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Baumgartlingers Arbeitsprogramm als Kapitän

Worauf der neue ÖFB-Kapitän den Fokus legen wird, steht für ihn außer Frage:

Baumgartlingers Arbeitsprogramm als Kapitän

Mit seiner Ernennung zum ÖFB-Kapitän ist Julian Baumgartlinger ganz oben in der Nationalteam-Hackordnung angekommen.

Worauf der Fokus in seiner Amtszeit liegen soll, steht für den Leverkusen-Legionär außer Frage: "Das Hauptthema ist Verantwortung."

Dies bezieht der 28-Jährige nicht nur auf sich selbst: "Unsere Analyse der letzten Jahre war, dass der nächste Schritt nur kommen kann, wenn aus der Mannschaft und speziell von uns Fühungsspielern mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung kommt."

LAOLA1 schaut sich diesen zentralen Punkt und weitere Aspekte aus der Kür des Salzburgers zum neuen Spielführer genauer an.

(EIGEN)VERANTWORTUNG:

Das Drücken des Reset-Knopfs ist im ÖFB-Team nicht notwendig. Das Scheitern bei der EURO hat jedoch gezeigt, dass man in der Entwicklung noch nicht so weit ist, wie man von außen und vielleicht auch selbst geglaubt hat, und folglich eine Evolution der bisherigen Herangehensweise von Nöten ist.

Baumgartlinger zählt zu den intelligenteren Vertretern seiner Zunft, gilt als Mitdenker. Als solcher ist er bemüht, neue Impulse zu setzen und diese auch vorzugeben.

"Ich möchte etwas bewegen und gemeinsam mit meinen Kollegen weiterentwickeln. Es wird die Aufgabe sein, das anzutreiben, immer wieder zu reflektieren: Passt das gerade, wie wir spielen? Wie ich spiele? Was kann ich aktuell machen? Kann ich schon im Training etwas beeinflussen? Kann ich im Spiel, wenn ich merke, es passt irgendetwas nicht, Einfluss nehmen? Das sind die Hauptaufgaben, die ich momentan sehe."

Das ÖFB-Team verfügte schon bisher über verantwortungsbewusste Kadermitglieder, die man nicht pauschal als die klassischen Befehlsempfänger abstempeln kann. Es handelt sich wohl um Feinheiten, in denen jeder noch mehr Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative unter Beweis stellen kann.


Die EURO bot diesbezüglich jede Menge Lerninhalte. "Bei der EM haben wir gesehen: Man kann nicht immer alles von vornherein beeinflussen oder vorhersehen", verdeutlicht Baumgartlinger und setzt sich in unangenehmen Momenten spontaneres Handeln zum Ziel:

"Mit gewissen Situationen oder Umständen sind wir alle noch nicht konfrontiert gewesen, etwa die Drucksituation oder die Erwartungshaltung. Das muss dann einfach auch ein erfahrener Spieler, wie ich es zum Beispiel bin, erkennen und sagen: 'Was müsste ich aktuell machen? Was kann der Trainer nicht selbst beeinflussen, oder was spürt der Trainer nicht?' Er spürt nicht, ob ich mich gerade schlecht fühle oder irgendetwas nicht passt. Da müssen wir uns selbst sagen: 'Wir sind so weit, wir sind so gut entwickelt und ausgebildet, dass wir das merken und zwei, drei Kommandos reichen, dass wir uns im Spiel besser finden und darauf reagieren und damit vielleicht auch den Ausgang eines Spiels beeinflussen können.'"

TEAMPLAYER:

Schon Vorgänger Christian Fuchs war im ÖFB-Team bezüglich Verantwortung beileibe keine One-Man-Show. Neben dem Leicester-Legionär übernahmen diverse Routiniers Rollen als Sprachrohre.

Baumgartlinger verkörpert sowohl von seinem Spielstil auf dem Platz, als auch von seinem Charakter her den typischen Teamplayer. Ergo möchte er besagte Entwicklung nicht im Alleingang vorantreiben und wird nicht müde, seine Mitstreiter hervorzustreichen.

"Wenn ich jetzt alle Führungsspieler aufzählen müsste, müsste ich fast den ganzen Kader nennen. Der Trainer kann aus einem großen Pool an Stammkräften bei großen Vereinen, die in Europa etwas zu sagen haben, schöpfen", verdeutlicht der Salzburger.

Vergangene Saison trug er bereits bei Mainz die Schleife und sammelte Erfahrung mit dieser Herangehensweise: "Ich habe es auch dort so gesehen, dass ich es nicht alleine bewältigen muss, sondern dass Kommunikation mit den Trainern, Betreuern und Spielern stattfindet und man Sachen gemeinsam angeht."


STELLENWERT DES AMTES:

In der Öffentlichkeit wurde natürlich mit Spannung erwartet, wen Teamchef Marcel Koller zum neuen Spielführer kürt. Für Baumgartlinger ist dieses Amt natürlich eine Auszeichnung. Darüber, ob es in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen oder verloren hat, lässt sich jedoch trefflich streiten.

Die Einschätzung des 28-Jährigen: "Es ist nicht mehr ganz so wie früher, als es einen Leithammel gegeben hat. Es bedarf nicht mehr einer ganz steilen Hierarchie in einer Fußball-Mannschaft. Wir sind 23 Spieler, die mündig und professionell sind. Wir kennen uns alle lange und haben, wie gesagt, viele Führungsspieler in unseren Reihen. Es ist nicht die Aufgabe, das auf eine Schulter zu verteilen, sondern auf mehrere."

AUSSENDARSTELLUNG:

Aber ein Spieler trägt nun einmal die Schleife und als solcher kommen auf Baumgartlinger vor allem abseits des Platzes neue Aufgaben zu.

Eine Erfahrung, die er bereits in Mainz sammeln durfte: "Es ist ein Job, der viel Außendarstellung beinhaltet, einfach auch viel Medienarbeit. Das ist mir in Mainz aufgefallen, dass da viel mehr auf mich zugekommen ist. Das wird mich wahrscheinlich auch beim Nationalteam erwarten."

Dies würde er gerne in Kauf nehmen. Mit seiner versierten Rhetorik dürfte es ihm gelingen, den richtigen Ton zu treffen und auch mal unangenehme Dinge anzusprechen, die Richtung vorzugeben. Als Akteur, der die Öffentlichkeit um jeden Preis sucht, fiel Baumgartlinger bisher jedoch nicht auf.

Dies gilt etwa auch für Social-Media-Aktivitäten, wo er sich von Vorgänger Fuchs und dessen erfolgreichem "NoFuchsGiven"-Projekt deutlich unterscheidet.

Ein generelles Problem, dass viele Profis in den sozialen Netzwerken zu viel preisgeben, ortet er jedoch nicht: "Ich bin nicht der Typ, der nach außen geht, was meine Privatsphäre und mein Leben außerhalb des Fußballs betrifft. Wir leben jedoch in einer Gesellschaft, in der das jeder so handhaben kann, wie er will. Es zeichnet Länder wie Österreich, Deutschland oder die Schweiz aus, dass vieles möglich ist."

NEUSTART:

In den kommenden Tagen gilt die volle Konzentration dem Start in die WM-Qualifikation. In Georgien beginnt nicht nur die Mission, sich für Russland 2018 zu qualifizieren, sondern auch das Projekt Wiedergutmachung nach der EM.

Laut Baumgartlinger habe die interne Analyse des Scheiterns noch vor Ort in Frankreich begonnen, als man sich im Spielkreis zusammengesetzt und das Aus analysiert habe. Bei der aktuellen Zusammenkunft hat sich dieser Prozess fortgesetzt.

"Diese Analyse haben wir nun als Verband und Mannschaft abgeschlossen. Ich glaube, die Schlüsse, die wir gezogen haben, sind sehr gut. Damit können wir jetzt ein neues Kapitel starten und das heißt WM-Qualifikation."

Peter Altmann


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