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Arnautovic: "Genug Spieler kotzen vor einem Spiel"

Per Mertesacker stößt mit seiner Abrechnung auf Verständnis von ÖFB-Stars.

Arnautovic: Foto: © GEPA

Die schonungslose Abrechnung von Per Mertesacker im "Spiegel" mit dem System Profi-Fußball und dem dort vorhandenen Druck hat hohe Wellen geschlagen.

Unter den Führungsspielern im ÖFB-Nationalteam stößt der 104-fache deutsche Nationalspieler und Arsenal-Legionär, der im Sommer seine Karriere beenden wird, damit auf Verständnis.

Für Marko Arnautovic ist die These, dass viele Profis Probleme haben, mit dem Druck umzugehen, nachvollziehbar: "Natürlich! Es gibt genug Spieler, die vor dem Spiel kotzen oder denen schwindlig wird. Bei mir ist es nicht so."


"LAOLA1 On Air - Der Sport-Podcast" mit Peter Pacult, Stefan Maierhofer, Erwin "Jimmy" Hoffer, Ümit Korkmaz, dem damaligen Salzburg-Goalie Timo Ochs und Thomas Trukesitz, der das Spiel für "Premiere", heute "Sky", kommentiert hat.


Der Druck hat Mertesacker "aufgefressen"

Der West-Ham-Legionär hat bei Werder Bremen eine Saison lang gemeinsam mit Mertesacker gespielt, auch in der Premier League gab es diverse Duelle mit dem Innenverteidiger der "Gunners".

Es ist ein ernstes und wichtiges Thema, das der deutsche Routinier angesprochen hat. "Der Druck hat mich aufgefressen. Dieses ständige Horror-Szenario, einen Fehler zu machen, aus dem ein Tor entsteht", meinte Mertesacker unter anderem.

Vor Spielen würde sich ihm der Magen umdrehen: "Als müsse ich mich übergeben. Ich muss dann einmal so heftig würgen, bis mir die Augen tränen."

Über das Scheitern im WM-Halbfinale 2006 sei er erleichtert gewesen: "Klar war ich auch enttäuscht, als wir gegen Italien ausgeschieden sind, aber vor allem war ich erleichtert. Ich weiß es noch, als wäre es heute. Ich dachte nur: Es ist vorbei, es ist vorbei. Endlich ist es vorbei."

Arnautovic: "Jeder verspürt einen anderen Druck"

Arnautovic selbst darf sich gesegnet fühlen, druckresistent zu sein. "Ich kenne keinen Druck. Ich danke meiner Familie, dass ich Fußball spielen darf und mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Ich habe jeden Tag Spaß, am Platz zu stehen. Natürlich hat man in wichtigen Spielen einen dementsprechenden Druck, aber dass man nicht mehr spielen oder atmen kann, spielt sich bei mir nicht ab. Ich kann damit umgehen und mich voll auf das Spiel konzentrieren", erläutert der Wiener.

Laut Einschätzung des 28-Jährigen müsse man bei diesem Thema differenzieren: "Jeder macht vor dem Spiel etwas anderes, jeder verspürt einen anderen Druck."

Kaum ein österreichischer Fußballer ist derart regelmäßig Druck-Situationen ausgesetzt wie David Alaba - als Bayern-Kicker ist Erfolg Pflicht, in Fußball-Österreich sind viele Augen auf ihn gerichtet.

"Ich fand die Aussagen von Per Mertesacker sehr, sehr positiv. Es ist schön, dass sich so ein Spieler geäußert hat", meint der 25-Jährige und betont: "Natürlich ist der Druck sehr groß, speziell auf dem Niveau, auf dem wir Fußball spielen."

Der Glaube gibt Alaba Halt und Stärke

Alabas Devise: "Jeder Sportler auf diesem Niveau muss versuchen, seinen Weg zu finden, wie man am besten mit diesem Druck umgehen kann. Bei mir ist es zum Beispiel der Glaube, der eine sehr wichtige Rolle spielt. Das ist ein wichtiger Faktor, der mir Halt und Stärke gibt."

Will man beim deutschen Rekordmeister reüssieren, ist der richtige Umgang mit der immensen mentalen Belastung eine Art Grundvorraussetzung.

"Ich glaube, dass es schon schwierig wäre, bei den Bayern zu spielen, wenn man mit dem Druck nicht umgehen könnte. Ich denke, wir haben keinen in der Mannschaft, der das nicht kann, denn der Druck ist wirklich hoch. Wir versuchen den Druck meistens auf Freude und Spaß umzulegen", schildert Alaba.

Er selbst würde Dankbarkeit empfinden, auf diesem Niveau Fußball spielen zu dürfen: "Fußball ist einer der schönsten Berufe, den man auf dieser Welt haben kann. Aber natürlich ist Druck da, und jeder muss versuchen, seinen Weg zu finden, mit diesem Druck umzugehen."

Baumgartlinger: "Schade, dass es im Fußball Tabuthemen gibt"

In der "Kleinen Zeitung" begrüßen mit Julian Baumgartlinger und Sebastian Prödl zwei weitere ÖFB-Führungsspieler den Vorstoß von Mertesacker.

"Es ist so wichtig, dass über dieses Thema gesprochen wird. Vielleicht hilft das auch dem einen oder anderen, sich zu öffnen", meint etwa Baumgartlinger, der hofft, dass die Schattenseiten des Profi-Geschäfts enttabuisiert werden:

"Schade, dass es im Fußball Tabuthemen geben muss. Ich wäre dafür, dass jeder sagen kann, was er denkt, fühlt und mag. Das geht hin bis zur sexuellen Orientierung. Vielleicht entwickeln wir uns auch dahin. Schlimm ist es, dass sich manche eine Fassade aufbauen, die cool und unverwundbar wirkt – aber hinter verschlossenen Türen schaut es ganz anders aus. Das führt zu psychischen Problemen und darüber gehört geredet. Es wäre enorm wichtig."

Prödl findet Mertesacker-Aktion "großartig"

Prödl wiederum ist seit gemeinsamen Bremer Zeiten mit Mertesacker befreundet. "Menschlichkeit und Fehler werden in unserem Geschäft nicht gern gesehen. Es ist aber großartig, wenn sich jemand äußert und Schwäche gesteht", findet der Watford-Legionär und meint weiter:

"Ich glaube, dass es 80 Prozent aller Fußballer zumindest teilweise so geht. Es gibt eine enorme Erwartungshaltung. Per, bei dem wir alle nichts von seinen Problemen mitbekommen haben, war anscheinend einer, der mit dieser Situation zu kämpfen hatte, aber auf dem Platz nicht beeinträchtigt war. Viele schaffen es aber aus ähnlichen Gründen nicht bis zum Profi oder können deshalb dauerhaft nicht ihre Leistung abrufen."

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