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Josip Ilicic: Der beste Spieler der Serie A

Der Slowene ist "eine Ballerina mit der Statur eines Boxers".

Josip Ilicic: Der beste Spieler der Serie A Foto: © getty

Es war das letzte ganz große Highlight im europäischen Spitzenfußball vor der Corona-Pause. Mit vier Toren schoss Josip Ilicic Atalanta zu einem 4:3-Auswärtssieg bei Valencia und damit ins Viertelfinale der UEFA Champions League.

Der 32-jährige Slowene ist damit der älteste der 14 „Viererpacker“ in der Geschichte der Königsklasse. Es ist der bisherige Höhepunkt einer unglaublichen Saison des Offensivspielers. Und die derzeit unterbrochene Saison ist der bisherige Höhepunkte einer unglaublichen Karriere.

Es war der Sommer 2010, in dem die Laufbahn des inzwischen 60-fachen Teamspielers an der Kippe stand. Ilicic war bereits 22 Jahre alt und mit dem NK Interblock soeben aus der ersten slowenischen Liga abgestiegen.

Futsal oder gar kein Fußball

Zwar hatte der Offensivspieler gemeinsam mit dem erst 19-jährigen Robert Beric zu den besten Spielern einer schwachen Saison gezählt, dennoch wurde der zum Sündenbock und prompt in die Reserve versetzt.

Ilicic hatte vom Fußball genug, nachdem sein Manager erfolglos versucht hatte, ihn irgendwo in Osteuropa unterzubringen. Entweder Futsal oder einfach ein Leben ohne das runde Leder – so die Gedanken des Enttäuschten. Doch dann kam unverhofft doch noch ein Anruf von Zlatko Zahovic. Der Sportdirektor von Vizemeister NK Maribor unterbreitete Ilicic ein Angebot, dieser überlegte nicht lange und unterschrieb.

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Läppische 80.000 Euro überwies Maribor für den Youngster, der den Klub acht Wochen später schon wieder verlassen sollte. Fünf Meisterschafts- und sechs Europacup-Partien benötigte der Neuzugang, um sich US Palermo zu empfehlen. Bei den beiden Europacup-Quali-Duellen mit den Sizilianern beeindruckte der junge Slowene den Serie-A-Klub derart, dass dieser wenige Tage später 2,3 Millionen Euro an Maribor überwies.

Ein halbes Jahr nachdem er unmittelbar vor dem Karriereende gestanden hatte, war Ilicic im Winter 2010/11 plötzlich Serie-A-Legionär mit sieben Toren im ersten Halbjahr, Teamspieler und Zweiter bei der Wahl zu Sloweniens Fußballer des Jahres. Unfassbare Wochen.

Drei Jahre lang hielt der Slowene, der als Einjähriger noch vor dem Ausbruch des Jugoslawien-Kriegs und nach dem Tod seines Vaters mit seinem Bruder und seiner Mutter von Bosnien-Herzegowina nach Slowenien geflohen war, Palermo die Treue. Im Sommer 2013 schlug die Fiorentina zu, bezahlte neun Millionen Euro Ablöse.

Geniale Momente, aber keine Konstanz

Doch in Florenz setzte sich fort, was auf Sizilien schon zu sehen war – der Linksfuß fügte seinen Highlight-Videos zwar unglaubliche Tore hinzu, doch nur allzu oft tauchte er unter oder traf die falschen Entscheidungen auf dem Platz.

Vincenzo Montella setzte immer seltener auf ihn, unter Paulo Sousa lief es ein wenig besser, aber auch nicht gerade gut. Nach vier Saisonen bei der „Viola“ zog Ilicic weiter ohne einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben.

Weil dem Kicker aber immer noch der Ruf anhaftete, an guten Tagen zu den besseren Kickern der Serie A zu gehören, gab ihm Gian Piero Gasperini eine Chance bei Atalanta. Er sollte es nie bereuen.

"Ich dachte vor dem Einschlafen: Was, wenn ich morgen nicht mehr da bin? Was, wenn ich meine Familie nicht mehr sehe?"

Dabei hatte Ilicic nach seiner ersten Saison in Bergamo alles im Kopf, nur nicht den Fußball. Infolge einer bakteriellen Infektion kam es im Sommer 2018 zu einer Lymphknotenentzündung im Nacken des Kickers.

Im Krankenhaus bangte der Slowene um sein Leben: „Andere Menschen sind deswegen ins Koma gefallen. Ich dachte vor dem Einschlafen: Was, wenn ich morgen nicht mehr da bin? Was, wenn ich meine Familie nicht mehr sehe?“

Gedanken an Astoris Tod

Die Gedanken des Vaters zweier Töchter gehörten seiner Familie. Wenn er an den Fußball dachte, dann nur an Davide Astori. Der Fiorentina-Kapitän war wenige Wochen davor völlig überraschend an einem Herzstillstand verstorben.

„Was ihm passiert ist, spukte tagelang in meinem Kopf herum. Ich konnte kaum schlafen, weil ich daran dachte, dass mit das auch passieren könnte. Ich hatte Angst“, berichtete er dem „Corriere dello Sport“ Monate später.

Ilicic erholte sich aber und sieht das Leben fortan ein wenig anders: „Ich rege mich nicht mehr so schnell über Dinge auf. Ich bin froh, da und gesund zu sein.“

Unglaubliche zwei Jahre

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Da scheint sein Spitzname fast schon absurd. „Oma“ tauften ihn seine Mitspieler während seiner ersten Saison bei Atalanta. „Er wirkt immer geschlaucht, wenn er ins Training kommt. Wenn man ihn dann fragt, wie es ihm geht, antwortet er immer mit 'schlecht, schlecht' und schaut griesgrämig drein“, berichtete Coach Gasperini einst über den stets „müden“ Ilicic.

Doch wenn der Angreifer auf dem Rasen steht, wirkt er alles andere als müde. „Eine Ballerina mit der Statur eines Boxers“, schrieb die „Gazzetta dello Sport“ erst unlängst über ihn. Überhaupt kommen sie am Stiefel seit Monaten aus dem Staunen nicht mehr heraus.

In der Vorsaison war Ilicic mit zwölf Toren und sieben Assists in der Serie A schon bärenstark. Niemand glaubte, dass der Routinier da noch einmal nachlegen konnte. Tat er aber. 21 Tore und neun Assists in 29 Pflichtspielen stehen zu Buche.

Nicht wenige Experten sehen im 32-Jährigen den aktuell besten Spieler der Serie A. Seine Statistiken sprechen dafür.

"Es ist die beste Saison meiner Karriere. Je älter ich werde, desto besser werde ich“, strahlte Ilicic nach seinem Viererpack in Valencia.

Ein paar Jahre hat er ja noch…

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