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Tuchel nach CL-Triumph: "Bringt mich zum Weinen"

Kindheitstraum, Stein im Schuh von City - Chelseas Helden feiern CL-Triumph!

Tuchel nach CL-Triumph: Foto: © getty

Der FC Chelsea hat es geschafft - zum zweiten Mal nach 2012 sind die "Blues" Champions-League-Sieger!

Im rein englischen Finale avancierte Kai Havertz mit seinem Goldtor beim 1:0-Final-Triumph zum Matchwinner (Spielbericht >>>) und entzückte die zahlreich von der Insel mitgereisten Fans, die wieder Stimmung ins Estadio do Dragao in Porto zauberten.

Pep Guardiola und seine Citizens wurden entzaubert - von Chelseas Heilsbringer Thomas Tuchel. In nur vier Monaten hat der deutsche Startrainer nach dem Aus bei PSG das Team von der Stamford Bridge umstrukturiert und sich selbst den größten Titel seiner bisherigen Karriere beschert, zum dritten Mal in Folge hat er dabei den Guardiola-Code geknackt.

Und zum dritten Mal nach Jürgen Klopp 2019 mit dem FC Liverpool und Hansi Flick 2020 mit dem FC Bayern holt ein deutscher Coach den Henkelpott.

Ein Meisterstück - das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Große Kaliber wie Titelverteidiger Bayern München, Real Madrid, FC Barcelona und viele mehr blieben auf der Strecke, doch das mit viel Budget vor der Saison komplett ummodellierte Team hat sich selbst zum aktuell besten Team Europas gekrönt.

Höchst emotional konnte Tuchel das Erreichte nach dem Schlusspfiff bei "Sky" noch nicht einordnen: "Ich weiß es ehrlicherweise gar nicht genau, ich laufe wie durch einen Film. Meine Familie ist hier, meine Kinder, meine Eltern - das ist das Schönste. Wenn ich darüber nachdenke, fange ich an zu weinen, das ich diesen Moment so mit ihnen teilen kann."

Havertz spielte CL-Tore im Garten nach - jetzt Goldtorschütze

Tuchel geht dabei ins Detail: "Meine Eltern haben mich zu jedem Fußballplatz gefahren, meine Frau ist in der Landesliga Süd bei Augsburg II an der Seitenlinie hinter mir gestanden, meine Oma schaut mit über 90 zu Hause zu - für die ist es jetzt. Die haben manchmal mehr an mich geglaubt als ich selber. Darum geht es, dass du auf dem ganzen Weg Leuten begegnest, die dir helfen, dich pushen und an dich glauben."

Auch Goldtorschütze Kai Havertz war fassungslos. "Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung. Seit ich fünf, sechs Jahre alt war, erinnere ich mich an jedes CL-Finale. Jetzt stehe ich hier, ein unfassbares Gefühl."

Früher spielte er im Garten mit seinem Bruder jedes CL-Tor nach, "jetzt mache ich das 1:0, das ist einfach unfassbar." Wie Tuchel denkt aber auch der DFB-Teamspieler im bisher größten Moment seiner Karriere an jene Menschen, die seine Karriere überhaupt möglich gemacht haben.

"Unfassbar! Leider ist nur mehr die Oma mütterlicherseits übrig, die anderen schauen vom Himmel aus zu. Sie haben mir viel beigebracht, meine Eltern haben mich zu jedem Turnier gefahren, mein Bruder und meine Schwester waren immer dabei, jetzt meine Freundin seit drei Jahren - schöner geht's nicht. Deswegen ist die Trophäe für sie."

"Haben gewusst, dass wir Stein im Schuh von City sind"

Das Spiel war nichts für schwache Nerven, obwohl Manchester City in Pep Guardiolas ungewöhnlicher Aufstellung nicht so zur Geltung kam, wie man es in dieser Spielzeit schon gewohnt war.

Für Tuchel war es eine Nervenschlacht: "Es war sauschwer! Wir brauchten auch Glück, um mit der Null hinten rauszugehen. Das wussten wir auch. City hat mit mehr Selbstvertrauen begonnen als wir."

Eine leise Vorahnung hatten die Londoner aber allemal: "Trotzdem, die Kollegen können es bestätigen: Wir haben es gestern gefühlt, wir haben es vorgestern gefühlt. Wir haben die ganze Zeit gewusst, dass wir der Stein im Schuh von City sind, wir lassen nicht locker, warten auf die Chance und gehen zum dritten Mal in Folge in Führung. Dann sind wir in den Köpfen von City drin. Dann war es eine Abwehrschlacht."

Der deutsche Verteidiger Antonio Rüdiger brachte es auf den Punkt, dass Chelsea gelitten hat und zu allem bereit war. Schlussendlich hat man die Chance genützt. Auch dank Tuchel: "Er hat einen sehr großen Anteil. Wenn ich von mir sprechen darf: Ich war am Boden. Aber ich habe gezeigt, dass Menschen, die am Boden liegen, nie unterschätzt werden dürfen."

Werner und Havertz: "Genau deshalb sind wir zu Chelsea gekommen"

Überhaupt räumten die Deutschen an diesem Abend groß ab. Neben Tuchel, Havertz und Rüdiger ließ sich auch Timo Werner feiern. Wie Havertz kam er erst vergangenen Sommer, die Erwartungshaltung war riesig - und wurde nun sogar übertroffen.

"Überragend! Ich hatte am Anfang mit Kai ein Interview, wo wir gesagt haben, dass wir nicht zu Chelsea gekommen sind, um Zweiter zu werden, sondern Titel zu gewinnen. Jetzt sind wir ein Jahr hier, es war nicht die beste Saison von uns, aber ein Spiel entscheidet, wir haben den Titel geholt, Kai hat das Tor gemacht. Genau deshalb sind wir zu Chelsea gekommen, deshalb wurden wir gekauft, um genau diese Momente zu erleben", war Werner von den Feierlichkeiten schon ziemlich heiser.

Die kleinen Momente waren für den Stürmer entscheidend, auch wenn er selbst diesmal torlos blieb. Bei City ortete man Probleme beim in die Tiefe verteidigen, "da haben wir sie auf dem falschen Fuß erwischt. In der zweiten Halbzeit war es purer Wille, das Ding zu gewinnnen. Einfach grandios."

Auch der Ex-Leipziger hebt Tuchel hervor und unterstreicht seine Rolle für die "Blues". "Weil wir es einfach wollten. Wie er gekommen ist, sind wir nicht gut dagestanden, waren in der Liga abgeschlagen, in der Champions League hat keiner mit uns gerechnet gegen Atletico. Aber wir haben einfach zusammengehalten, wir waren eine Truppe. Vielleicht individuell nicht immer die beste Mannschaft, aber wir haben so viel Potenzial mit jungen Spielern, die sich unter ihm entwickelt haben, gepaart mit dieser Routine in der Abwehr."

Fans trugen Chelsea durch das Finale

Die Nacht wird definitiv lang, auch für die Chelsea-Fans, die das Stadion in Porto mit Leben füllten und für tolle Stimmung sorgten - ein Gefühl, das man in dieser Intensität schon lange nicht mehr erlebt hatte.

"Sehen Sie sich das an", verweist Rüdiger auf die Ränge. "Die waren vom Warmmachen an sofort da, die haben ihr Letztes gegeben. Danke an die Fans."

Die Rückkehr der Fans habe Chelsea etwa im FA-Cup "ein bisschen eingeschüchert", diesmal haben sie das Team durch das Finale getragen. Auch Tuchel betont die Wichtigkeit der Anhänger im Stadion: "Das ganze Spiel ist für die Fans, das ist ein komplett anderes Spiel, wenn Fans da sind."

Nicht nur in Porto wird gefeiert werden, sondern mit Sicherheit auch in England. Bei der Rückkehr ist eine große, Corona-konforme Party wohl nicht ausgeschlossen. Der FC Chelsea hat es geschafft - Champions-League-Sieger! Das kann den Londonern keiner mehr nehmen.

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