jahren undenkbar

Warum eigentlich nie Rapid oder Austria? Wie ihn die Liebe zum Körper stärker macht:

"Ein richtiger Jugo!", lacht Aleksandar Dragovic auf die Vorzüge von Sasa Kalajdzic angesprochen.

Der ÖFB-Shootingstar versteht die Ansage richtigerweise als Kompliment: "Das ist die klassische Antwort. Es freut mich natürlich, dass 'Drago' einen guten Schmäh hat. Natürlich habe ich einen gewissen Jugo in mir. Aber ich bin natürlich auch Österreicher. Ich bin stolz, beides zu sein!"

Dass Kalajdzic dem ÖFB-Team gut tun kann, konnte man beim 2:2 in Schottland beobachten. Sein Doppelpack spricht für sich.

Der 23-Jährige zählt jedoch auch zur Fraktion jener Kadermitglieder, die auf Fragen nicht eingelernte 08/15-Floskeln zum Besten geben - auch in diesem Hinblick könnte die von Foda in den Raum gestellte Angriffs-Kombination mit Marko Arnautovic durchaus erfrischend sein.

Ein Gedanke, dem auch Kalajdzic einiges abgewinnen kann: "Wir müssen nicht darüber reden, welche Qualitäten Marko hat. Ich würde es sehr schön finden, einmal mit ihm zusammen zu kicken."

Als das Nationalteam gedanklich weit weg war

Zu viel spekulieren wolle er darüber nicht, genau wie er den zu weiten Blick in die Zukunft ohnehin nicht allzu sehr forciert. Denn oftmals kommt es ohnehin anders. Durchaus auch im positiven Sinne.

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Vor knapp fünf Jahren, als er von Donaufeld zur zweiten Mannschaft der Admira übersiedelt ist, war das Nationalteam zum Beispiel gedanklich noch eher weit entfernt.

"Vor fünf Jahren war das gefühlt eigentlich unmöglich für mich. Ich lebe auch heute noch im Hier und Jetzt und schaue wenig in die Zukunft, aber das war damals wirklich undenkbar, dass ich für das A-Team und den VfB Stuttgart spiele. Deswegen versuche ich, das auch ein bisschen zu realisieren und zu genießen. Wenn das vor fünf Jahren einer zu mir gesagt hätte, hätte ich ihm wahrscheinlich nicht geglaubt."

Warum eigentlich nicht Austria oder Rapid?

"Ich finde beide Wiener Großvereine super. Ich würde mich freuen, wenn sie erfolgreich sind, das wäre wichtig für den österreichischen Fußball. Aber für die Frage, warum es nie dazu gekommen ist, bin ich die schlechteste Ansprechperson."

Sasa Kalajdzic

Zumindest die beiden Wiener Großvereine Rapid und Austria haben damals offenkundig ebenfalls nicht an solch eine Entwicklung geglaubt. Für die Frage, warum er nie für einen dieser beiden Klubs gespielt habe, sei er der falsche Adressat:

"Das müsst ihr die Wiener Großvereine fragen und nicht mich. Ich kann nur sagen, dass ich froh bin, dass ich damals zur Admira wechseln konnte und jetzt beim VfB spiele. Ich finde beide Großvereine super. Ich würde mich freuen, wenn sie erfolgreich sind, das wäre wichtig für den österreichischen Fußball. Aber für die Frage, warum es nie dazu gekommen ist, bin ich die schlechteste Ansprechperson."

Die späten Teenager-Jahre waren auch ungefähr die Zeit, als der 2-Meter-Riese seinen finalen Wachstumsschub hinter sich hatte. Heute ist diese Größe eine seiner stärksten fußballerischen Waffen.

"Es war aber nicht immer einfach", berichtet Kalajdzic, "das braucht eine gewisse Zeit. Mit 16, 17, 18 habe ich einen Wachstumsschub bekommen. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich mich das eine oder andere Mal verletzt habe. Aber ich will meine Körpergröße nicht schlecht reden."

Liebe für den Körper

Ganz im Gegenteil: "Ich sehe es absolut als Vorteil. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, kleiner oder größer zu sein. Ich bin froh, so zu sein, wie ich bin. Ich bin einfach nur happy, Sasa zu sein."

Die vielen Verletzungen, die Kalajdzic auf seinem Weg begleitet haben, sind ein ganz eigenes Kapitel in seiner Karriere. Entsprechend viel Zeit wendet er inzwischen auf, um seinen Körper zu pflegen.

"Jeder Profi wird dir sagen, dass er jeden Tag auf seinen Körper achtet. Dein Körper ist dein Kapital, und wenn du da anfängst, nachlässig zu sein, wird dir das dein Körper irgendwann zurückzahlen. Wenn du ihm viel Liebe gibst und ihn gut behandelst, wird er dir das aber ebenfalls zurückzahlen."

Wie einen Verletzungen geiler auf Erfolg machen

Die schwere Knieverletzung, die Kalajdzic im Sommer 2019 kurz nach seinem Wechsel zum VfB Stuttgart erlitt, war der schwerste Rückschlag. Davor musste er jedoch auch bei der Admira immer wieder Verletzungspausen einlegen.

"Jede Verletzung ist immer eine Art Rückschlag. Immer wenn es richtig gut gelaufen ist, ist plötzlich etwas gekommen. Das war nicht einfach zu verarbeiten", erzählt der Stürmer, der daraus allerdings womöglich die Kraft gezogen hat, so durchzustarten:

"Das prägt einen auch. Das macht einen nur noch geiler auf mehr Sachen. Das Wichtigste, was ich daraus ziehen konnte: Diese Aufmerksamkeit, die ich meinem Körper schenke. Jedes Mal, wenn ich denke, heute brauche ich nichts mehr machen, denke ich daran, was ich früher erlebt habe, und dann denke ich sofort wieder anders und versuche mich mental, aber vor allem körperlich auf jedes Training und Spiel vorzubereiten."

Kalajdzic kann Aberkennung seines dritten Treffers nicht nachvollziehen

Wer schwere Rückschläge zu verkraften hatte, kann die Ausrufezeichen, die der Wiener zuletzt in aller Regelmäßigkeit beim VfB und nun auch im Nationalteam gesetzt hat, vermutlich noch mehr genießen.

"Wenn du siehst, wie davor die Zweikämpfe geführt worden sind und was er alles nicht gegeben hat, war das ein bisschen zu leicht. Ich habe ihm gesagt, das war soft, es war nichts. In Österreich pfeift man das vielleicht, aber in England reagiert man nicht einmal auf dieses Tackle."

Sasa Kalajdzic

"Ich bin extrem happy, dass ich meine ersten zwei Tore für Österreich machen durfte. Aber es hätte besser geschmeckt, wenn wir gewonnen hätten. So hat es einen bitteren Beigeschmack", erklärt der Goalgetter und trauert seinem dritten, allerdings aberkannten, Treffer nach:

"Der Schiedsrichter hat zu mir gesagt, ich hätte geschubst. Natürlich habe ich ein bisschen mit den Händen gearbeitet", berichtet Kalajdzic, der die Entscheidung dennoch nicht nachvollziehen kann:

"Wenn du siehst, wie davor die Zweikämpfe geführt worden sind und was er alles nicht gegeben hat, war das ein bisschen zu leicht. Ich habe ihm gesagt, das war soft, es war nichts. In Österreich pfeift man das vielleicht, aber in England reagiert man nicht einmal auf dieses Tackle. Es wäre natürlich schön gewesen, denn es wäre das 2:0 gewesen und die Ausgangsposition wäre eine andere geworden."

Die Balance zwischen Spannung und Lockerheit

Am Sonntag bietet sich gegen die Färöer die nächste Gelegenheit, das Torkonto im Nationalteam aufzufetten. Mit diesem Gedanken dürfe man jedoch nicht in ein Spiel gegen solch einen Underdog gehen:

"So denke ich keineswegs. Ich gehe in jedes Spiel mit einer gewissen Spannung, aber auch mit einer gewissen Lockerheit. Es gilt die Balance zu finden, um am Ball nicht irgendwie nervös zu sein, aber auch nicht zu locker, damit dir die Bälle nicht verspringen. Ich versuche da immer so ein Mittelding zu finden. Aber ich unterschätze niemanden!"

Wie einfach oder schwierig es gegen die Insel-Kicker wird, sei noch nicht abschätzbar: "Es kann so sein, dass es ein Spiel für Stürmer ist. Andererseits kann es auch sein, dass du gefühlt immer von drei Mann gedeckt wirst, die dir das Leben schwermachen. Ich bin da relativ gelassen und schaue, was auf mich zukommt."

Noch nie vor voller Kulisse in Stuttgart gespielt

Bitter ist, dass auch beim ersten Heimspiel dieser WM-Qualifikation keine Zuschauer erlaubt sind. Kalajdzic leidet besonders unter den Geisterspielen, der frühere Admira-Kicker würde sein Können gerne einmal vor einer größeren Menge demonstrieren:

"Das tut mir am meisten weh! Ich habe in Stuttgart noch nie vor voller Kulisse gespielt, da hättest du normal 60.000 Leute im Stadion, die Stimmung machen. Genauso beim ÖFB. Es wäre schon etwas Besonderes gewesen, wenn du auswärts in Schottland spielst, die Leute singen und ein richtiges Fest daraus machen."

Man kann derzeit davon ausgehen, dass Kalajdzic dieses Feeling noch miterleben wird, sobald wieder Zuschauer zugelassen sind. Es spricht wenig dagegen, dass der Angreifer das ÖFB-Team weiter bereichert.

Hoffentlich Barcelona und nicht Donaufeld

"Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns im Nationalteam, weil er sehr groß und kopfballstark ist, eine sehr gute Technik hat - eine so gute Technik ist nicht immer üblich. Ich hoffe, dass er so weitermacht, dann hat er eine große Karriere vor sich", lobt Dragovic und gibt Kalajdzic natürlich noch einen Spruch mit:

"Nicht dass es wieder zu Donaufeld zurückgeht! Ich hoffe, es geht zu Barcelona!"

Mit dem "Jugo" könnte man also noch Spaß haben. Ob auch das serbische Nationalteam ein Thema gewesen sei?

"Sagen wir so, es war nie kein Thema", erläutert Kalajdzic, was konkreter klingt, als es gemeint war. Auch hier wollte er schlichtweg nicht in die Zukunft schauen:

"Ich habe nie darüber nachgedacht. Wie gesagt: Ich fange nie an zu spekulieren, weil es sinnlos ist. Genau dasselbe war bei diesem Thema. Ich habe dieses Thema nie groß gemacht, das waren die Medien. Deswegen sehe ich es relativ entspannt. Ich bin einfach froh, hier zu sein, die Leute kennenzulernen, Spaß zu haben und für Österreich spielen zu dürfen."

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