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Red Bull 2.0? Kasachstan statt Salzburg

Warum ein Österreicher Red Bull Salzburg Richtung Kasachstan verlassen hat.

Red Bull 2.0? Kasachstan statt Salzburg Foto: © FC Kairat

Kasachstan - ein Land 32-mal so groß wie Österreich und mit knapp 18 Millionen Einwohnern.

Fußballerisch ist das zentralasiatische Land zwar Teil der UEFA, wirklich wahrgenommen werden die kasachischen Vereine in Europa jedoch nicht. Der FC Astana ist mit einer Champions-League- und drei Europa-League-Teilnahmen noch das Aushängeschild der ehemaligen Sowjetrepublik.

Mit Kairat Almaty will jedoch ein zweiter Klub die Vormachtstellung Astanas beenden. Dafür hat sich Almaty reichlich Expertise in den Verein geholt - unter anderem den Österreicher Sascha Marth als Tormanntrainer.

Marth wechselte Anfang des Jahres von Red Bull Salzburg, wo er als Torwart-Koordinator tätig war, zu Kairat Almaty. "Hier bin ich für die Profi-Mannschaft zuständig und kann die Akademie im Tormann-Bereich nach meinen Vorstellungen gestalten", berichtet der 27-Jährige im exklusiven Gespräch mit LAOLA1.

Außerdem erzählt Marth, was ihn am Wechsel nach Kasachstan gereizt hat, warum Kairat Almaty kein Red Bull 2.0 sein will und welche langfristigen Ziele er als Trainer hat.

LAOLA1: Sascha, wie kam es überhaupt zum Wechsel zu Kairat Almaty?

Sascha Marth: Es war eigentlich relativ spontan. Im Winter ist Aleksey Shiplevsky, der Cheftrainer, zum Verein gekommen. Er war davor bei RB Leipzig in diversen Cheftrainerfunktionen im Nachwuchs tätig. Auch Wolfgang Geiger, welcher in leitenden Positionen bei RB Leipzig gearbeitet hat, ist nach Almaty gegangen. Die haben dann die Idee geboren, ob ich nicht Interesse hätte, das zu machen. So ist der Kontakt zustande gekommen und ich bin hier gelandet.

LAOLA1: Du warst davor Torwart-Koordinator in der Red Bull Fußball Akademie. Was war deine genaue Aufgabe?

Marth: Ich habe in der Akademie alle Torwart-Trainer koordiniert, alle Torhüter eingeteilt und alle organisatorischen Dinge, die angefallen sind, erledigt. Zudem lief der Austausch mit dem FC Liefering, den Profis des FC Red Bull Salzburg und sämtlichen Kooperationen im Torhüterbereich bei mir zusammen. Ich habe das Administrative in der Tormann-Abteilung gemacht, wie etwa das Scouting und die ganzen Einteilungen. Zudem habe ich noch die U15 direkt betreut.

"Ich wollte immer schon etwas machen, was andere vielleicht nie machen würden"

Sascha Marth

LAOLA1: Was war der Reiz beim Wechsel zu Kairat Almaty?

Marth: Ich wollte immer schon etwas machen, was andere vielleicht nie machen würden – ein bisschen aus der Komfortzone ausbrechen, dass es dann so weit aus der Komfortzone sein wird, habe ich mir damals nicht gedacht (lacht). Es ist eine komplett andere Mentalität, ein komplett anderes Klima und das tägliche Leben ist nicht mit dem in Europa zu vergleichen. Das alleine war schon sehr reizvoll für mich, um mich sportlich, aber vor allem persönlich weiterzuentwickeln. Hinzu kam jedoch, dass ich hier für die Profi-Mannschaft zuständig bin und auch die Akademie im Tormann-Bereich nach meinen Vorstellungen gestalten kann. Dazu gehört der Aufbau der Grundstruktur, das Schulen der Torwarttrainer und das Scouting.

LAOLA1: Was sagte dein Umfeld zum Wechsel?

Marth: Familiär war es zunächst ein bisschen ein Schock, als ich gesagt habe, dass ich überlege, nach Kasachstan zu gehen. Aber es haben alle schnell gemerkt, dass es das ist, was mich weiterbringt und haben mich gleich unterstützt. Sie haben es auch ganz cool gefunden, dass es ein russisch-sprachiger Bereich ist, da meine Mama aus Ungarn kommt, in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen ist und ein wenig Russisch kann. Der erste Schock hat einmal gesessen, danach waren alle einfach nur aufgeregt.

LAOLA1: Wie sind deine ersten Eindrücke von Kasachstan? 

Marth: Die Stadt Almaty ist sehr schön, sie ist eine Mischung aus Wien und Salzburg. So groß wie Wien und so gebirgig wie beispielsweise in Salzburg, nur sind die Berge etwas höher – der höchste Berg direkt an der Stadt ist ca. 5000 Meter hoch. Es ist im Winter extrem kalt und im Sommer extrem heiß. Wir haben aktuell 40 bis 42 Grad und im Winter haben wir so zwischen Minus 20 und Minus 30 Grad gehabt. Die Stadt ist auch die modernste im ganzen Land. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Cheftrainer, Aleksey Shpilevski Deutsch spricht, der Co-Trainer Tommy Jähnigen und der Athletiktrainer Christos Pappadopoulus, aus Deutschland kommen. So haben wir unsere deutschsprachige Runde. Da bist du dann nicht komplett auf dich alleine gestellt. Vom Leben bleibt nicht viel über, du arbeitest den ganzen Tag. Du hast auch relativ viele Wege innerhalb des Landes. Die Flüge dauern bis zu dreieinhalb Stunden zu einem Auswärtsspiel in der Liga. Hinzu kommt die Europa-League-Quali, wo man mitunter zwölf Stunden zu einem Auswärtsspiel fliegt.

"Es soll keine Kopie werden, weil Kopien nie so gut sind, wie das Original."

Sascha Marth über den Red-Bull-Vergleich

LAOLA1: Was sind die Ziele hinter dem Projekt "Kairat Almaty"?

Marth: Das Ziel ist es natürlich, die Spielphilosophie zu implementieren. Außerdem möchten wir dazu beitragen, den Klub auf einen europäischen Standard zu heben. Die Infrastruktur ist da. Wir haben alleine am Trainingsgelände der Profis fünf Plätze, davon zwei Kunstrasenplätze, wobei einer komplett überdacht ist. Wir haben einen Footbonaut und ein riesiges Fitnessstudio. Infrastrukturell mangelt es überhaupt nicht, das kann man schon fast mit Salzburg vergleichen – es ist jedoch klarerweise nicht so funktionell. Das gleiche gibt es dann noch einmal in unserer Akademie, also von der U15 bis zur U19. Dann gibt es für die ganz Kleinen auch noch ein Trainingsgelände. Ziel ist natürlich der Meistertitel und in der UEFA Europa League soweit wie möglich zu kommen.

LAOLA1: Neben dir sind auch einige Ex-Leipziger beim Verein tätig – soll es ein Red Bull 2.0 werden?

Marth: Es soll keine Kopie werden, weil Kopien nie so gut sind, wie das Original. Aber in die Richtung des dort praktizierten Spielstiles und der gelebten Mentalität soll es schon gehen! Natürlich abgestimmt auf die kasachische Liga.

LAOLA1: Was kannst du uns zur kasachischen Liga erzählen?

Marth: Die kasachische Liga ist für junge Spieler sehr gut. Du bekommst sehr viel Professionalität mit. Mit der UEFA Europa League, Cup, Meisterschaft warten viele spannende Reisen, aber man ist trotzdem nicht so unter Beschuss von den Medien wie in Europa. Wenn du in Österreich als 17-jähriges Talent reinkommst und einen Fehler machst, hast du keinen leichten Stand in der öffentlichen Wahrnehmung. Hier hingegen kannst du gut Erfahrung sammeln. Es ist eine gute Entwicklungsliga und wäre ein guter Zwischenschritt für viele, die vielleicht nicht sofort den Sprung in die österreichische oder deutsche Bundesliga schaffen. Das kann schon eine Plattform für einige Spieler sein, man muss sich nur darauf einlassen. Der Vorteil ist, dass du in Asien bist, aber trotzdem in den Bewerben der UEFA spielen kannst. Du bist also in Europa im Fokus. Leider ist die Liga innerhalb des Landes nicht sehr angesehen, da Fußball nicht die Sportart Nummer 1 ist. Wir können uns daher sehr glücklich schätzen, da wir ca. 8.000 - 10.000 Zuschauer haben.

LAOLA1: Welche Sportart ist die Nummer eins im Land?

Marth: Boxen und Kampfsport.

LAOLA1: Aus der Sicht des Trainers und Funktionärs: Ist der Ablauf in Kasachstan chaotisch oder mit Österreich vergleichbar?

Foto: © FC Kairat

Marth: Teilweise ist es harte Arbeit. Die Mentalität ist schon so, dass man sagt, es bemühen sich alle. Aber alles was für uns logisch ist, ist hier nicht logisch. Wir haben es die letzten 40 Jahre so gemacht, warum sollen wir jetzt etwas ändern – das ist die Grundeinstellung, die ab und zu schon ein wenig mühsam ist. Wir haben aber hier bei uns im Verein Gott sei Dank ein sehr lernwilliges Team.

LAOLA1: Euer Verein tickt also anders als der Rest des Landes?

Marth: Der Wille ist auf jeden Fall da. Am Anfang war es ein bisschen schwierig, aber mittlerweile geht es in die richtige Richtung.

LAOLA1: Wie lange läuft die Saison noch?

Marth: Wir spielen immer von März bis November, wir haben sozusagen eine Meisterschaft über das ganze Jahr. Wir sind derzeit Zweiter, sind zwei Punkte hinter dem Ersten. Insgesamt gibt es 33 Runden. Organisatorisch ist ein bisschen schwierig in der Liga, denn man weiß am Montag noch nicht, wann und wo du am Wochenende genau spielst. Der Heimverein muss fünf Tage vorher bekanntgeben, wann und wo du spielst. Es kann sein, dass du am Montag erfährst, dass du ganz woanders spielst, weil der Gegner das Stadion nicht kommissionieren konnte oder weil es gefroren ist. Du musst sehr flexibel sein.

LAOLA1: Von welchen Entfernungen sprechen wir hier?

Marth: Wir haben das Glück, dass wir zu unseren Auswärtsspielen fliegen. Es gibt aber auch Vereine, die fahren mit dem Zug. Die fahren dann teilweise 30 Stunden mit dem Zug zu einem Auswärtsspiel. Unser weitestes Auswärtsspiel war 3:20 Stunden mit dem Flugzeug, plus eine Stunde Zeitunterschied.

LAOLA1: Wie geht man als Trainer damit um? Muss man die Vorbereitung darauf anpassen?

Marth: Ich habe das Glück, dass ich gerne fliege. Ich bin eigentlich lieber bei Auswärts- als bei Heimspielen, das war schon immer so. Das hat mir in Salzburg auch immer sehr gefallen, dass wir öfters auf Turniere gefahren sind. Das spielt mir sehr gut in die Karten. Es ist eine Herausforderung, an der du wachsen kannst, weil du eine komplett andere Trainingsplanung machen musst. Man muss Rücksicht auf den Reisstress nehmen, dass der Spieler den ganzen Tag gesessen ist und das musst du dann einplanen und berücksichtigen. Du musst auch mit ganz viel Vertrauen arbeiten, weil du das ehrliche Feedback von ihnen brauchst. Denn wenn der 12 Stunden fliegt, kann er super gut drauf sein, aber auch nicht gut drauf sein. Auf das musst du im Training dann auch achten.

LAOLA1: Du bist erst 27 Jahre jung – was sind noch Ziele deiner Trainer-Karriere?

Marth: Wie ich schon eingangs gesagt habe, sind die Ziele natürlich hoch. Ich bin deswegen ja auch aus der Red Bull Fußball Akademie weggegangen. Ich habe mich extrem wohlgefühlt in Salzburg, habe extrem viel Vertrauen in jungen Jahren bekommen. Ich bin mit 22 Jahren als hauptberuflicher Tormann-Trainer hingekommen und bin dann innerhalb von drei Jahren Torwart-Koordinator geworden. Das war eine super Vertrauensbasis, war echt cool, auch mit den Leuten dort zu arbeiten, allen voran unserer Torwartabteilung rund um Herbert Ilsanker, Heinz Arzberger, Eddie Gustafsson und Sebastian Baumgartner. Aber es war im Winter so ein Punkt, wo sich die Möglichkeit ergeben hat und ich mich gefragt habe, ob ich längerfristig in Salzburg bleiben will und dann in Kauf nehme, dass ich möglicherweise keine Profis trainiere. Oder wage ich den Schritt, auch wenn er in die Hose geht. Was gibt es denn Schöneres als mit 26 Jahren Profis zu trainieren, die regelmäßig international spielen?! Da habe ich gesagt, für die Zukunft, ist das ein sehr guter vor allem aber auch wichtiger Schritt für mich. Ich möchte auch irgendwann einmal in Amerika und den Top-5-Ligen Trainer sein, aber mein absolutes Ziel ist England. Dafür glaube ich, war es eine gute Vorbereitung, bereits mit 26 Jahren Profis zu übernehmen. Vor allem sagt man immer, wenn man Großes erreichen will, muss man aus der Komfortzone ausbrechen. Das war der Hauptgedanke hinter meiner Entscheidung.

LAOLA1: Wie ist es überhaupt dazugekommen, dass du so jung Tormann-Trainer wurdest?

Marth: Ich wollte immer Profi-Fußballer werden und habe auch in der Austria-Akademie gespielt. Dort schaffte ich den Sprung von der U19 zu den Amateueren nicht. Ich kann mich noch an mein Halbjahres-Gespräch in der U19 mit Herbert Gager und Ralf Muhr erinnern. Sie haben mich eigentlich schon damals auf die Idee gebracht, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich habe dann nebenbei, als ich in der Regionalliga bei Ritzing gespielt habe, angefangen Kinder zu trainieren. Das hat mir so sehr gefallen, dass das selber spielen immer weniger, und das Trainer sein immer mehr wurde. Dann habe ich das Glück gehabt, dass mich Walter Franta zur Admira geholt hat, wo ich immer wieder ausgeholfen habe. Verantwortliche der Red Bull Akademie haben mich dort gesehen und mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Dann habe ich das irrsinnige Glück gehabt, mit Stefan Loch, der jetzt Tormanntrainer bei Sturm Graz ist, ein Jahr zu arbeiten. Er hat mich ein Jahr lang intensiv begleitet und alles beigebracht, was ich über die Arbeit eines Torwarttrainers wissen musste. Durch einen Zufall bei der Admira bin ich sozusagen dann in die Akademie in Salzburg gekommen.

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