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Das (neue) ÖFB-Selbstwertgefühl

Brasilien soll spüren, dass es nicht schön ist, gegen ÖFB zu spielen.

Das (neue) ÖFB-Selbstwertgefühl Foto: © GEPA

Vor dem Deutschland-Spiel meinte Franco Foda, dass man keinen falschen Respekt an den Tag legen dürfe. Vor dem Kräftemessen mit Brasilien (16 Uhr im LIVE-Ticker) spricht er davon, dass träumen erlaubt sein müsse.

In Duellen mit solchen Weltmächten in Sachen Fußball ist Österreich logischerweise Außenseiter, und gerade als solcher ist es - vor allem in Zeiten des Erfolgs - bisweilen ein schmaler Grat zwischen Selbstbewusstsein und Selbstüberschätzung.

Bislang verstand es Foda relativ gut, die Erwartungshaltung zu steuern, sich weder über- noch unterzuverkaufen und dafür auf dem Feld denkbar teuer zu verkaufen.

Vor allem kommt man derzeit nicht umhin festzustellen, dass jenes Selbstwertgefühl, welches das ÖFB-Team in der Qualifikation für die EURO 2016 ausgezeichnet hat, danach jedoch etwas verloren ging, wieder da ist. Ein logische Folge der aktuellen Siegesserie.

"Gegen Österreich ist es nicht so schön zu spielen"

Was das Nationalteam bewegen kann, wenn es sich in einem Flow befindet, ist aus der fast durchwegs siegreich bewältigten Ausscheidung für das Turnier in Frankreich noch in bester Erinnerung. Das damals auf dem Feld unter Beweis gestellte Selbstverständnis wurde auch stets verbal transportiert - selbstbewusst, aber zu keinem Zeitpunkt überheblich.

Inzwischen klingen viele Statements ähnlich wie damals. Logisch, dass vor einem Duell mit dem Rekord-Weltmeister die Qualitäten des Kontrahenten in den höchsten Tönen gelobt werden, aber fast alle ÖFB-Kicker lassen gleich im Nebensatz wissen, wie viel man selbst drauf habe.

So streicht etwa Marko Arnautovic hervor, dass die Qualität der Südamerikaner "unglaublich" sei: "Sogar die Spieler, die es nicht zur WM geschafft haben, hätten die höchste Qualität, um in Russland zu spielen. Es gibt keinen einzigen Spieler, den man nicht kennt. Von der Nummer 40 über die Nummer 25 bis zur Nummer 1 weiß man bei jedem, dass er Topqualität hat. Aber ich würde trotzdem sagen, gegen Österreich ist es nicht so schön zu spielen."

Balance zwischen Respekt und Mut

Diese Balance zwischen Respekt und Mut ist gerade gegen Kontrahenten auf diesem Niveau keine unwichtige. Nach dem Sieg gegen Deutschland zeigten sich viele ÖFB-Kicker mit der Herangehensweise vor der Pause nicht gänzlich zufrieden, weil man zu viel Respekt an den Tag gelegt und erst nach dem Seitenwechsel den nötigen Mut aufgebracht habe. "In der ersten Halbzeit haben wir mit Angst gespielt", moniert Aleksandar Dragovic.

Neben einer Standortbestimmung, wo man selbst steht, sind Tests gegen solch hochkarätige Gegner auch dazu da, um solche Defizite zu erkennen und die eigenen Einschätzungen zwischen Realismus und Optimismus weiter zu schärfen.

Optimismus sei jedenfalls auch für das Brasilien-Match angebracht, findet Baumgartlinger: "Es wäre jetzt falsch zu sagen, wir haben übermäßigen Respekt. Wir wissen ganz klar, was auf uns zukommt, nämlich zumindest die Qualität von Deutschland. Nach den Leistungen, die wir gebracht haben, unseren Trainingsleistungen und dem Selbstvertrauen, das wir uns erarbeitet haben, können wir aber durchaus optimistisch ins Spiel gehen. Wir haben gegen Deutschland ein sehr gutes Spiel gemacht und können daraus sehr viel mitnehmen, auch gegen einen ähnlichen Gegner, der ebenfalls dominant spielen will. Wir sind natürlich respektvoll im Umgang mit dem Gegner, im Spiel werden wir aber genauso auftreten wie gegen Deutschland."

Nicht nur eine Ski-Nation, auch eine Fußball-Nation

Gerade der erste Sieg gegen den Lieblingsnachbarn seit 32 Jahren hat einiges für das rot-weiß-rote Selbstwertgefühl getan. "Für uns alle im Nationalteam war es etwas Besonderes, gerade für jene, die das ganze Jahr über in Deutschland spielen. Jetzt brauchen wir uns in Deutschland auch nicht mehr verstecken", lacht Schalke-Legionär Alessandro Schöpf.

"Natürlich hieß es immer wieder: 'Ihr seid's eine Ski-Nation, aber keine Fußball-Nation.' Daher können wir jetzt auch mal die Brust ein bisschen weiter rausstrecken und fragen, wie das mit der Fußball-Nation noch mal war? Ich glaube, dass jetzt auch die Deutschen gesehen haben, dass wir gut Fußball spielen können."

Alessandro Schöpf

Versteckt habe er sich in Gelsenkirchen natürlich auch bislang nicht, aber bei allem gestiegenen Respekt vor Fußball-Österreich in den vergangenen Jahren blickte man im Land des Weltmeisters naturgemäß weiterhin aus der Position der Stärke auf den kleinen Bruder.

"Natürlich hieß es immer wieder: 'Ihr seid's eine Ski-Nation, aber keine Fußball-Nation.' Daher können wir jetzt auch mal die Brust ein bisschen weiter rausstrecken und fragen, wie das mit der Fußball-Nation noch mal war? Ich glaube, dass jetzt auch die Deutschen gesehen haben, dass wir gut Fußball spielen können. Jetzt haben wir die Anerkennung, die wir haben wollten", verdeutlicht Schöpf.

Zudem bekomme man auch die Begeisterung der Fans mit. "Nach dem Ausscheiden in der WM-Quali ist irgendwo auch wieder etwas zusammengewachsen. Das wollen wir einfach fortsetzen. Mit dieser Euphorie wollen wir ins nächste Spiel gehen", erklärt der Siegtorschütze aus den Spielen gegen Russland und Deutschland.

Verpasste WM tut weh

Am liebsten würde er auch gegen Brasilien das Goldtor erzielen. Kraft beziehe man laut Schöpf jedenfalls aus der Serie von sieben Siegen in Folge: "Diese Serie wollen wir natürlich auch gegen Brasilien fortsetzen. Gerade der Sieg gegen Deutschland hat gezeigt, dass wir eine super Mannschaft sind und ebenfalls gut Fußball spielen können, deswegen müssen wir uns vor keiner Mannschaft verstecken, auch nicht vor Brasilien."

Eine super Mannschaft, die bei der WM nur Zuschauer ist. Offiziell hat man das Scheitern in der Qualifikation bereits abgehakt, blickt nicht in die Vergangenheit, sondern nur in die Zukunft. Aber in Zwischentönen kommt das Bedauern, die Dienstreise nach Russland zu versäumen, immer wieder durch.

"Man merkt, die Leute kommen wieder, es ist wieder eine andere Euphorie. Sie sehen, dass wir etwas erreichen wollen, weil es uns selber weh tut, dass wir nicht bei der WM sind. Wir hatten in der WM-Quaifikation genug gute Spiele, die wir nicht für uns entscheiden konnten. Mir fällt kein Spiel ein, bei dem man sagen kann, dass die andere Mannschaft besser als wir war. Aber das ist Geschichte", meint etwa Arnautovic.

In den aktuellen Testspielen versuche man, "schon mal reinzukommen. Bei der Qualifikation müssen wir wieder Gas geben und schauen, dass wir uns qualifizieren. Denn die Qualität haben wir, darüber brauchen wir nicht zu reden", betont der West-Ham-Legionär.

Turnier-Qualifikationen als Anspruch

Die Zeiten, in denen es vielleicht der Wunsch, aber nicht der Anspruch war, sich für ein Turnier zu qualifizieren, sind jedenfalls vorbei. Dafür ist die Qualität des Spielermaterials in den vergangenen Jahren auch zu sehr gestiegen.

"Ein Quantensprung ist es erst gewesen, wenn wir das in die Nations League transferieren können."

Sebastian Prödl

"Wir haben ein Riesen-Potenzial in der Mannschaft, das hat man auch gegen Deutschland gesehen. Dass wir dieses Spiel eigentlich verdient gewinnen, sagt schon einiges über die Qualität in der Mannschaft aus. Unser Ziel ist klar, dass wir uns für die nächsten Turniere, beginnend mit der EM, qualifizieren. Wenn wir unsere Leistung abrufen, immer voll da sind, können wir das auch schaffen", glaubt Grillitsch.

Der Hoffenheim-Legionär streicht jedoch gleichzeitig hervor, dass die Grundbedingung dafür ist, sich immer weiter verbessern zu wollen: "Wir machen viele Video-Analysen und wissen auch, was wir noch nicht so gut machen und besser lösen müssen. Klar waren jetzt viele Dinge gut, aber es gibt auch Dinge, die wir verbessern müssen. Wir werden uns jetzt nicht zufrieden geben, weil wir einmal gegen Deutschland gewonnen haben. Wir wollen weiter Gas geben."

Ein Quantensprung ist es nur bei Erfolg in der Nations League

So gut und schön die jüngsten Ergebnisse für das Selbstwertgefühl waren, eines ist auch klar: Richtig zu zählen beginnt es erst mit der Nations League im Herbst und anschließend in der EM-Qualifikation.

Deswegen meint Sebastian Prödl auch unabhängig vom noch ausstehenden Ergebnis gegen Brasilien über diesen Lehrgang: "Ein Quantensprung ist es erst gewesen, wenn wir das in die Nations League transferieren können. Aktuell sind es gute Ergebnisse, wir zeigen gute Leistungen und treten als Verbund auf. Das sind Attribute, die wir gerne mitnehmen. Der Lehrgang hat gezeigt, dass jeder gewillt ist. Wir wechseln auch während der Spiele die Taktik, das nehmen alle Spieler an und trägt auch Früchte. Wenn wir dieses Bewusstsein weiter forcieren, können wir davon sprechen, dass wir Sprünge machen können. Aktuell ist der Glaube vorhanden, dass wir das auch in Zukunft machen können."

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