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ÖFB-Goalies leiden mit Karius: "Fühlen extrem mit"

Lindner und Siebenhandl über Strategien und Tabu-Themen im Umgang mit Fehlern.

Die bitteren Fehler von Liverpool-Torhüter Loris Karius im Champions-League-Finale gegen Real Madrid lassen auch seine Goalie-Kollegen beim ÖFB-Team nicht kalt.

Heinz Lindner verdeutlicht, wie sehr man in solchen Momenten mitleidet: "Nach dem ersten Fehler habe ich mir für ihn gewünscht, dass es ins Elfmeterschießen geht und er das Ding für Liverpool holt. Man weiß genau, wie er sich fühlt. Torhüter sind ein bisschen eine Union, das sind alles Kollegen und da fühlt man natürlich extrem mit."

Für Jörg Siebenhandl wurde in diesem Spiel die Problematik des Torhüter-Gewerbes offenkundig: "Das Spiel war aus Tormann-Sicht richtig bitter. Das ist leider das Geschäft. Manchmal ist man der Held, manchmal ist man der Verlierer. Das ist eben unsere Position im Spiel, damit müssen wir leben. Ab und zu können wir auch die Helden sein, aber meistens ist es ein bisschen unbeachtet, was wir machen. Aber das haben wir uns zu einem gewissen Zeitpunkt der Karriere so ausgesucht, dass es so ist."

Grinsender Nachsatz des Sturm-Schlussmanns: "Dafür müssen wir nicht so viel laufen wie die anderen, das ist wiederum der Vorteil an dem Ganzen."

Rätseln über Blackouts

Nichts zu lachen hat derzeit Karius, und es wird wohl auch eine Zeit lang dauern, bis er den Schock dieses für ihn so schlimm verlaufenen Endspiels verdaut hat. Seine ÖFB-Kollegen rätseln, wie es überhaupt so solchen Aussetzern kommen konnte.

"Wenn er den Ball 100 Mal aufs Tor kriegt, kriegt er ein Mal ein Tor."

Heinz Lindner

"Der erste Fehler war ein Blackout. Ich glaube, dass er das Spiel schnell machen wollte. Beim zweiten war er schon verunsichert durch das erste Tor und hat dadurch daneben gegriffen. Ich glaube, wenn er den Ball 100 Mal aufs Tor kriegt, kriegt er ein Mal ein Tor - und dass war genau gestern so der Fall. Besonders bitter ist natürlich, dass es gleich nach dem ersten Fehler passiert ist. Diesen Abend wird er nicht so schnell vergessen", fürchtet Lindner.

Ein Fehler wie beim Gegentor zum 1:3 könne laut Siebenhandl schon mal vorkommen: "Da hat er für mich die falsche Entscheidung getroffen, weil er den Ball fangen wollte. Vielleicht war der vorherige Fehler die Vorgeschichte. Wenn du einmal einen Fehler gehabt hast, machst du vielleicht gewisse Dinge anders, als du solltest. Das erste Gegentor wiederum war einfach ein klassisches Blackout. Ich weiß nicht, was er danach reklamieren wollte. Das würde mich interessieren. Abseits kann es nicht sein. Wenn du den Ball mal in der Hand hast, das Spiel wieder beginnen willst und keiner pfeift, schaust du durch die Finger."

Das Social-Media-Problem

Nach seinem Horror-Arbeitstag war die Häme für Karius riesig, ganz wie es dem vor allem in sozialen Netzwerken gepflogenen Zeitgeist entspricht. Für einen 24-jährigen Menschen wie den deutschen Unglücksraben wird es nicht leicht zu verkraften sein, was derzeit auf ihn einprasselt.

"90 oder 95 Prozent der Leute, würden es sich niemals trauen, dir etwas ins Gesicht zu sagen, wenn sie vor dir stehen würden. Aber im Internet traut sich halt jeder seine Meinung rauszuwerfen, ohne dass er darüber nachdenkt, was er der Person damit antut. Ich vermute, Karius wird heute nicht so gerne auf seine Instagram-Seite schauen."

Jörg Siebenhandl

"Ich wünsche ihm, dass er da gut durchkommt und ihm von medialer Seite und via Social Media nicht zu viel Druck gemacht wird, denn Fehler sind menschlich, Fehler passieren uns allen - nicht nur im Fußball, nicht nur im Sport. Dass diese Fehler 500 oder 600 Millionen Leute gesehen haben, ist natürlich wieder ein anderes Thema. Er sollte sich dadurch aber nicht unterkriegen lassen", meint Lindner.

Für Siebenhandl kommen in Situationen wie diesen die Schattenseiten der sozialen Netzwerke zu Tage: "Bis jetzt habe ich noch nicht einmal Instagram, meine Angriffsfäche ist derweil noch kleiner. Aber ich glaube: 90 oder 95 Prozent der Leute, würden es sich niemals trauen, dir etwas ins Gesicht zu sagen, wenn sie vor dir stehen würden. Aber im Internet traut sich halt jeder seine Meinung rauszuwerfen, ohne dass er darüber nachdenkt, was er der Person damit antut. Ich vermute, Karius wird heute nicht so gerne auf seine Instagram-Seite schauen, weil die Leute da alles reinschreiben, was ihnen gerade einfällt. Die denken ja nicht einmal darüber nach, dass er auch ein Mensch ist. Jeder, der in seinem Leben einmal einen Fehler gemacht hat, freut sich, wenn er eine zweite Chance kriegt und ihn die Leute nicht jeden Tag wieder damit konfrontieren. Das ist im Social-Media-Zeitalter schwieriger, da es im Internet gespeichert wird. Irgendwann kommt es wieder raus."

Siebenhandl setzt auf externe Hilfe

Es gibt wohl keinen Torhüter, der fehlerfrei durch seine Karriere kommt. Entscheidend sind die Strategien, wie man diese Fehler hinter sich lässt. Siebenhandl arbeitet dabei präventiv und setzt auf externe Unterstützung:

"Ich arbeite mit jemandem gemeinsam, um mich auf solche Situationen vorzubereiten. Ich bin halt der Typ, der lieber mit jemandem arbeitet, als sich alles mit mir selbst auszumachen."

Jörg Siebenhandl

"Jeder hat da andere Zugänge. Ich arbeite mit jemandem gemeinsam, um mich auf solche Situationen vorzubereiten. Ich bin halt der Typ, der lieber mit jemandem arbeitet, als sich alles mit mir selbst auszumachen. Lange Zeit habe ich das auch so probiert, aber dann habe ich gemerkt, dass es einfacher wird, wenn dich jemand unterstützt. Du kannst gewisse Lasten bei ihm ablegen und er bereitet dich auf gewisse Situationen vor. Es ist nicht für jeden das Richtige. Viele sagen, so etwas brauchen sie nicht. Aber ich mache es gerne."

Der 28-Jährige ergänzt: "Ich finde, es ist kein Tabu-Thema, dass man gewisse Fehler anspricht, und das auch einmal vorher, obwohl noch gar kein Fehler passiert ist. Es geht darum durchzusprechen: 'Hey, was machst du, wenn das oder das passiert?' Sollte der Fall einmal eintreten, geht es darum, dass du dich sofort wieder fängst und die Partie fertig spielst, denn als Goalie kann man einen Fehler relativ selten wieder ausbessern. Der ist eben passiert und es geht darum, das restliche Spiel normal fertig zu spielen."

Wie hakt man Fehler ab?

Eine Challenge, an der Karius gescheitert ist, die jedoch auch nicht leicht zu bewältigen ist. Fehler abzuschütteln und trotzdem den Fokus auf das Spiel zu wahren, ist mitunter nicht so einfach, wie auch Lindner bestätigt:

"Fehler sind mir auch schon passiert, und dann kommt man genau in die Situation, dass man mit sich selber hadert. Nur wenn der Schiedsrichter wieder anpfeift, sollte man es im besten Fall schon wieder abgehakt haben. Das ist natürlich schwierig. Das Bestmögliche wäre, wenn du zwei, drei Minuten später gleich einen Ball hast, den du hervorragend parierst. Dann kommst du leichter wieder raus. Wenn du jedoch nach einem Fehler 25 Minuten keinen Ball kriegst, dann hast du mehr Zeit zum Überlegen."

Laut Meinung des Grasshoppers-Legionärs hatte Karius nach seinem ersten Patzer noch zwei, drei gute Aktionen, dennoch sei der zweite eine Folge der Verunsicherung nach dem ersten Fehler gewesen.

Lindner: "Natürlich sollte die Strategie sein, Fehler noch im Spiel abzuhaken. Nur fällt das umso schwerer, wenn es ein Champions-League-Finale und so ein gravierender Fehler ist. Dass dich das aus der Bahn wirft, ist komplett legitim. Da muss man sich mal kräftig schütteln, bis man alles unten hat, aber es ist schwer. Fehler passierem jedem Tormann, man sollte auch nicht zu groß darauf rumreiten, aber natürlich ist es bitter für Liverpool und ihn persönlich."

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