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Napolis Traum, den keiner zu träumen wagt

Er ist wieder da, der Traum, den keiner mehr zu träumen wagt.

Napolis Traum, den keiner zu träumen wagt Foto: © getty

Es ist ein Traum, den keiner in Neapel mehr so richtig zu träumen wagt. Doch er ist wieder da. Schön und vertraut. Doch wer ihn träumt, fühlt gleichzeitig Unbehagen. Zu oft schon war das Erwachen bitter, ist die Seifenblase dann doch geplatzt.

Seit 1990 träumen sie, die Neapolitaner, immer wieder davon. Der Scudetto. Zwei Mal hat Diego Maradona ihnen dieses unbeschreibliche Gefühl geschenkt, dem reichen Norden allen Unkenrufen zum Trotz die lange Nase zeigen zu dürfen, Meister zu werden, die Juves, Inters und Milans hinter sich zu lassen.

Das ist lange her. Maradona ist dick geworden, krank geworden, dünner geworden, durfte Messi trainieren, ist in der Versenkung verschwunden, zwischendurch wieder aufgetaucht,… Und sie warten immer noch, dass ihr Klub den Beweis antritt, es ohne den vielleicht besten Fußballer aller Zeiten schaffen zu können.

VIDEO: Die Highlights von Napolis Sieg gegen Cagliari

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)


Jetzt wird wieder geträumt. Sieben Spiele, sieben Siege. Während andere italienische Klubs, allen voran jene aus Mailand, in der Transferzeit mit Geld um sich geworfen haben, hat in Neapel vornehme Zurückhaltung geherrscht. Nikola Maksimovic, Marko Rog, Adam Ounas und Roberto Inglese wurden gekauft – keine klingenden Namen, keine großen Summen, insgesamt etwas mehr als 50 Millionen Euro, im internationalen Vergleich eine nahezu läppische Summe.

Kontinuität ist im Fußball ein viel strapaziertes, aber umso seltener in die Tat umgesetztes Wort. In Neapel wird es derzeit aber tatsächlich gelebt. Trainer Maurizio Sarri ist in seiner dritten Saison im Amt. Für italienische Verhältnisse ist das richtig lange.

Der knorrige Kauz im Trainingsanzug

Und irgendwie scheint der nach außen hin knorrige Kauz perfekt zu den Süditalienern zu passen. Er steht am liebsten im Trainingsanzug an der Seitenlinie, gerne auch mit einer Kappe. Andere Kollegen tragen lieber Schuhe, für die der Durchschnittsitaliener ein Monatsgehalt ausgeben müsste, maßgeschneiderte Anzüge, Seidenschals. Doch Neapel hat nicht den Chic Mailands, hier im Süden ist man bodenständig, das dolce Vita leben sie im Norden.

Sarri ist aber keineswegs von gestern. Obwohl der Mann, in Neapel geboren und aufgewachsen, schon 58 Jahre alt und vergleichsweise neu im Profitrainer-Geschäft ist, zählt er von seinen Ansätzen her zur neuen Trainer-Generation am Stiefel. Die alte Defensiv-Leier kann er nicht mehr hören, Sarri predigt den offensiven Stil.

Und er eckt gerne mal an. Gegen Ende der vergangenen Saison waren die atmosphärischen Störungen zwischen dem Trainer und dem exzentrischen Klub-Eigentümer Aurelio De Laurentiis derart schlimm, dass im Sommer mit einer Trennung zu rechnen war. Doch die beiden Männer haben sich zusammengerauft, sind aktuell wieder ein Herz und eine Seele.

„Ich habe mich verliebt und bin es jetzt sogar noch mehr. Er hat eine großartige Gabe. Er ist kein Mühsal, er ist ein geistreicher, facettenreicher und gut aufgesteller Man. Ich hoffe, er bleibt noch mindestens zehn Jahre hier“, sagt der Vereins-Boss.

Maurizio Sarri, Offensiv-Stratege
Foto: © getty

Wenn Sarri die Meisterschaft gewinnt, wird er ein Held. Ja, die Meisterschaft, sie sprechen wieder mal darüber. Kein Wunder, hält der Klub doch nach sieben Runden beim Punktemaximum. „Hat unser Start Juventus nervös gemacht? Mehr als nervös, ich wäre beunruhigt“, sagt De Laurentiis.

"Nicht die Brust rausstrecken und Arien singen"

Doch die Bäume sollen nicht in den Himmel wachsen. Das haben sie in den vergangenen Jahren in Neapel gelernt. Deswegen wird auch sofort relativiert: „Was zählt, ist Ende März. Wir können nicht jetzt schon unsere Brust rausstrecken und Arien singen. Wir werden weiter demütig arbeiten, wie es Neapolitaner eben tun“, so der Präsident.

Und auch Sarri bleibt bodenständig, ganz Neapolitaner eben: „Beruhigt euch. Das aktuelle Juve ist das beste der letzten sieben, acht Jahre. Für mich bleiben sie Favorit und es wäre anmaßend, uns mit ihnen zu vergleichen. Sie sind derzeit auf einem anderen Level.“

Juve-Coach Massimiliano Allegri streut der Konkurrenz allerdings ebenfalls Rosen: „Napoli ist gewachsen, sie haben jetzt im dritten Jahr dasselbe Team.“ Doch auch er streicht heraus: „Die Saison wird – wie immer – im März entschieden.“

Geträumt, das wissen sie auch in Neapel, haben in den vergangenen Jahren immer wieder Teams, nicht nur sie selbst. 2015/16 startete die Fiorentina mit 18 Punkten aus sieben Spielen, Juve dümpelte mit nur acht Zählern irgendwo im Mittelfeld herum. Am Ende holte aber wieder die „alte Dame“ den Titel, locker, mit neun Punkten Vorsprung.

Und Maradona? Der hat über seinen Manager schon ausrichten lassen, dass er nach Neapel kommen würde, um den Titel zu feiern. Der Traum, er lebt. Wieder mal.

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