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Schmid: "Den Teamchef liest nicht der Gärtner aus"

Wissenschaft, Konzepte, Visionen: ÖFB-Insider Fritz Schmid im LAOLA1-Interview.

Schmid: Foto: © GEPA

9674 Kilometer Luftlinie von Wien entfernt ist in Kuala Lumpur ein wahrer ÖFB-Experte stationiert.

Fritz Schmid diente in den ersten beiden Jahren der Teamchef-Ära von Marcel Koller als dessen Assistent und hatte in dieser Funktion großen Anteil an der strategischen Neuausrichtung des ÖFB-Teams.

Ende 2013 trennten sich die Wege und der Schweizer heuerte 2014 als Technischer Direktor des Fußball-Verbandes in Malaysia an.

Diese Tätigkeit hat der 58-Jährige inzwischen beendet, lebt jedoch weiter in Kuala Lumpur, von wo aus er als Technischer Berater in Projekten unter anderem für den asiatischen Fußball-Verband AFC, aber auch für die UEFA tätig ist.

Aus den Augen verloren hat er die Entwicklung des Nationalteams jedoch auch nach seinem Abschied nie. "Das habe ich immer verfolgt", betont Schmid und zeigt sich im LAOLA1-Interview auch bezüglich der Entwicklungen im und rund um den ÖFB in den vergangenen Wochen auf dem neuesten Stand.

Bezüglich Teamchef-Suche hat der Eidgenosse auch eine Anekdote aus seiner Zeit als Sportdirektor in Malaysia parat. Dort hätte er vor zwei Jahren ein Rekrutierungsverfahren aufgezogen, das "von der methodischen und strategischen Herangehensweise auch Willi Ruttensteiner gefallen hätte.“

Das interne Paradepferd

Insgesamt gab es 80 Bewerber, die auf eine Shortlist von drei reduziert wurden. Die Kandidaten mussten sich Interviews stellen, Spiele analysieren und aufbauend auf diese Analyse strategische Vorschläge und Konzepte unterbreiten.

Im letzten Moment sei jedoch vom Verband der Haus-Kandidat eingeschleust worden – "das interne Paradepferd", wie Schmid ihn nennt, "und ich gebe gerne zu, dass ich derartige rein politisch motivierten Überraschungen in diesem Rekrutierungsprozess gerne umgangen hätte."

Bei ihren Abschlusspräsentationen glänzten zwei Kandidaten mit wunderbaren Darbietungen, unterstützt von Powerpoint und Videoanwendungen. Einer habe vor dem zwölfköpfigen Gremium mehr aus der Hosentasche geplaudert. Schmid: "Sie dürfen drei Mal raten, wer sich durchgesetzt hat..."

Dies zeigt: Umstrittene Entscheidungsprozesse sind in der Fußball-Welt gang und gebe, dies ist kein Alleinstellungsmerkmal des ÖFB, der angesichts der jüngsten Turbulenzen jedoch ein Lied davon singen kann.

LAOLA1: Herr Schmid, Sie haben den ÖFB zwei Jahre lang von innen erlebt. Wie beurteilen Sie von außen die Ereignisse der vergangenen Wochen?

Fritz Schmid: Ich muss vorausschicken: Ich betrachte das wirklich aus großer Distanz. Aber ich habe natürlich alle Bewerbe verfolgt, war bei der EURO "hautnah" dabei - mit großer Zeitverschiebung, meist in schlafraubenden Nachtschichten – und ich habe auch die Entwicklung bis zur Trainerablöse beobachtet. Und dabei ist grundsätzlich einzuräumen, dass Marcel Koller erstens die gewünschten Resultate nicht erreicht hat. Zweitens hat er auch in spielerischer und technischer Hinsicht nicht die Entwicklungsschritte erzielt, die sich viele in Österreich in einer übersteigerten Erwartungshaltung wohl erhofft oder erträumt haben. Realistisch ist dem entgegenzuhalten, dass solche Prozesse im internationalen Fussball sehr viel Zeit brauchen - zumal die Konkurrenz längst unheimlich eng beisammen ist. Eine WM-Qualifikation lässt sich heute selbst in großen Fußballnationen nicht mehr garantieren. Sehen Sie, Italien war vier Mal Weltmeister und muss nun durch die Playoffs, die Holländer verpassen nach der EURO auch Russland. Argentinien hat trotz Messi bis zum letzten Spiel gezittert. Auch Chile oder die aufstrebenden USA verpassen die WM, und hier in Asien muss Australien als amtierender Asien-Meister durch eine knüppelharte mehrstufige Playoff-Runde.

Fritz Schmid arbeitete von 2011 bis 2013 mit dem ÖFB-Team
Foto: © GEPA

Gleichzeitig ist festzustellen, dass es dem ÖFB-Team seltener an der Leistung mangelte als an den Ergebnissen. Die Auftritte waren meist in Ordnung, aber die verflixten Resultate haben nicht gepasst. Dass man die Gesamtperformance nun allein aufgrund der Resultate beurteilt, gehört zwar zu den gängigen Regeln im Geschäft, ist aber nicht schlüssig. Die eigentliche Leistung und die erreichten Entwicklungsschritte wären da schon mehr zu würdigen. Zudem hab ich auch beobachtet, dass der Teamchef seinen Kader stetig erweitert hat. Das hat mir sehr gut gefallen, da sind viele interessante Gesichter aufgetaucht. Angesichts dieser Prozesse und der personellen Perspektiven hätte ich mir deshalb vorstellen können, dass man mit dem Trainer weiterarbeitet. Dass sich dann plötzlich solch eine öffentliche Debatte entwickelt hat, hat mich schon erstaunt.

LAOLA1: Inwiefern erstaunt?

Schmid: Weil ich den ÖFB in meiner Zeit sehr strukturiert, sachlich und professionell erlebt habe. Natürlich ist man sich bewusst, dass die Politik immer mitspielt. Verbände funktionieren nun mal so, der Sport funktioniert so. Man kann den Fußball heutzutage nicht mehr begleiten und sich mit Scheuklappen ausschließlich auf seinen Job als Trainer oder Sportdirektor beschränken, da spielen zu viele Dinge mit hinein. Trotzdem konnten wir sehr professionell und zielorientiert arbeiten. Also habe ich mir nun gedacht: Wenn es zur Trennung kommt, wird sie ebenso professionell abgewickelt. Sehen Sie, wenn man einen Trainer verabschiedet, basiert das auf sachlichen Analysen und ist technisch begründet. Man hat auch eine klare Idee, wie das Anforderungsprofil eines Nachfolgers aussieht, hat die potenziellen Kandidaten vielleicht schon über längere Zeit identifiziert, und mit Hinblick auf entsprechende Kriterien auf einer Liste gereiht, um Kontinuität zu gewähren.

Immerhin hat das, was Marcel Koller über sechs Jahre aufgebaut hat, lange großes Vertrauen genossen und ist bei korrekter Beurteilung aller Aspekte wie gesagt auch grundsätzlich positiv zu bewerten. Da muss die Wahrung der Kontinuität doch klar im Vordergrund stehen. Und es muss oberstes Ziel sein, einen Nachfolger zu verpflichten, der das Projekt weiterentwickelt. Es gilt auch zu signalisieren, nicht nur intern, sondern vor allem nach außen: Wir haben jetzt sechs Jahre sehr gut gearbeitet, hatten nicht immer die Resultate, aber wir sind auf einem Weg, der Österreich vorwärts gebracht hat und mit den entsprechenden Anpassungen auch weiter vorwärts bringen kann. Da braucht es keine einschneidenden Umwälzungen und schon gar keine öffentlichen Debatten. Doch da habe ich dann das eine oder andere Statement mitgekriegt, wo ich mich fragen musste, ob das der Sache dient.

"Es wird weiterhin strategisches Denken und Arbeiten benötigen, dazu gehört die praktische Arbeit am Feld ebenso wie moderne Technologie und Wissenschaft, die im heutigen Profifußball nun mal ausschlaggebend sind, wenn es darum geht im internationalen Geschäft mitzuhalten."

Fritz Schmid

LAOLA1: Wer waren die Kräfte im ÖFB, die dieses professionelle Arbeiten forciert haben?

Schmid: Zu Beginn war ich selbst in der strategischen Herangehensweise intensiv involviert. Zudem haben vor allem Marcel Koller und sein hervorragender Staff die gemeinsamen Pläne beharrlich umgesetzt. Und ich muss ganz ehrlich sagen, Sportdirektor Willi Ruttensteiner hat diese Arbeit mit seinem Input immer unterstützt. Was nun für den Misserfolg ausschlaggebend war, kann ich aus der Distanz nicht beurteilen, aber ich kann definitiv sagen: So wie ich das erlebt habe, war es eine echte Freude zu arbeiten. Man konnte strategisch vorwärts arbeiten. Die Mannschaft war sehr aufgeschlossen und motiviert, hat sehr viele Dinge positiv aufgenommen und voll mitgezogen. So haben die Spieler beispielweise von Anfang an die klare Vorgabe formuliert, immer 100 Prozent professionelle Arbeit, das Maximum, anzustreben. Und die Mannschaft hat auch bis zum Schluss alles unternommen um Qualität abzuliefern – allein das sind doch deutliche Zeichen, die für diese sechs Jahre sprechen. Die Art und Weise, wie nun die bedeutungslos gewordenen Spiele gegen Serbien und Moldawien absolviert wurden, sagt eigentlich schon alles über die Qualität in dieser Truppe, den Coach und den gesamten Betreuerstab einbezogen, da braucht es gar keine weiteren Kommentare.

LAOLA1: Mancherorts besteht nun die Sorge, dass das Nationalteam einen Rückfall in die Zeiten vor der Koller-Ära erlebt. Wie darf man sich das vorstellen: Haben Sie damals strategisches Brachland vorgefunden?

Schmid: Das zu behaupten, wäre überheblich. Aber als Marcel Koller im November 2011 antrat, war klar, dass wir bis zum nachfolgenden September Zeit hatten bis zum ersten Ernstkampf in der WM-Quali gegen Deutschland. Also hatten wir Zeit für eine eingehende Analyse: Was ist in den Jahren davor in Österreich passiert? Wir haben alle Spiele aus den vorangehenden zwei Qualifikationen, also über vier Jahre, analysiert und die Ergebnisse intern präsentiert. Danach wurden gemeinsam mit dem Team klare Benchmarks und langfristige Entwicklungsschritte identifiziert, mit dem übergeordneten Ziel, dem Nationalteam ein klares Profil zu vermitteln. Und das ist absolut gelungen. Es wurde rasch eine Identität aufgebaut, die bis heute immer deutlich erkennbar war – unglücklicherweise mit einer Baisse ausgerechnet während der EURO. Aber das Team hat sich nicht nur spielerisch, sondern auch von den Persönlichkeiten her zu einer starken Marke entwickelt, die ganz klar die Leute anspricht und die Fans auch wieder ins Stadion gebracht hat. Wenn es nun heißt, man könnte "ein bisschen weniger" machen, besteht die leise Gefahr gewisse Dinge zu vernachlässigen. Es wird weiterhin strategisches Denken und Arbeiten benötigen, dazu gehört die praktische Arbeit am Feld ebenso wie moderne Technologie und Wissenschaft, die im heutigen Profifußball nun mal ausschlaggebend sind, wenn es darum geht im internationalen Geschäft mitzuhalten. Ich rede hier aus Leidenschaft, weil ich jetzt vier Jahre lang in Malaysia ähnliche Debatten geführt habe.

Ein "bisserl" reicht nicht: Klare Benchmarks für die ÖFB-Kicker
Foto: © GEPA

LAOLA1: Mehr Fußball, weniger Wissenschaft. Überraschen Sie solche Tendenzen, oder spiegelt das wider, wie Sie Teile der österreichischen Fußball-Familie kennengelernt haben?

Schmid: Das war ja eines dieser Themen, die zu Beginn von Marcel Kollers Amtszeit die Gemüter beschäftigt hat. Es kann sich sicher jeder erinnern, dass der Teamchef damals die Sache mit dem "Bisserl" immer wieder ironisch angesprochen hat. Wir haben dieses sprachliche Schmankerl um diesen Diminutiv sogar mit dem Team diskutiert: das Zigaretterl, das Packerl, das Pickerl, das Glaserl. All die Beispiele, wo kleine Vergehen und Regelverstöße auf charmante Art verniedlicht werden, mit der tröstenden Konsequenz, dass es sich ja eh nur um kleine, lässliche Sünden handelt, man aber immer noch in den Himmel kommt. Wegen einem Glaserl oder einem Zigaretterl wird man ja wohl nicht gleich in die Hölle verbannt. Wenn du aber zu einer WM willst, mit den Besten mitspielen, dann reicht ein "bisserl" Engagement nicht. Da braucht es immer Vollgas, das Maximum. Daher die klaren Benchmarks und die anspruchsvollen Vorgaben.

"Willi Ruttensteiner hat sehr viele Dinge eingeführt und nachhaltig durchgesetzt, die in den Bundesländern nicht immer auf Anhieb verstanden und akzeptiert wurden, vielleicht auch weil den Trainern und Funktionären da manchmal die Vorstellung abgeht, wie es im internationalen Spitzenfußball zu und her geht."

Und nun ist es halt so: Auch in der Bundesliga, in den Vereinen, war sehr viel Aufbauarbeit nötig, um die heutigen Qualitäten und Standards zu entwickeln. Mit Bezug zu Sportdirektor Willi Ruttensteiner wäre da festzuhalten, dass der natürlich sehr viele Dinge eingeführt und nachhaltig durchgesetzt hat, die in den Bundesländern nicht immer auf Anhieb verstanden und akzeptiert wurden, vielleicht auch weil den Trainern und Funktionären da manchmal die Vorstellung abgeht, wie es im internationalen Spitzenfußball zu und her geht. Dadurch werden halt auch mal Gräben aufgestoßen und dann ergeben sich solche läppische Debatten über Theorie und Praxis, die eigentlich längst keinen Platz mehr haben im heutigen Fußball. Ich würde nicht einmal sagen, dass das typisch österreichisch ist.

LAOLA1: Also ist eine gewisse Fortschrittsfeindlichkeit ein Reflex?

Schmid: Es gehört wohl zum menschlichen Naturell. Wenn dir der Arzt sagt, du musst jetzt am Morgen zehn Kniebeugen machen, sonst kriegst du bald einen Herzinfarkt, bist du im ersten Moment auch nicht begeistert, wo du doch jahrelang den Tag mit einem Großen Braunen und einem Zigaretterl angefangen hast. Die Leute haben’s nicht gern, wenn sie mit neuen Anforderungen oder Erwartungshaltungen zurechtkommen müssen, wo sie doch zuvor über Jahrzehnte lang ihr Gärtchen so schön bestellt haben. Wenn Neuerungen und Veränderungen auf uns zu kommen, werden wir alle erst mal unruhig, weil wir aus unserer Komfortzone gestoßen werden. Das ist ein normaler Prozess.

Solche Dinge haben wir in den ersten Monaten mit den Spielern angesprochen und Veränderungen eingeleitet – mit Erfolg. Natürlich war ich dann auch enttäuscht, dass ausgerechnet in Frankreich nicht alles so auf dem Rasen zum Ausdruck kam, wie man es sich gewünscht hätte, wie das Team es sich auch verdient hätte. Aber eben, im Fußball geht der Ball halt mal auch an die Stange, und dann fehlt’s am Resultat. Trotzdem muss man den klaren Blick bewahren für die Prozesse und Qualitäten, die entwickelt wurden. Das geht viel zu oft verloren, wenn man nicht gewissenhaft analysiert, nicht ins Detail geht und die Konzepte nicht kennt.

LAOLA1: Haben sich da aber nicht vielleicht auch teamintern Dinge eingeschliffen? Nach dem Motto: Bisher hat es funktioniert, machen wir more of the same.

"Wenn ein Spieler der heutigen Generation das erkennt, dann braucht man sich keine Illusionen zu machen: dann äußert sich der auch – und das ist zu begrüßen, wenn er sich denn am rechten Ort äußert und das in der richtigen Art und Weise tut. Wir wollen ja Spieler, die mitdenken, oder nicht?"

Fritz Schmid über Hinweise der Spieler

Schmid: Das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht hat man gespürt, dass die Mannschaft einen Punkt erreicht hat, wo es schwierig wurde, sich dem nächsthöheren Level anzunähern. Man hat sich vier Jahre lang aufgrund gewisser Fähigkeiten und Werte ein sehr solides Fundament erarbeitet und damit starke Resultate erzielt. Wenn man nun die nächste Entwicklungsstufe anstrebt, müssen sich neue Abläufe und Mechanismen erst mal stabilisieren, das ist häufig damit verbunden, dass einem sowohl individuell wie auch kollektiv vertraute Dinge nicht mehr automatisch von der Hand gehen. Wenn dann mal ein Ball verspringt oder eine ganze Partie schief läuft, kann das zu Verunsicherung führen. Statt mehr Variabilität zu erzielen, klappt dann selbst das Altbewährte nicht mehr so wie’s soll. Auch große Mannschaften, Champions durchlaufen solche Zyklen. Die Entwicklung zum „next level“ passiert nicht einfach so zwischen zwei Länderspielterminen.

LAOLA1: Im ÖFB-Team sind viele Legionäre, die in großen Ligen andere Herangehensweisen kennengelernt haben. Von einigen Spielern sind zuletzt Hinweise gekommen, dass ihnen manche Vorgänge im ÖFB nicht gefallen. Dies kam teilweise an, teilweise nicht. Verstehen Sie die Kritik an den Spielern?

Schmid: Vermutlich müssen sich beide Seiten mal eben an die Nase fassen. Die Aufgabe der Spieler ist es in erster Linie Leistung zu bringen. Aber wenn sie im Ausland Strukturen kennenlernen, wo es professioneller zugeht, werden sie natürlich schon mal nachdenklich. Wenn ein Spieler der heutigen Generation das erkennt, dann braucht man sich keine Illusionen zu machen: dann äußert sich der auch – und das ist zu begrüßen, wenn er sich denn am rechten Ort äußert und das in der richtigen Art und Weise tut. Wir wollen ja Spieler, die mitdenken, oder nicht? Wir wollen Spieler, die auf dem Rasen wissen, was sie zu tun haben, auch wenn keiner hinterherschreit: "Hüpf nach links, schieß nach rechts!" Das sind Vertreter einer modernen Spielergeneration, keine Befehlsausführer. Dafür sind sie dann auch bereit Verantwortung zu tragen, wenn sie als echte Gesprächspartner akzeptiert werden.

Schmid: "Teamchef ist vergleichbar mit CEO in einem Wirtschaftsunternehmen"
Foto: © GEPA

Klar gibt es Beispiele, wo sich Akteure mit ungeschickten Statements über die Medien bemerkbar machen. Das passiert überall und ist sicher nicht der richtige Weg. Allerdings habe ich die Spieler im Team ausnahmslos als aufgeschlossene und verantwortungsbewusste Profis kennengelernt. Und wenn solche Persönlichkeiten sich einbringen mit sachlicher Kritik, die wirklich etwas bewirken und zur Besserung beitragen kann, kann man als Trainer nur dankbar sein. Jedenfalls ist es dann sicherlich nicht förderlich, wenn man sie öffentlich abqualifiziert. Vielmehr wäre es gescheiter, mal zuzuhören. Das gilt für die Trainer und geht bis hin zum Präsidium und den Landesverbänden... (schmunzelt).

LAOLA1: Die Intelligenz der Spieler wurde von einem Landespräsidenten in Frage gestellt, der mit dem Profifußball üblicherweise nicht viele Berührungspunkte hat. In Österreich gibt es gerade die Debatte, ob Leute, deren – wichtige – Aufgabe es ist, den Amateurfußball zu organisieren, so viel Mitspracherecht haben sollten, wenn es um die Bestellungen des Sportdirektors oder Teamchefs geht. Wie ist Ihre Meinung?

Schmid: Zuerst wollen wir doch mal vor allen Akteuren im Amateurfußball den Hut ziehen. Wie man weiß, sind das auf der Erdkugel 98 Prozent, die Profifußballer besetzen gerade mal zwei Prozent. Diese Leute engagieren sich über Jahre hinweg, und kriegen niemals die großen Saläre und auch nicht die öffentliche Aufmerksamkeit wie die Teamspieler. Wenn sich dann die Bühne bietet für einen öffentlichen Auftritt, wollen sie halt mal mitreden. Eitelkeit ist bekanntlich unser liebstes Laster. Da kann dann eine gedankenlose Äußerung auch mal für Aufregung sorgen. Aber schon klar: eine Trainerbestellung im höchsten Bereich, ob im Profiverein oder im Nationalteam, ist Sache der Experten. Ein Teamchef oder ein Profitrainer im Klub, das ist heute vergleichbar mit dem CEO in einem Wirtschaftsunternehmen – und den liest auch nicht der Gärtner aus. Das sage ich bei allem Respekt, ich möchte niemanden beleidigen. Ich habe in Europa diesbezüglich mal eine kleine Studie dazu durchgeführt und Verantwortlichen aus Vereinen oder Verbänden gefragt: Wie läuft das bei euch ab, wenn ihr einen Trainer bestellt?

LAOLA1: Mit welchem Ergebnis?

Schmid: Ganz häufig reduzierte sich das auf zwei Fragen. Erstens: Wer ist verfügbar? Zweitens: Können wir den zahlen? Und wenn das die einzigen Fragen sind, die den Auswahlprozess prägen, kann es halt auch mal schief gehen! Wenn wir da noch einmal an unsere Diskussion über Identität und Werte erinnern, welche die Arbeit im Nationalteam über sechs Jahre geprägt hat, wären da schon andere Fragen in den Vordergrund zu stellen.

"Warum kommt der Spieler zum Team? Wenn er nur zum Lehrgang fährt, weil er sich in Wien mal wieder mit alten Schulfreunden und der Familie treffen will, ist er nicht am richtigen Ort. Wenn er aber kommt, um hohe gemeinsame Ziele zu erreichen und bereit ist, dafür zu arbeiten, dann hat er auch das Recht, hohe Erwartungen zu stellen."

Fritz Schmid

LAOLA1: Welche?

Schmid: Als erstes zum Beispiel: Woher kommen wir? Sehen Sie, in unserer allerersten internen Sitzung haben wir die Frage gestellt: Wie spielt Österreich Fußball? Ganz ehrlich, wir haben keine klare Antwort gekriegt. Also war vor allem mal Identitätsarbeit gefragt: Was sind die Ressourcen? Was ist die Vergangenheit? Die zweite Frage: Wohin soll es gehen? Dann drittens: Wie will man das erreichen? Und viertens, und das ist wohl die wichtigste Frage: Warum? Das richtige WARUM erträgt jedes WIE. Nehmen Sie wieder den Spieler als Beispiel: Warum kommt der zum Team? Was will er da? Wenn er nur zum Lehrgang fährt, weil er sich in Wien mal wieder mit alten Schulfreunden und der Familie treffen will, ist er nicht am richtigen Ort. Wenn er aber kommt, um hohe gemeinsame Ziele zu erreichen und bereit ist, dafür zu arbeiten, dann hat er auch das Recht, hohe Erwartungen zu stellen. DAS sind Fragen, mit denen man sich immer wieder beschäftigen muss, erst recht wenn man so einschneidende Veränderungen zu bewältigen hat wie der ÖFB zurzeit. Immerhin geht da auf einen Schlag sehr viel Substanz verloren: Teamchef weg, wertvolle Staffmitglieder weg, Sportdirektor weg, langjährige Teamstützen weg. Da muss man sich schon Gedanken machen: Wohin geht’s? Wie ist das zu bewerkstelligen? Warum so und nicht anders? Das ergäbe interessante Gespräche mit allen Teamchef-Kandidaten, auch mit dem Sportdirektor. Dazu braucht es noch kein 50-Seiten-Konzept... (lacht)!

LAOLA1: Kein detailliertes Konzept, aber es bräuchte Visionen. Diese Frage blieb unbeantwortet.

Schmid: Ich gehe schon davon aus, dass der neue Mann seine Vorstellungen hat. Peter Schöttel war ja zuletzt als U19-Teamchef im ÖFB eingebunden, und ich erinnere mich, dass bei Willi Ruttensteiner immer alle Trainer in sämtliche Team- und Trainersitzungen voll einbezogen waren, vom Teamchef und seinen Assistenten bis hin zu den Frauen- und Nachwuchstrainern. Wer in diesen Sitzungen präsent war, kennt die allgemeinen Zielsetzungen und weiß, auf welchen Kriterien man aufgebaut hat. Ich kann mich sehr wohl erinnern, dass von verschiedenen Teilnehmern wie etwa Werner Gregoritsch, Dominik Thalhammer oder Andreas Heraf, der ja jetzt in Neuseeland arbeitet, immer differenziertes Feedback gekommen ist. Der neue U19-Teamchef war da sicher auch involviert und weiß also Bescheid.

Der Stratege Fritz Schmid beim Trainer-Seminar des ÖFB
Foto: © GEPA

LAOLA1: Man müsste die Visionen also aus dem Stehgreif runterbeten können…?

Schmid: Da wurde Peter Schöttel mit seiner unglücklichen Formulierung bei seiner Vorstellung wohl auf dem falschen Fuß erwischt. Es wäre ja leicht verschiedene Themen ins Feld zu führen: die Nachwuchsteams etwa, die zuletzt immer starke Duftmarken gesetzt haben, auch wenn es noch nicht regelmäßig nach ganz oben gereicht hat. Von den Erfolgen im Frauenfußball ganz zu schweigen! Da gilt es großartige Aufbauarbeit weiterzuentwickeln. Die Trainerausbildung wurden in den letzten 10 Jahren enorm aufgewertet, da ist heute viel Qualität drinnen, mit einer modernen Ausbildungsstruktur und vielen talentierten Jungtrainern – da hat vor allem Thomas Janeschitz einen Riesenjob gemacht. Allein das weiter auszubauen ist eine riesige Herausforderung. Sie sehen also, selbst aus Malaysia kann ich drei, vier Programmpunkte aufzählen, worauf ich ganz sicher weiters alle Kräfte konzentrieren würde.

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LAOLA1: Sind Sie bei der, wie stets betont, umfangreichen Suche nach einem neuen Sportdirektor eigentlich kontaktiert worden?

Schmid: Nein, sicher nicht! Das wäre auch zu weit hergeholt gewesen, Malaysia liegt nicht um die Ecke (lacht).

"Vor wenigen Jahren waren österreichische Trainer im Ausland noch rar gesät, mittlerweile haben sich Leute wie Peter Stöger oder Ralph Hasenhüttl in Deutschland einen tollen Ruf erworben, in der Schweiz steht Adi Hütter mit den Young Boys an der Tabellenspitze. Auch das ist doch ein weiterer Nachweis für die starke Entwicklungsarbeit in der technischen Abteilung im ÖFB. Da wurde über Jahre Qualität aufgebaut."

Fritz Schmid

LAOLA1: Ihre Arbeit beim ÖFB wurde jedoch sehr geschätzt, manche Spieler sind heute noch davon angetan. Ist es für Sie vorstellbar, irgendwann wieder in Österreich zu arbeiten?

Schmid: Wieso nicht?! Allerdings muss ich sagen, mir war wichtig, immer wieder neue Schritte aus dem eigenen Garten zu setzen und mich persönlich weiterzuentwickeln. Die Zeit in Asien hat nun meinen Horizont noch einmal erweitert, mir ganz andere Perspektiven geöffnet. Und wenn man sich aus einem gewissen Bereich entfernt, gerät man halt leicht in Vergessenheit, das ist ganz normal. Ich bin jetzt schon vier Jahre weg aus Österreich, und bei euch kommen immer neue, gute Leute an die Front – schauen Sie, vor wenigen Jahren waren österreichische Trainer im Ausland noch rar gesät, mittlerweile haben sich Leute wie Peter Stöger oder Ralph Hasenhüttl in Deutschland einen tollen Ruf erworben, in der Schweiz steht Adi Hütter mit den Young Boys an der Tabellenspitze, um nur einige wenige zu nennen. Auch das ist doch ein weiterer Nachweis für die starke Entwicklungsarbeit in der technischen Abteilung im ÖFB. Da wurde über Jahre Qualität aufgebaut, das glaube ich wirklich beurteilen zu können. Diese Qualität gilt es zu bewahren und auszubauen. Auf die Verantwortlichen warten jedenfalls große Herausforderungen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Natürlich wäre es spannend wieder in Österreich zu arbeiten! Ich bin zwar in Kuala Lumpur an einem tollen Ort, aber Wien ist eine der lebenswertesten Städte der Welt, wie ich erst kürzlich gelesen habe… (lacht).

LAOLA1: Wie freiwillig war eigentlich Ihr Abschied im Herbst 2013? Es wurde so verkauft, dass sie sich neuen Projekten zuwenden wollen. Aber wenn man Ihnen zuhört, ist zu spüren, dass Sie noch ziemlich an dieser Mannschaft hängen.

Schmid: Das ist auch so. Die Kooperation im Betreuerstab war exzellent, die Arbeit mit den Spielern war toll, das hat immer unheimlich Spaß gemacht. Da ist doch logisch, dass man gerne zurückdenkt. Andererseits war ich in einer Zwickmühlen-Situation. Ich war als Assistent eingebunden in einem Teilzeitjob und damit angehalten, auf der Nebenschiene andere Projekte zu generieren. Das führte ab einem gewissen Punkt zu Überschneidungen. Es ist verständlich, wenn ein Arbeitgeber dann sagt: Halt, da brauche ich dich, da kannst du dich nicht in dem Sinne einbringen, wie du das vielleicht gerne machen würdest. Ich habe dann angeboten, Thomas Janeschitz, den ich nicht nur als Fachmann sondern auch als Menschen sehr schätzen gelernt habe, in der Entwicklungsarbeit mit den Trainern gewisse Unterstützung zu leisten. Eine konkrete Möglichkeit hat sich dann im ÖFB aber nicht ergeben. Also musste ich mich entscheiden und mich neu positionieren. Auch das gehört zum Geschäft. Mein Glück ist, dass ich nicht ausschließlich nur als Trainer arbeiten kann. Ich kann mich in Entwicklungsprojekte einbringen, in der Trainerausbildung, zuletzt habe ich vornehmlich strategische Entwicklungsprojekte mit asiatischen Landesverbänden betreut. Erst kürzlich habe ich für einen Nationalverband ein Konzept mit Selektions-Kriterien für einen Nationalcoach erarbeitet…(lacht)

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