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Eine sich immer mehr öffnende Schere

Robert Almer als letzter Mohikaner. Schere zwischen ÖFB-Elf und Bundesliga öffnet sich immer mehr.

Eine sich immer mehr öffnende Schere

Nein, als Außenseiter betrachtet sich Robert Almer nicht.

„Nachdem ich vier Jahre Legionär war, kenne ich, wie es im Ausland abläuft. Daher habe ich nicht das Gefühl, dass ich ein Außenseiter bin“, schmunzelt der Steirer.

Österreichs Nummer eins ist inzwischen jedoch der letzte Bundesliga-Mohikaner im Aufgebot von Teamchef Marcel Koller.

Ein Kicker aus der heimischen Meisterschaft, deren 22 aus finanzkräftigeren und publikumswirksameren Ligen. Rechnet man Marcel Sabitzer hinzu, der verletzungsbedingt absagen musste, sogar deren 23.

Und auch Almer würde wohl noch jenseits der Landesgrenzen sein Geld verdienen, hätte er nicht vergangenen Sommer die Spielpraxis bei der Austria einem Engagement im Ausland vorgezogen.

Europhorie hier, Krise dort

Diese Situation ist ein Spiegelbild der aktuellen Lage im rot-weiß-roten Fußball-Land. Nach Jahren der konsequenten Aufbauarbeit ist das Nationalteam inzwischen eine andere Welt als die Bundesliga, die mit der Ausbildung diverser ÖFB-Kicker jedoch ihren fairen Anteil an dieser Entwicklung hat.

Dennoch: Volle Stadien, Erfolg, Stars und Europhorie auf der einen Seite, Krisen wohin man nur schaut auf der anderen. Wirklich happy mit dem bisherigen Saison-Verlauf ist in der Bundesliga wohl nur die Admira.

Die beiden Titel-Kandidaten Red Bull Salzburg und Rapid liefern in dieser Spielzeit in Wahrheit keine titelwürdige Performance ab. Bei der Austria ist das Publikum verärgert – und die Spieler ärgern sich über diesen Ärger. Noch ärger geht es von den so genannten Großklubs nur in Graz zu, wo Sturm derzeit sowohl sportlich als auch atmosphärisch am Boden liegt.

Und auch alle anderen Vereine haben oder hatten in dieser Saison schwierige Phasen. Nicht nur böse Zungen würden behaupten, dass so mancher Klub glücklich über einen Zuschauer-Zuspruch wäre, wie ihn das Nationalteam bei Regenerations-Trainingseinheiten in Stegersbach genießen durfte.

Eine Frage der Kulisse

Almer ist derzeit als einziger ÖFB-Kicker mit beiden Seiten konfrontiert. „Die Pfiffe bei der Austria bin ich eh schon gewohnt, die haben wir schon seit einem halben Jahr. Man akzeptiert das und versucht trotzdem Leistung zu bringen“, erklärt der 32-Jährige, der gleichzeitig darauf hinweist, dass auch in der ÖFB-Auswahl die Zeiten nicht immer so rosig waren:

„Fakt ist aber auch, wenn man es auf die Nationalmannschaft umlegt: Ich war 2009 das erste Mal dabei. Wenn man die damalige Stimmung im Happel-Stadion mit der jetzigen vergleicht, ist das natürlich schon ein großer Unterschied. Das pusht uns Spieler noch einmal, das eine oder andere Prozent aus sich herauszuholen.

 

"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich will nicht jede Woche vor 40.000 oder 50.000 Zuschauern spielen."

Robert Almer

Im ÖFB-Trikot kann Almer weiterhin Matches vor ansprechender Kulisse genießen, im Liga-Alltag nur höchst selten. Wie sehr dem ehemaligen Deutschland-Legionär Partien mit hohem Publikums-Zuspruch abgehen?

„Ich würde nicht sagen, dass das nur bei der Austria der Fall ist, in Österreich gibt es allgemein sehr wenig Zuschauer. Aber klar, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich will nicht jede Woche vor 40.000 oder 50.000 Zuschauern spielen. Das war speziell in der Zeit in Düsseldorf etwas Besonderes. Aber man muss sich mit der Situation in Österreich einfach arrangieren. Das ist nun mal so. Man muss versuchen, trotzdem das Beste daraus zu machen.“

Im Ausland gegen Widrigkeiten ankämpfen

Diesem Versuch stellen sich zahlreiche Bundesliga-Profis nicht mehr. Österreichische Fußballer sind auch dank des Nationalteam-Aufschwungs im Ausland gefragt – und sei es in zweiten Ligen der großen Fußball-Nationen England oder Deutschland.

Für Teamchef Marcel Koller ist dies natürlich eine angenehme Situation. Wer sich in einer guten Liga in Szene setzen kann, ist auch ein Kandidat dafür, das Niveau in seinem Kader weiter anzuheben.

Schon am Rande seiner Vertragsverlängerung philosophierte der Schweizer über den zukünftigen Einfluss zusätzlicher Legionäre auf das Nationalteam:

„Wenn Österreicher in der Bundesliga gut spielen, kommen Topvereine und werben sie ab. Im Ausland herrscht ein anderer Betrieb. Du musst dich durchsetzen, gegen Widrigkeiten ankämpfen, das Tempo und die Intensität sind höher. Da ist es wichtig, dass du dich durchsetzt. Das wird nicht allen gelingen. Da die Richtigen auszusuchen, ist eine Aufgabe, die man über einen längeren Zeitraum entwickeln muss.“

Immer mehr Bundesliga-Kicker drängen ins Ausland

Im Hinblick auf die EURO ist dies dem Schweizer bekanntlich gelungen. Gut möglich, dass für die WM-Qualifikation die eine oder andere neue Kraft fix ins Aufgebot aufrückt.

Und nicht unwahrscheinlich ist, dass diese aus dem Repertoire an Legionären kommen. Auf der Abrufliste für das Testspiel-Doppel gegen Albanien und die Türkei befanden sich immerhin zehn Akteure, die ihr Geld in fremden Ligen verdienen.


„Wenn man schaut, wer daheim bleiben muss oder auf Abruf ist, denkt man sich auch, da könnten noch einmal locker Zehn mit dabei sein“, ortet auch Julian Baumgartlinger eine Steigerung an Qualität und Quantität.

Almer glaubt zwar nicht, dass die Nationalteam-Türe für Bundesliga-Spieler geschlossen ist, leichter wird es angesichts der Legionäre in der ÖFB-Warteschleife für Spieler aus der heimischen Meisterschaft in Zukunft jedoch tendenziell nicht werden.

Umso mehr Kicker mit Ambitionen auf eine internationale Karriere ins Ausland drängen – etwa der Rapidler Florian Kainz, der im November seinen A-Team-Einstand gefeiert hat und im Winter vor dem Sprung nach Deutschland stand. Oder sein Vereinskollege Philipp Schobesberger, der vergangenen Sommer nach seiner erstmaligen Einberufung ins Nationalteam von Brentford umworben wurde. Dem Ex-Mattersburger Karim Onisiwo hat sein ÖFB-Debüt in Hinblick auf den Wechsel nach Mainz vermutlich genauso wenig geschadet wie Ex-Sturm-Kapitän Michael Madl (im Winter zum FC Fulham) die Nominierungen im Finish der EM-Qualifikation.

Dass neben der sportlichen Perspektive zumeist auch die finanzielle im Ausland erfreulicher ist, sei nur am Rande erwähnt. Aber auch dies ist ein logisches und verständliches Motiv.

Burgstaller: „Ich weiß jetzt, dass nicht immer alles rosig ist“

Wie vom Teamchef angesprochen, wird es nicht allen gelingen, sich bei ihren ausländischen Arbeitgebern durchzusetzen. Der Ex-Rapidler Guido Burgstaller etwa stand nach seinem missglückten Anlauf bei Cardiff City längere Zeit im ÖFB-Abseits. Erst seine Ausrufezeichen bei Nürnberg weckten wieder Kollers Aufmerksamkeit.

Mit Widrigkeiten war der Kärntner nach seinem Abschied aus der Bundesliga fraglos konfrontiert. Dass er sich durchgebissen hat, gereicht ihm nun zum Vorteil.

"Der Wechsel ins Ausland hat mir gut getan, weil ich viele neue Sachen kennengelernt habe - auch negative"

Guido Burgstaller

„Der Wechsel ins Ausland hat mir gut getan, weil ich viele neue Sachen kennengelernt habe - auch negative. Ich weiß jetzt, wie ich damit umzugehen habe und dass nicht immer alles rosig ist. Das hat mich schon sehr weitergebracht“, findet der Nürnberg-Legionär.

Zudem sei in der 2. deutschen Liga die Anforderung im Bereich der Physis höher als in der Heimat. Vom Umfeld ganz zu schweigen.

Schere geht auseinander

Eher wenig Zuschauer bei einem Auswärtsspiel hätte es in dieser Saison nur in Sandhausen gegeben, ansonsten honorieren die Fans auch in Liga zwei das Gebotene: „Der Fußball wird anders gelebt. Es ist schon cool, wenn du in solchen Stadien spielst, die zudem oft ausverkauft sind.“

Über die Fußball-Plätze in Grödig oder Mattersburg hört man Sätze wie diese eher selten.

Mit Salzburg lässt der verlässlichste Garant der vergangenen Jahre für ÖFB-Nachschub derzeit aus. Und auch sonst sprechen die Rahmenbedingungen nicht wirklich dafür, dass sich die Schere zwischen Nationalteam und Bundesliga in naher Zukunft schließt.

Nicht auszuschließen, dass Almer für einige Zeit der einzige Bundesliga-Mohikaner im ÖFB-Kader bleibt.


Peter Altmann

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