Endstand
3:2
1:2, 2:0
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Ilzer: "Es raubt mir den Schlaf, macht mich im Kopf fertig!"

Dem Sturm-Trainer reicht's! Christian Ilzer fordert nach dem Austria-Match wortgewaltig eine Professionalisierung des österreichischen Schiedsrichterwesens.

Ilzer: Foto: © GEPA

"Wieder eine Schiedsrichter-Entscheidung mit VAR. Unbegreiflich", stöhnt David Affengruber.

Man kann getrost behaupten, dass der Elfmeterpfiff für die Austria im Liebenauer Stadion ebenso leidenschaftlich wie kontrovers diskutiert wurde.

Wo ist die Brust, wo die Schulter, wo fängt die Hand an? Bei strittigen Situationen tauchen plötzlich die unterschiedlichsten Interpretationen des menschlichen Körpers auf.

Weniger Diskussionen als beim Hand-Elfmeter gegen Affengruber wären eigentlich in jener Szene kurz nach der Pause, als Emanuel Emegha von Manfred Fischer im Strafraum abgeräumt wurde, von Nöten gewesen. Der Pfiff von Referee Markus Hameter blieb jedoch aus.

Eine persönliche und eine konstruktive Ebene

In beiden Situationen konnte man sich fragen: Was macht eigentlich der VAR wann, wie und warum?

Hier sind wir an dem Punkt angelangt, an dem es Christian Ilzer endgültig reicht. Der Sturm-Coach verstand trotz des 3:2-Siegs für sein Team die Welt nicht mehr und tat dies auch wortgewaltig kund.

Einerseits auf persönlicher Ebene, denn als VAR fungierte Harald Lechner - der Wiener avancierte somit bekanntlich nicht zum ersten Mal zum "roten Tuch" für die Steirer.

Andererseits auf konstruktiver Ebene, denn laut Ilzer muss das Schiedsrichterwesen in Österreich schleunigst professionalisiert werden.

Ilzer und sein "Adlerauge"

Aber der Reihe nach. Beginnen wir beim gegebenen Elfmeter, den Haris Tabakovic zur 2:1-Fürhung für die Austria verwandelt hat.

"Ich habe ein unglaubliches Adlerauge, und meine Wahrnehmung aus dem Spiel hat sich mehr als bestätigt. Ganz klar kein Elfmeter!", echauffiert sich der 45-Jährige und deutet auf den Brustmuskel: "Wenn ein Ball hierher fliegt und vielleicht irgendwie der Wind noch den Arm streift, ist es kein Elfmeter."

Hierzu gab es in den Stadion-Katakomben hitzige Diskussionen mit unterschiedlichen Meinungen.

Schiedsrichter-Beobachter Günter Benkö tat argumentativ jedenfalls sein Bestes  - für ihn war der Strafstoß berechtigt.

Ilzer: "Ich kenn mich nicht mehr aus!"

Was Ilzer weiter aufregte: "Für was haben wir einen VAR? Einen VAR, der vor zwei Wochen den Schiedsrichter wegen jeder Kleinigkeit zum Review geholt hat, und Harald Lechner heißt. Er ist in beiden Situationen nicht eingeschritten, beim klaren Elfmeter für uns ist er auch nicht eingeschritten."

Die Penalty-Entscheidung für die Austria wurde von Lechner überprüft, er verzichtete jedoch darauf - ebenso wie beim Foul an Emegha - Hauptschiedsrichter Hameter zum Review zu holen, damit der sich ein eigenes Bild machen kann.

"Ich kenne mich nicht mehr aus! Ich halte mich wirklich seit Wochen zurück. Aber dieses zurückhalten müssen - es raubt mir den Schlaf, es macht mich im Kopf fertig, muss ich ehrlich sagen."

Christian Ilzer

Mit der Partie vor zwei Wochen meint Ilzer den 2:0-Auswärtssieg Sturms bei Austria Klagenfurt, bei dem Referee Josef Spurny von VAR Harald Lechner mehrmals zum Check an die Seitenlinie geholt wurde.

"Ich weiß gar nicht, was ein noch klarerer Elfmeter sein soll. Der Ball ist weg, und Manfred Fischer läuft in Emegha rein", ärgert sich Ilzer, "ich kenn mich nicht mehr aus! Aber natürlich, wenn man bei LASK gegen Lustenau so eine Entscheidung trifft, ist für mich alles klar..."

"Es macht mich im Kopf fertig"

Mit diesem Seitenhieb spielt der Sturm-Coach auf den Skandal-Elfer, den Lechner bei der Eröffnung des Linzer Stadions zugunsten des LASK gegeben hat, an. Ein Pfiff, den auch der FIFA-Schiedsrichter im Nachgang als klare Fehlentscheidung deklarierte.

Diskussionen in Sachen Schiedsrichter-Entscheidungen und die Rolle des VAR hat es in den vergangenen Wochen und Monaten vereinsübergreifend genügend gegeben.

"Das wirft für mich gar keine Fragen mehr auf. Es fordert mich mental so sehr in den letzten Wochen", ist Ilzers Geduld am Ende, "ich kenne mich nicht mehr aus! Ich halte mich wirklich seit Wochen zurück. Aber dieses zurückhalten müssen - es raubt mir den Schlaf, es macht mich im Kopf fertig, muss ich ehrlich sagen."

Was den Steirer besonders ärgert: "Auf der einen Seite steht unsere professionelle Herangehensweise. Ich sehe, wie meine Spieler Tag für Tag rackern. Auf der anderen Seite sind diese nicht nachvollziehbaren Entscheidungen. Ich kann dieses Thema eh nicht kontrollieren, aber diese Machtlosigkeit macht mich wirklich fertig."

Ilzer fordert professionelles Umfeld für Schiedsrichter

Möglichst neutral gegenüber den Unparteiischen formuliert, lässt sich festhalten, dass sich in Fußball-Österreich kaum jemand finden wird, der behauptet, das rot-weiß-rote Schiedsrichterwesen steht blendend da.

Debatten darüber, wie sich dies ändern lässt, werden geführt, verschwinden aber meist genau so schnell, wie sie aufgetaucht sind. Großer Reformwille ließ sich bis dato bei den heimischen Schiri-Bossen kaum feststellen.

"Schiedsrichter ist ja ein hochspannender Job. Wie handelt man stressige Situationen? Wie geht man mit Fehlern um? Das macht ja was im Kopf. Da gehört ein breites Paket aufgestellt, das den Schiedsrichtern zur Verfügung gestellt wird."

Christian Ilzer

Ilzers Erwartungshaltung an den ÖFB ist eine klare: "Sie müssen den Schiedsrichtern ein professionelles Umfeld ermöglichen! Alles, was dazu gehört. Die Schiedsrichter müssen sich mit dem Job, Schiedsrichter zu sein, 24 Stunden am Tag befassen können."

Von Profi-Schiedsrichtern ist Österreich relativ weit entfernt. Die Referees in der Bundesliga gehen in der Regel einem Brotberuf nach.

Ein breites Paket für die Schiedsrichter

Ilzer plädiert dafür, dass den Schiedsrichtern "in allen Bereichen" mehr Möglichkeiten geboten werden, etwa in der Analyse oder Reflexion von Spielen. Oder auch in der mentalen Arbeit:

"Schiedsrichter ist ja ein hochspannender Job. Wie handelt man stressige Situationen? Wie geht man mit Fehlern um? Das macht ja was im Kopf. Da gehört ein breites Paket aufgestellt, das den Schiedsrichtern zur Verfügung gestellt wird."

Auch die Arbeit als VAR hat ihre Tücken. Ilzer: "Ich weiß noch, als wir begonnen haben, Spiele mit modernen Spielanalysesystemen zu analysieren, haben wir oft Beurteilungsfehler gemacht, weil das Videobild Situationen verändert. Es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu kriegen, damit du den Spielern das entsprechende Feedback geben kannst."

Der argumentative Punkt des Sturm-Trainers: "Wir sind Profis und können dementsprechend Zeit verwenden. Jeder von uns hat auch Software-technisch die Möglichkeiten, um sich intensiv mit dem Spiel Fußball auseinanderzusetzen."

Die Liga ist am Vormarsch - und die Schiedsrichter?

Ob hier im Schiedsrichterbereich genügend gearbeitet wird, sei dahingestellt. Die Forderung nach besseren Rahmenbedingungen kommt immer wieder auch aus der Schiri-Szene selbst.

Letztlich geht es auch darum, mit der sportlichen Entwicklung der Bundesliga Schritt zu halten, wie Ilzer festhält:

"Die Liga ist wirklich am Vormarsch, wenn man sich die Meistergruppe anschaut. Den Schiedsrichtern muss einfach ein professionelles Vorbereiten ermöglicht werden. Dringendst!"

Gleichzeitig will Ilzer an sich arbeiten, besser abschalten zu können: "Ich versuche noch viel besser zu werden, damit mich die Thematik nicht so belastet, aber es fällt mir unglaublich schwer."

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