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Emanuel Aiwu: "Kannte ich nur von der Playstation"

Erste Schritte in der Serie A, pedantische Taktik-Schulung. Emanuel Aiwu im LAOLA1-Talk:

Emanuel Aiwu: Foto: © GEPA

Anfang August ließ Emanuel Aiwu die Bundesliga hinter sich, um in der Serie A bei Cremonese anzuheuern.

Der 21-Jährige erarbeitete sich schnell einen Stammplatz rechts in der Dreierkette des Aufsteigers.

Dass in Itaien etwas intensiver als andernorts an der Taktik gefeilt wird, ist dem Ex-Rapidler schnell aufgefallen.

"Seit ich hier bin, hatten wir bis auf drei, vier Tage an jedem Tag eine Video-Session, die zwischen 30 und 50 Minuten lang dauert", berichtet Aiwu im LAOLA1-Interview.

Zudem erzählt er vom Einleben in der neuen Heimat, Stadien, die man nur von der Playstation kennt und den Ambitionen seines Arbeitgebers. Bezüglich Rapid glaubt er, dass die Hütteldorfer ihre Krise bald bewältigen werden.

"Das sind die Spiele, von denen ich immer geträumt habe. Diese Stadien habe ich davor nur auf der Playstation gesehen."

Emanuel Aiwu

LAOLA1: Wie zufrieden bist du mit den ersten Wochen bei Cremonese, wie groß ist der Sprung in die Serie A?

Emanuel Aiwu: Es war eine große Umstellung. Die Serie A gehört zu den Top-5-Ligen der Welt, meiner Meinung nach ist es die zweitstärkste. Die Intensität und die Qualität der einzelnen Spieler sind schon höher. Aber Mannschaft und Trainerteam haben es mir sehr leicht gemacht, dass ich mich schnell wohl gefühlt habe. Alle sind sehr offen und sympathisch. Wir haben in den letzten Spielen gute Leistungen gezeigt. Jetzt heißt es, dran zu bleiben und auch Punkte zu sammeln.

LAOLA1: Wie darf man es sich vorstellen, plötzlich in Mailand im Meazza-Stadion oder im Olympia-Stadion in Rom zu spielen? Muss man sich kneifen, wenn man plötzlich auf diesen Bühnen steht?

Aiwu: Ich muss ehrlich sagen, es ist etwas anderes. Das sind die Spiele, von denen ich immer geträumt habe. Diese Stadien habe ich davor nur auf der Playstation gesehen. Dass ich mich nun selbst auf einer so großen Bühne präsentieren darf, ist schon etwas sehr Besonderes. Genau dafür spielt man Fußball.

Aiwu im Duell mit Edin Dzeko
Foto: © gettygetty

LAOLA1: Auf diesem Level spielt man gegen diverse große Namen im Fußball, wie zuletzt etwa gegen Edin Dzeko. Geht es hier um die richtige Mischung, zwar Respekt zu haben, sich diesen aber nicht anmerken zu lassen?

Aiwu: Vor dem Match denkt man sich: Das sind schon großartige Spieler, die ich mir früher als kleiner Junge im Fernsehen angeschaut habe. Aber sobald die Partie angepfiffen wird, legt sich das bei mir eigentlich. Dann habe ich vollen Fokus auf das Spiel und es ist egal, welcher Gegenspieler neben mir steht. Ich gebe immer Vollgas und versuche der Mannschaft mit meiner Leistung zu helfen.

LAOLA1: Apropos gegnerischer Stürmer. Am vergangenen Wochenende kam es beim Duell mit Atalanta zum Wiedersehen mit Rasmus Höjlund, den du ja aus der Bundesliga bestens kennst.

Aiwu: Er ist in der letzten halben Stunde reingekommen. In der Bundesliga hat er uns leider zwei Tore gemacht. Diesmal haben wir ihn gut in Schach gehalten und den Punkt mitnehmen können.

LAOLA1: Nach ein paar Tagen bei Cremonese hast du erwähnt, dass großer Wert auf Taktik-Schulung gelegt wird. Wie läuft das ab, welche Inputs bekommt man?

Aiwu: In Österreich hatten wir klarerweise auch ganz normal Taktik-Schulung. Aber hier ist es noch mal öfter und intensiver. Seit ich hier bin, hatten wir bis auf drei, vier Tage an jedem Tag eine Video-Session, die zwischen 30 und 50 Minuten lang dauert. Es wird einfach extrem viel Wert darauf gelegt, dass jeder Spieler genau weiß, was er im Match zu tun hat. Unser Trainer arbeitet sehr akribisch und intensiv daran. Das ist auch nötig, um in einer so harten Liga bestehen zu können.

"Als Verteidiger habe ich oft Einzel-Video-Studium, in dem zum Beispiel meine Körperhaltung beurteilt wird. Auch beim Abstand zu meinen Innenverteidiger-Partnern sollte wirklich jeder Zentimeter passen."

Emanuel Aiwu

LAOLA1: Italien-Legionäre berichten immer wieder davon, dass Taktik in der Serie A noch mal etwas anderes ist. Wie pedantisch geht es zu?

Aiwu: Als Verteidiger habe ich oft Einzel-Video-Studium, in dem zum Beispiel meine Körperhaltung beurteilt wird. Auch der Abstand zu meinen Innenverteidiger-Partnern wird beurteilt. Daran wird sehr detailliert gearbeitet. Beim Abstand sollte wirklich jeder Zentimeter passen.

LAOLA1: Die Kunst des Verteidigens wird in Italien wertgeschätzt. Spürst du das auch so?

Aiwu: Das merkt man schon, ja. Unser Trainer legt sehr viel Wert auf die Defensive, dass wir hinten kompakt stehen, weil er der Meinung ist, dass das die Basis für den Erfolg ist. Es wird jedoch nicht nur in der Defensive akribisch gearbeitet, sondern auch in der Offensive.

LAOLA1: Was für ein Typ ist Trainer Massimiliano Alvini?

Aiwu: Er ist positiv verrückt! Er liebt und lebt Fußball. Das merkt man auch daran, wie er immer mitgeht und uns pusht. Er achtet sowohl in jeder Trainingseinheit als auch in jedem Spiel auf jedes Detail. Ich genieße die Zusammenarbeit mit ihm sehr. Ich konnte bereits einiges mitnehmen und hoffe auf eine weitere erfolgreiche Zeit mit ihm.

LAOLA1: Cremonese ist nach 26 Jahren zurück in der Serie A. Was sind die Ambitionen des Vereins, wo soll es perspektivisch hingehen?

Aiwu: Das Minimalziel ist der Klassenerhalt, wir wollen auf jeden Fall in der Liga bleiben. Das ist auch möglich, weil wir sehr hart arbeiten. Der ganze Verein glaubt an uns, in der Mannschaft haben wir einen positiven Spirit. Alles, was darüber hinaus kommen würde, nehmen wir natürlich gerne mit.

Cremonese eroberte einen Punkt bei Atalanta
Foto: © getty

LAOLA1: Die Auslosung zu Beginn war denkbar hart. Wie schwer oder leicht war es nach den vier Niederlagen zum Start, den Kopf oben zu behalten und zuletzt mit den beiden Remis gegen gute Gegner erstmals anzuschreiben?

Aiwu: Die Auslosung war am Anfang tatsächlich sehr schwer. An den ersten vier Spieltagen hatten wir gleich die Top-Teams Fiorentina, AS Roma und Inter auswärts. Wir haben teilweise knapp verloren, aber in jedem Spiel sehr gut mitgespielt. Mit ein bisschen Glück hätten wir meiner Meinung nach in jeder Partie mindestens einen Punkt mitnehmen können. Trainer und Mannschaft sind die ganze Zeit positiv geblieben. Denn jeder weiß, was in der Mannschaft steckt. Deswegen war es auch gar nicht schwer, den Kopf oben zu behalten. Der Trainer hat uns auch angekündigt, dass wir bald belohnt werden. Wir haben ein gutes Team und müssen einfach nur weitermachen.

LAOLA1: Wie gestaltet sich das Lebens abseits des Platzes?

Aiwu: Das Leben hier in Cremona ist sehr ruhig, es ist eine kleine Stadt. Aber ich fühle mich bereits wohl. Das Trainingszentrum ist nicht weit von meiner Wohnung entfernt, generell ist alles sehr nahe. Es ist ein Top-Umfeld, um mich fußballerisch und menschlich weiterzuentwickeln. Die Sprache ist natürlich eine Umstellung, aber es steht bei mir ganz oben, sie so schnell wie möglich zu lernen.

LAOLA1: Wie sehr hilft der Verein bei der Integration?

Aiwu: Die Unterstützung des Vereins ist sehr gut. Vor allem den Spielern, die nicht aus Italien kommen, wird in allen Belangen geholfen – sei es mit der Wohnung, beim Auto oder Dingen wie dem WLAN. Alle sind sehr hilfsbereit. Daher ist es mir auch leicht gefallen, mich schnell einzuleben.

LAOLA1: Du hast vorher gemeint, dass du die Serie A als zweitstärkste Liga einordnest. Was spricht im Vergleich für sie?

Aiwu: Meiner Meinung nach die Masse an Top-Klubs. Du hast acht oder neun wirklich sehr, sehr starke Gegner, Mannschaften wie Juventus, Inter, Milan, Napoli, Roma oder Lazio – die Liste ginge noch weiter. Deswegen ordne ich die Serie A sehr hoch ein. Für mich persönlich ist jedes Spiel ein Highlight. Ich bin froh, dass ich auf dieser Bühne angelangt bin. Ich darf mich jedoch nicht darauf ausruhen.

LAOLA1: Deine Traum-Liga war immer die Premier League. Soll die Serie A als Sprungbrett dahin dienen?

Aiwu: Klar ist die Premier League für mich eine sehr starke Liga, aber damit beschäftige ich mich aktuell gar nicht. Ich versuche im Hier und Jetzt zu leben, tagtäglich meine Leistung zu bringen. Was in Zukunft passiert, wird man dann eh sehen.

LAOLA1: Auffällig ist, dass der Österreicher-Anteil in der Serie A gestiegen ist. Marko Arnautovic, Stefan Posch, Valentino Lazaro oder Flavius Daniliuc – gibt es ein Österreicher-Duell, auf das du dich besonders freust?

Aiwu: Ich freue mich generell, wenn ich auf andere Österreicher treffe. Mit Flavius habe ich gemeinsam im U21-Nationalteam gespielt. Die andere kenne ich persönlich noch nicht so gut. Aber ich freue mich auf die Duelle, am Platz werde ich ihnen nichts schenken.

LAOLA1: Kennenlernen könntet ihr euch auch im Nationalteam. Im aktuellen Kader stehst du auf Abruf. Wie nah oder fern fühlst du dich dem ÖFB-Team?

Aiwu: Es ist natürlich ein Ziel von mir, den Sprung ins Nationalteam zu schaffen. Aber auch hier versuche ich mich, auf das aktuelle Geschehen zu konzentrieren – also darauf, was ich selbst beeinflussen kann, sprich meine Leistungen, fit zu bleiben, meine Weiterentwicklung. Dann hoffe ich natürlich schon, dass es irgendwann zu einer Einberufung reicht.

"Ich bin der festen Überzeugung, dass Rapid diese Krise bewältigen wird. Denn ich war ja selber in dieser Mannschaft und weiß daher, dass sie gute Qualität hat."

Emanuel Aiwu

LAOLA1: Als Serie-A-Legionär steht man im Hinblick auf das Nationalteam sicherlich im Rampenlicht. War auch das ein Motiv, die Bundesliga eher früher als später zu verlassen?

Aiwu: Es ging eigentlich nicht darum, die österreichische Liga so schnell wie möglich zu verlassen. Ich habe der Bundesliga viel zu verdanken. Ich habe dort bei der Admira meine ersten Schritte im Profi-Bereich gemacht, dann meine nächsten Schritte bei Rapid. Diese Zeit war für mich sehr wichtig, also schaue ich auch sehr gerne darauf zurück. Ich habe einfach den Reiz verspürt, etwas Neues zu probieren und ins Ausland zu gehen. Cremonese hat sich intensiv um mich bemüht. Schlussendlich habe ich mich entschieden, diesen Schritt zu wagen.

LAOLA1: Für dich war Rapid ein gutes Sprungbrett. Hast du quasi zur rechten Zeit den Absprung aus Hütteldorf geschafft? Denn seit einigen Wochen geht es ziemlich rund.

Aiwu: Nein, das sehe ich nicht so. Ich habe mich einfach bereit für den nächsten Schritt gefühlt und die Möglichkeit dazu hat sich ergeben. Ich hatte nicht irgendwie den Hintergedanken, dass auf Rapid eine schwierige Zeit zukommen könnte. Ich habe mich bei Rapid sehr wohl gefühlt und bin dem Verein auch sehr dankbar.

LAOLA1: Wie bewertest du, was derzeit bei Rapid abgeht? Selbst die Vereins-Bosse haben von negativer Stimmung im Klub gesprochen. Hast du das auch schon so wahrgenommen oder kam dies erst durch die jüngsten Ereignisse beginnend mit dem Ausscheiden gegen Vaduz?

Aiwu: Mit dem Ausscheiden im Europacup und den letzten Ergebnissen ist es natürlich unglücklich gelaufen. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass Rapid diese Krise bewältigen wird. Denn ich war ja selber in dieser Mannschaft und weiß daher, dass sie gute Qualität hat. Es gilt einfach, das Potenzial auf den Platz zu bringen. Dann bin ich guter Dinge, dass es für Rapid wieder in eine positive Richtung gehen wird.

LAOLA1: Spulen wir zum Abschluss vor zum Sommer 2023. Was muss in dieser Saison eintreten, damit du zufrieden auf Urlaub gehst?

Aiwu: Ich möchte meine Spiele machen und mich fußballerisch weiterentwickeln. Ich möchte mit Cremonese die Ziele erreichen, sprich den Klassenerhalt. Ich möchte mich auf höchstem Niveau messen und reifen. Gelingt das, könnte ich auf eine gute Saison zurückblicken.

VIDEO - Cremonese nach 26 Jahren wieder in der Serie A, Szenen gegen Inter aus 1996:

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