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Stefan Schoberer: Der junge ÖFB-Coach in Dresden

Stefan Schoberer verrät, was man von Breitenau, Leeds und Sturm lernen kann.

Stefan Schoberer: Der junge ÖFB-Coach in Dresden

Manchmal hilft es, wenn man sich etwas traut.

Man frage nach bei Stefan Schoberer.

Alles begann mit einer Initiativbewerbung samt Konzept beim SK Sturm Graz, nachdem Günter Kreissl auf einer Pressekonferenz gemeint hatte, dass man den Bereich der Videoanalyse professionalisieren wolle.

Nach gut einem Jahr bei den "Blackies" folgte im vergangenen Sommer der Schritt zu Dynamo Dresden. Beim deutschen Zweitligisten fungiert der Steirer als Videoanalyst und Co-Trainer der U19.

Dass schon diverse große Trainer-Karrieren früh und im Nachwuchs begonnen haben, bekommt Schoberer oft zu hören. Unter Druck setzen lässt er sich bei allem Ehrgeiz nicht: "Ich möchte der Beste werden, der ich sein kann, mehr ist ja ohnehin nicht möglich."

Ein LAOLA1-Interview über den frühen Trainer-Schritt ins Ausland, Fußball durch die Analytiker-Brille, Fachsimpeln mit Heiko Vogel und die Positions-Rotationen im Offensivspiel von Leeds United.

LAOLA1: Wie angelt man sich mit 22 Jahren einen Job bei einem deutschen Zweitligisten?

Stefan Schoberer: Im Fußball wird viel von Systemen und Taktik gesprochen, am Ende geht es aber meist um Grundtugenden wie Fleiß, Mut, Wille und Leidenschaft. Ich bin der Meinung, dass diese Tugenden nicht nur für die Spieler am Feld gelten, sondern auch für alle Personen rund um den Fußball. Und genau diese Tugenden bringen mich letztendlich auch dahin, wo ich jetzt bin.

LAOLA1: Was sind deine Aufgaben bei Dynamo Dresden?

Schoberer: Ich bin vorrangig für die Video- und Spielanalyse des gesamten Nachwuchsleistungszentrums (U11 bis U19) zuständig. Dadurch, dass ich viele Spiele und damit einhergehend eben auch einzelne Spieler sehe, gibt es für mich noch die Schnittstelle ins Scouting, in das ich ebenfalls eingebrunden bin. Durch die Trainerrochade bei den Profis am Ende der Hinrunde hat sich auch bei der U19 etwas geändert, wodurch ich hier zusätzlich die Stelle des Co-Trainers bekleide. Alles in allem geht es also in viele Richtungen, am Ende finde ich mich allerdings oftmals in der Analyse wieder. Hier geht es bei uns, wie eigentlich bei allen Klubs, erst mal um Spielvorbereitung und -nachbereitung, also die Analyse des kommenden Gegners und wie die eigene Leistung im vergangenen Spiel war. Im Nachwuchsbereich geht es neben diesen beiden Aspekten vor allem auch um individuelle Weiterentwicklung, die wir auch mit Videoanalysen weiter fördern wollen.

LAOLA1: Video- und Spielanalyst - viele können damit möglicherweise nicht so viel anfangen: Kannst du eine durchschnittliche Arbeitswoche mit dieser Aufgabe schildern?

Schoberer: Man muss zwischen eigener Spielnachbereitung vom vergangenen Wochenende, Spielvorbereitung - also Gegnervorbereitung, und individueller Analyse unterscheiden. Nach einem Spiel geht es darum, den vorgegebenen Matchplan zu überprüfen und allgemeine Abläufe zu erkennen. Hier geht es gar nicht immer um strenge Kontrolle, sondern darum zu verstehen, wie Spieler auf gewisse Dinge reagiert haben. Diese Erkenntnisse kann man dann sowohl für Einzelanalysen, als auch für den Austausch mit dem gesamten Team oder ausgewählten Kleingruppen nutzen.

"Ich sehe mir da allerdings nicht ausschließlich die Topteams an. Auch die Positions-Rotationen im Offensivspiel von Leeds United, die hinterlaufenden Halbverteidiger der Dreierkette von Sheffield United oder letztendlich das Gegenpressing vom LASK sind sehr interessant zu verfolgen."

LAOLA1: Und die Gegneranalyse?

Schoberer: Eine Gegneranalyse vergleiche ich gerne mit einem Verfahren eines Trichters: Man sammelt erstmal eine Menge an Informationen. In weiterer Folge kategorisiert man die unterschiedlichen Spielphasen, diese werden nochmal in einzelne Elemente gegliedert. Erkennt man in diesen Elementen klare Muster, geht es nochmals um letzte Details, welche in Abhängigkeit der eigenen Spielauslegung heruntergebrochen werden. Das ist es dann auch, was letzten Endes aus der Fülle an Informationen aus dem Trichter raus kommt und somit an den Spieler beziehungsweise die Mannschaft transportiert wird, womit sie eine klare Botschaft mit auf den Weg bekommen soll.

LAOLA1: Bleibt die individuelle Analyse – wie intensiv beziehungswiese häufig findet diese statt?

Schoberer: In der individuellen Analyse versuchen wir in sechswöchigen Zyklen mit Spielern Schwerpunktthemen herauszuarbeiten, welche vom individuellen Spielerprofil abhängen. Anhand dieses Themas soll sich der Spieler dann kontinuierlich steigern, mit Hilfe einer speziellen Software wird seine Leistung dann Woche für Woche auch positionsspezifisch ausgewertet und besprochen. Nach einem Zyklus soll sich der Spieler angemessen mit dem entsprechenden Thema befasst haben, um weitere Entwicklungsschritte zu setzen. Auch hier machen wir den Spielern aber keinen Druck und geben ihnen genügend Raum zur eigenen Entfaltung.

LAOLA1: Wie sind die Berührungspunkte zu den Profis bei Dynamo Dresden?

Schoberer: Ich bin vor allem mit dem Analysten und einem der beiden Co-Trainer der Profimannschaft in ständigem Austausch. Mit dem Analysten geht es vorrangig um einheitliche Arbeitsweisen, einheitliche Datenerfassungen und natürlich auch Wissens- und Erfahrungsaustausch. Einer der beiden Co-Trainer (Anm.: Willi Weiße) ist mein direkter Nachbar, wir sprechen relativ häufig über Fußball und tauschen uns da auch über alle Facetten des Spiels aus. Allgemein ist der Austausch zwischen Nachwuchs- und Profibetrieb bei uns sehr gut, man stößt eigentlich bei allen Betroffenen auf offene Ohren, das ist nicht immer selbstverständlich. Außerdem bin ich ja vor allem auch bei den Heimspielen der Profis mit vor Ort und versuche, den Analysten bestmöglich in der Live-Analyse zu unterstützen.

LAOLA1:  Gibt es eine Spielphilosophie, die dir besonders zusagt, oder muss dir das als Analyst egal sein?

Schoberer (grinst): Das ist eine sehr interessante und gleichzeitig auch schwierige Frage. Ich glaube alle Personen, die sich nachhaltig mit dem Fußball und den verschiedenen Möglichkeiten des Spiels beschäftigen, haben auch eigene Ideen und Ansichten, wie man gewisse Dinge lösen beziehungsweise umsetzen könnte. Auch als Analyst ist es wichtig, eine hohe Ausprägung an eigenen Vorstellungen zu haben. Jedoch ist man als Analyst auch gewissermaßen Dienstleister. Wenn die Rollen innerhalb eines Trainerteams aber klar verteilt sind, kommt man wiederum in sehr guten Austausch und kann sich bestmöglich ergänzen. Der Leitgedanke sollte dabei ohnehin sein, der Mannschaft bestmöglichen Input zu geben und sie optimal weiterzuentwickeln - unabhängig davon welche Spielphilosophie verfolgt wird.

LAOLA1:  Welchen Teams schaust du international eigentlich besonders gerne zu?

Schoberer: Ich habe kein Team, von dem ich sage: Alles, was die machen, gefällt mir. Man sieht sich natürlich viel an und bildet sich eine Meinung über alles Erdenkliche - so entsteht dann eben auch eine Wunschvorstellung, wie man ein Team sehen möchte. Ich denke da zum Beispiel übergeordnet an das Pressing von Liverpool oder an das Umschaltspiel nach Ballgewinn von Ajax Amsterdam, aber auch an kleinere Details des Spiels wie beispielsweise das Einschieben der Außenverteidiger in den Sechser-Raum von Manchester City. Ich sehe mir da allerdings nicht ausschließlich die Topteams an. Auch die Positions-Rotationen im Offensivspiel von Leeds United, die hinterlaufenden Halbverteidiger der Dreierkette von Sheffield United oder letztendlich das Gegenpressing vom LASK sind sehr interessant zu verfolgen. Aber nicht nur auf Teamebene schaut man sich vieles an und bildet sich seine Meinung, sondern auch auf Spieler-Ebene. Ronaldos Bewegungen in der Box, die raumöffnenden Tiefenläufe von Haaland, die Spieleröffnung von Upamecano und vieles mehr. Das alles sind Dinge, auf die ich großen Wert lege und gerne verfolge. Man versucht sich ein breites Spektrum an Wissen und Ideen anzueignen, woraus man dann Dinge für sich selbst ableitet und herunterbricht.

LAOLA1: Kannst du dir Fußball überhaupt noch ohne Trainer- bzw. Analytiker-Brille anschauen?

Schoberer: Es kommt auf die Atmosphäre an, aber ich kann mir auch noch Spiele zum Spaß ansehen – ohne, dass ich mir großartig Gedanken darüber mache, was da gerade genau am Spielfeld passiert. Allerdings ist es schon so, dass ich mir - sofern mir etwas Interessantes auffällt – den Timecode notiere, am nächsten Tag nochmal rein schaue und mir die Situation raus schneide, wenn ich es für relevant halte.

LAOLA1: Wo soll dich dein Weg hinführen?

Schoberer: Ich bin zwar kein Philosoph, aber ein griechischer Dichter hat einmal gesagt: „Es braucht viel Zeit, einen kurzen Weg zu gehen.“ Ich wollte das in der Vergangenheit schon wiederholt nicht ganz wahrhaben und bin deshalb auch immer mal wieder auf die Nase gefallen. Ich habe gelernt, im Hier und Jetzt zu leben und zu arbeiten, manchmal muss man eben nach zwei Schritten vorwärts auch wieder einen zurück machen. Deshalb möchte ich auch nicht großartig darüber berichten, wo es mal hin gehen soll. Was ich jedoch weiß, ist, dass ich mich ständig weiterentwickeln und alles aufsaugen möchte, was ich kann. Ich möchte der Beste werden, der ich sein kann, mehr ist ja ohnehin nicht möglich (grinst).

LAOLA1: Es gibt zahlreiche Trainer - Julian Nagelsmann ist derzeit wohl das bekannteste Beispiel - die ihre Trainer-Karriere sehr früh begonnen haben. Wie groß ist deiner Meinung nach der Vorteil, die "Lehrjahre" bereits in deinem aktuellen Alter zu sammeln?

Schoberer: Ich bekomme des Öfteren von verschiedenen Personen zu hören, dass ich durch mein Alter einen Vorteil habe, der sich erst in vielen Jahren richtig auswirken wird. Aber nur weil ich mit 23 da bin, wo ich jetzt bin, heißt das nicht zwangsläufig, dass ich in den nächsten zehn Jahren um so viel weiter komme. Es gilt eben ständig, sich die Grundtugenden vor Augen zu halten und sich stets weiterentwickeln zu wollen. Ich sehe es aber allgemein auch so, dass man diese „Lehrjahre“ auch in einer Profikarriere haben kann, wenn man sich bewusst mit dem Fußball beschäftigt. Ich persönlich glaube, dass man durch beiden Varianten für sich gewisse Vor- und Nachteile raus ziehen kann, allerdings schreibt jeder seine eigene Geschichte und diese möchte ich auch für mich schreiben.

LAOLA1: Was gibt es zu deiner Spieler-Karriere zu sagen?

Schoberer: Leider war ich alles andere als talentiert, weshalb ich auch während meiner ganzen Spieler-Karriere sehr unterklassig bei meinem Heimatverein SV Breitenau gespielt habe. Obwohl es beileibe kein Profifußball ist, kann man auch hier die ein oder andere Erfahrung mitnehmen, die einem später mal hilft. Ich habe meine aktive Laufbahn mit 21 beendet, weil ich mich voll und ganz dem Trainergeschäft widmen wollte.

"Bei der Bestellung von Heiko Vogel als neuen Trainer von Sturm Graz hat Günter Kreissl in der Pressekonferenz davon gesprochen, den Bereich der Videoanalyse weiter zu professionalisieren. Daraufhin habe ich an Herrn Kreissl eine Initiativbewerbung mit einer kleinen Idee und meinem Konzept geschickt, ohne wirklich daran zu glauben, dass diese Mail wirklich Anklang findet."

LAOLA1: Dein erster Job im Profi-Bereich war jener als Video-Analyst bei Sturm Graz. Wie sind deine Erinnerungen daran?

Schoberer: Bei der Bestellung von Heiko Vogel als neuen Trainer von Sturm Graz hat Günter Kreissl in der Pressekonferenz davon gesprochen, den Bereich der Videoanalyse weiter zu professionalisieren. Daraufhin habe ich an Herrn Kreissl eine Initiativbewerbung mit einer kleinen Idee und meinem Konzept geschickt, ohne wirklich daran zu glauben, dass diese Mail wirklich Anklang findet. Ich bekam einige Wochen danach einen Anruf von Patrick Dippel (Anm.: damaliger Videoanalyst), daraufhin ging alles sehr schnell und ich war das erste Mal beim Cup-Halbfinale gegen Rapid Wien aktiv bei einem Pflichtspiel mit dabei. Die darauffolgende Zeit war sehr intensiv, ich hatte ja nur eine geringfügige Stelle, musste also noch einen 40-Stunden-Job bewältigen. Ich bin für diese Zeit sehr dankbar, konnte enorm viel lernen und auch für mich als Mensch einiges mitnehmen. Auch nach der Personalrochade im Trainerteam wurde ich von Andreas Schicker sehr herzlich übernommen. Ich glaube, wir hatten eine gelungene gemeinsame Zeit und haben uns am Ende auch in sehr gutem Einvernehmen voneinander getrennt, als ich den Wunsch äußerte, nach Dresden wechseln zu wollen.

LAOLA1:  Was zeichnet Schicker, neuer Geschäftsführer Sport des SK Sturm, in deinen Augen besonders aus? Hat er einen speziellen Blickwinkel auf den Fußball?

Schoberer: Ich glaube, er ist ein sehr sachlicher und geradliniger Typ, der sich gerne Meinungen anderer anhört und versucht, verschiede Blickwinkel auf einen Nenner zu bringen. Er weiß genau, was er will und worauf es ankommt, er scheut sich dabei aber auch nicht schwierige Entscheidungen zu treffen. Was ich aber vor allem an ihm schätze, ist seine Bodenständigkeit und seine Art und Weise, wie er Dinge vermittelt. Trotz seines – für diese Position - jungen Alters glaube ich, dass er optimal in das Stellenprofil und zum Klub passt. Dafür möchte ich ihm auch an dieser Stelle nochmals viel Erfolg wünschen.

LAOLA1: Heiko Vogel, Roman Mählich, Nestor El Maestro - bei Sturm warst du mit drei recht unterschiedlichen Trainern konfrontiert. Welche Inputs hast du von ihnen mitgenommen?

Schoberer: Ich hatte mit den Cheftrainern nie übermäßig viel Kontakt. Ein Cheftrainer hat in der modernen Fußballwelt so viele Aufgaben zu meistern, da war es nicht meine Intention, deren Zeit für Dinge zu beanspruchen, die in erster Instanz gar nicht an sie gerichtet sind. Meine Hauptaufgabe war es, allgemeine Reports zu erstellen und übergeordnete taktische Eindrücke vom kommenden Gegner zu sammeln, diese wurden dann vom Chefanalytiker gefiltert und an den Cheftrainer weitergegeben. Vor allem aber mit Heiko Vogel gab es dennoch häufiger mal ein Gespräch, mit ihm konnte man eine Weile damit verbringen, über kleinste Details des Spiels zu plaudern. Unter Roman Mählich wurde ich eher in anderen Bereichen des Vereins eingesetzt, wodurch der Austausch nicht mehr so rege war, was jedoch völlig okay und verständlich war. Herrn El Maestro konnte ich in der kurzen Zusammenarbeit leider nie richtig kennenlernen, ich habe den Verein dann wohl früher verlassen, als dass er richtig in Graz angekommen war. Ich finde aber all diese Trainertypen sehr spannend. Sieht man sich die Werdegänge an und was sie schon bei verschiedenen Klubs geleistet haben, spricht das auch für sich.

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