news

Gilewicz vor ÖFB-Duell: "Gibt keinen Favoriten"

Als Alaba und Dragovic bei ihm daheim ein- und ausgingen. Polens Teamkoordinator im Interview:

Gilewicz vor ÖFB-Duell: Foto: © GEPA

Radoslaw Gilewicz zählte in den Nuller-Jahren zu den torgefährlichsten Stürmern der österreichischen Bundesliga.

Mit dem FC Tirol wurde der Pole drei Mal in Serie Meister (2000, 2001, 2002), danach wechselte der Vollblut-Angreifer zur Wiener Austria und holte mit den Veilchen in seinem ersten Jahr in Favoriten den ersten Meistertitel der Stronach-Ära – sein vierter Teller in Folge.

Von 2005 bis 2007 ließ er sein Österreich-Gastspiel beim FC Pasching ausklingen.

Mittlerweile ist der 47-Jährige Teamkoordinator der polnischen Nationalmannschaft.

Teamchef Jerzy Brzeczek holte seinen ehemalige Teamkollegen aus Tiroler Zeiten im vergangenen Sommer ins Betreuerteam.  Zuvor war „Radogoal“ von 2015 bis 2018 Co-Trainer des U15- bzw. U17-Nationalteams.

„Ich kenne Jerzy seit über 20 Jahren, er hat mich gefragt, ob ich das machen will und ich habe sein Angebot angenommen“, erklärt Gilewicz.

Sein Aufgabenbereich hat sich natürlich verändert. „Im Nachwuchs war ich nur für die Stürmer zuständig, beim A-Team betreue ich die ganze Mannschaft.“

Am kommenden Donnerstag (ab 20:45 Uhr im LAOLA1-Ticker) trifft  Gilewicz mit Polen im ersten Spiel der EM-Qualifikation auf Österreich.


LAOLA1: Wie hat Polen auf die Auslosung der EM-Qualifikation reagiert?

Radoslaw Gilewicz: Ich würde nicht unbedingt sagen, dass alle glücklich sind. Denn jede Quali-Phase ist schwer, egal welche Gegner man zugelost bekommt. Das sage ich nicht, weil ich nett sein will, sondern weil es objektiv betrachtet einfach so ist. Ich persönlich habe mich aber sehr über das ÖFB-Los gefreut, da ich mir Österreich oder Russland aus dem 2. Topf gewünscht habe – nicht wegen der Qualität der Teams, sondern wegen meiner Vergangenheit. Stani (Tschertschessow, Teamchef Russlands, Anm. d. Red.) ist ein guter Freund von mir. Und mein Zugang zu Österreich ist sowieso ein ganz besonderer. Das ist meine zweite Heimat. Ich bin oft und gerne in Österreich, egal ob in Wien, Innsbruck oder Linz. Ich fühle mich dort pudelwohl. Ich habe meiner Frau nach der Auslosung gesagt: Jetzt sehe ich meine anderen „Söhne“ wieder. Aleks Dragovic war zum Beispiel sehr oft mit meinem Sohn bei uns daheim, ich habe ihn aufwachsen sehen. Wir haben wirklich ein sehr gutes Verhältnis – noch heute. Oder David Alaba. Er hat drei Jahre mit meinem Sohn bei der Austria in einer Mannschaft gespielt – von der U10 bis U12. Das ist dann schon ein Wahnsinn: Man kommt nach Österreich, sitzt auf der Bank und beim Gegner stehen diese Jungs in der Elf, spielen eine große Rolle im Team und sind Weltstars.

LAOLA1: Die Freundschaft wird aber für 90 Minuten ruhen müssen, denn ein positives Abschneiden in der Qualifikation ist für euch Pflicht.

Gilewicz: Natürlich. Das wurde mir bei meiner Vertragsunterzeichnung  auch klipp und klar mit auf den Weg gegeben. Die Qualifikation für ein Turnier ist immer das Ziel, egal wie die Gruppe aussieht.

LAOLA1: Nach der enttäuschenden WM wurde ein neues Trainerteam installiert. Der Druck wird dennoch gleich groß sein?

Gilewicz: Absolut. Die Erwartungshaltung ist immer groß, die Enttäuschung nach der Endrunde in Russland war aber noch größer. Im Vorfeld hat man sich viel mehr ausgerechnet. Das neue Trainerteam soll einen Umbruch einleiten, es werden mehr Junge kommen. Aber es wird langsam über die Bühne gehen. Wir haben einige Spieler, die über 30 Jahre alt sind. Aber das heißt nicht, dass sie nicht gut sind bzw. dass sie wegen ihres  Alters  ihre Teamkarriere beenden müssen. Wir schauen immer noch auf die Leistung, das ist das Wichtigste. Dazu werden junge Spieler kommen.

Bild 1 von 21
Bild 2 von 21
Bild 3 von 21
Bild 4 von 21
Bild 5 von 21
Bild 6 von 21
Bild 7 von 21
Bild 8 von 21
Bild 9 von 21
Bild 10 von 21
Bild 11 von 21
Bild 12 von 21
Bild 13 von 21
Bild 14 von 21
Bild 15 von 21
Bild 16 von 21
Bild 17 von 21
Bild 18 von 21
Bild 19 von 21
Bild 20 von 21
Bild 21 von 21

LAOLA1: Österreich hatte eine ähnliche Situation nach der EM 2016. Es gab in den folgenden Monaten einige Umstrukturierungen und schlussendlich einen neuen Teamchef. Ist es für den ÖFB ein Vorteil, dass sich Polen noch ein bisschen in der Findungsphase befindet?

Gilewicz: Franco Foda ist schon weit über einem Jahr im Amt. Bei uns ist alles erst ein halbes Jahr her. Klar haben wir weniger Zeit gehabt. Es gab kaum Freundschaftsspiele. Wir haben einiges probiert, wollten neue Dinge – speziell im Taktischen – testen. Wir hätten uns natürlich noch das eine oder andere Testspiel vor dem Start in die EM-Quali gewünscht, aber gut, die Tests gibt es eben nicht mehr. Wir dürfen uns also keine Fehler erlauben, denn wir starten mit Österreich gleich mit dem schwersten Gegner.

LAOLA1: Das heißt, obwohl es das erste Spiel ist, ist es bereits richtungsweisend?

Gilewicz: Ich denke schon. Beide Teams wollen gut starten. Ein  guter Start ist immer wichtig. Ich bin auch froh, dass wir gegen Österreich beginnen, denn dann müssen wir von Anfang wach und konzentriert sein. Einerseits ist es eine schwere Aufgabe, auf der anderen Seite weiß jeder wie stark die Österreicher sind.

LAOLA1: Jerzy Brzeczek hat noch kein Match in seiner Amtszeit gewinnen können. Das erleichtert die Arbeit im fußballverrückten Polen bestimmt nicht.

Gilewicz: Ja, wir haben jetzt lange nicht gewonnen, aber: Wir haben in der Nations League zwei Mal gegen Portugal und zwei Mal gegen Italien gespielt. Das sind zwei Mannschaften mit unglaublicher Qualität, die man nicht vorstellen muss. Gegen Irland und Tschechien haben wir einiges probiert und es hat nicht geklappt. Wir sind aber überzeugt, dass wir in Zukunft wieder einmal gewinnen werden. Wir sind von unserer Qualität überzeugt.

"Österreich hat enorme Qualität. Die meisten Leute spielen in der dt. Bundesliga, haben bei ihren Klubs eine wichtige Rolle. Bei uns spielen dafür sehr viele in der Serie A. Auf der einen oder anderen Position ist Österreich sicher besser besetzt, auf der anderen bestimmt  wir."

Gile ewartet Duell auf Augenhöhe

LAOLA1: Auffällig war in diesen sechs Spielen, dass ihr daheim immer mit zwei echten Stürmern und auswärts mit einer Solospitze aufgetreten seid. Ist daraus eine Tendenz zu schließen?

Gilewicz: Es spielt keine Rolle, ob auswärts oder daheim. Wir wissen im Vorfeld nie, ob wir mit einem, zwei, oder sogar drei Stürmern auflaufen. Es kommt auch immer darauf an, gegen wen wir spielen. Das gilt auch für das bevorstehende Duell.

LAOLA1: Auf den ersten Blick gibt es einige Parallelen zwischen der österreichischen und polnischen Nationalmannschaft: Ungefähr dasselbe Durchschnittsalter, ähnlich viele Legionäre. Ist es grundsätzlich ein Spiel auf Augenhöhe?

Gilewicz: Für mich schon. Österreich hat enorme Qualität. Die meisten Leute spielen in der dt. Bundesliga, haben bei ihren Klubs eine wichtige Rolle. Bei uns spielen dafür sehr viele in der Serie A. Auf der einen oder anderen Position ist Österreich sicher besser besetzt, auf der anderen bestimmt  wir. Aber es kommt jetzt nicht darauf an, wer am Papier besser ist, sondern was am Platz passiert. Es gibt keinen Favoriten.

LAOLA1: Mit Milik, Piatek und Lewandwoski verfügt Polen über einen Mega-Sturm. Ist es derzeit das beste Trio der Welt?

Gilewicz: Von der aktuellen Bilanz vielleicht schon. Aber wir bleiben ganz sicher am Boden. Leider hat sich Dawid Kownacki zuletzt verletzt. Er gilt als das größte Stürmer-Talent in Polen, ist U21-Kapitän und vielseitig einsetzbar. Das wäre der vierte gute Mann für den Angriff gewesen und wir hätten auch noch einen fünften sehr starken, aber mit so vielen Stürmern kann man nicht spielen. Wir freuen uns, so gute Stürmer zu haben, aber es ist keine Garantie, dass sie in jedem Spiel vier, fünf Tore machen.

LAOLA1: Ist es schade, dass man dieses Mittelstürmer-Trio wahrscheinlich nie gleichzeitig am Platz auf ihrer Stammposition sehen wird?

Gilewicz: Das weiß man nie. Wie heißt der Spruch: Für gute Fußballer findet man immer einen Platz in der Mannschaft. Es kommt auch auf die Idee des Trainers an. Das Wichtigste ist aber ohnehin, dass wir viele Möglichkeiten haben und aktuell haben wir sie.

LAOLA1: Abschließend noch zur polnischen Liga: Warum hinkt sie im Vergleich zu anderen Ligen international so hinterher?

Gilewicz: Wenn man jetzt den Vergleich mit Österreich hernimmt: In Polen gibt es keine Mannschaft wie Red Bull Salzburg, die international sehr gut spielt. Unsere Liga ist ziemlich ausgeglichen und sehr unangenehm zu spielen, da sehr körperbetont agiert wird. Viele gute Spieler suchen schnell den Weg ins Ausland. Die Ausländer, die geholt werden, sind nicht besser als die heimischen Spieler.

Kommentare