Nestor El Maestro ist der Typ Trainer, der sein Herz auf der Zunge trägt. So auch nach der 0:1-Niederlage (Spielbericht >>>) seines SK Sturm bei der Wiener Austria.
Als der Chefcoach der Grazer bei der Pressekonferenz nach einem kurzen, gequälten Lächeln zu seinem Eingangsstatement ansetzt, haben nicht wenige Anwesende das Gefühl, der 36-Jährige könne alles hinschmeißen, seinen Rücktritt erklären.
„Das ist extrem bitter, ich bin sehr enttäuscht. Das war viel zu wenig – heute und auch in der gesamten Saison bis jetzt. Ich habe große Unterstützung vom Verein bekommen, sie haben den Kader sehr viel nach meinen Vorstellungen verändert. Leider ist das, was wir auf den Platz bringen, zu wenig. Ich glaube an die Jungs, aber ich bin häufig ein bisschen verzweifelt“, so die ersten Sätze El Maestros.
"Ich bin verzweifelt, wie wenig Gefühl wir dafür haben, was möglich ist und was wir dafür machen müssen"
Der Trainer der Steirer wirkt niedergeschlagen und ratlos, nimmt das Wort „verzweifelt“ immer wieder in den Mund. „Wir haben heute eine Riesenchance verpasst. Auch in der ersten Hälfte, als wir die bessere Mannschaft waren, war es zu wenig. Ich bin verzweifelt, wie wenig Gefühl wir dafür haben, was möglich ist und was wir dafür machen müssen“, sagt er.
Sportchef Günter Kreissl sieht es genauso: „Die Austria war sehr verunsichert. Es fehlt uns in diesem Jahr noch, dass die Mannschaft erkennt, wann ein Gegner wirklich Probleme hat. Da müssen wir draufbleiben, unangenehm sein, griffig sein, es ihnen schwer machen - unterm Strich haben wir das zu wenig gemacht.“
Der große Knacks zur Pause
Dabei hat es für die Grazer in Wien-Favoriten eigentlich ganz gut begonnen. Sturm hat zwar kein Feuerwerk abgebrannt, hatte eine sehr defensiv eingestellte Austria in der ersten Hälfte aber stets gut im Griff und doch einige gute Möglichkeiten.
„Zur Pause muss es 2:0 oder 3:0 stehen“, weiß Lukas Spendlhofer. Doch nach der Pause waren die Gäste kaum wiederzuerkennen. Der Innenverteidiger ärgert sich: „Wir haben in der zweiten Hälfte alles vermissen lassen. Irgendwie ist uns im Ballbesitz nichts mehr gelungen, es war komplett der Wurm drinnen. Es hat alles gefehlt, was in der ersten Hälfte noch gestimmt hat. Das war einfach nicht gut genug. Wir haben einen angeschlagenen Gegner wieder aufgeweckt, haben den Sieg hergeschenkt. Wir sind selber schuld. Mit so einer Leistung haben wir uns keinen Punkt verdient.“
Die große Frage nach dem Warum treibt El Maestro nach dem Spiel in diese Verzweiflung, von der er so offen spricht: „Wir haben eine ordentliche erste Hälfte gespielt. Dann haben wir gesagt, wir wollen in der zweiten Hälfte ein bisschen mehr, müssen uns mehr durchsetzen und dann passiert das Gegenteil – ich bin verzweifelt.“
"Ich bin total perplex"
Der Coach weiter: „Ich bin perplex. Wir sind in einer guten Form hergekommen, waren gut vorbereitet, mannschaftstechnisch und individuell in einer super Verfassung. Das sind Spieler, die sich vor sieben Tagen gefühlt in jeder Szene brutal durchgesetzt, Leute ausgedribbelt, die Bälle gehalten, im Offensivdrittel entscheidende Akzente gesetzt haben. Dann kommen wir hierher, spielen gegen eine verunsicherte Mannschaft, es läuft alles nach Plan – und dann passiert gar nichts. Wir halten den Ball nicht, setzen uns nicht durch. Ich bin total perplex.“
Zudem äußert sich der gebürtige Serbe auch überaus selbstkritisch: „Anscheinend habe ich auch falsch eingewechselt. Als ich mit den Wechseln begonnen habe, stand es 0:0.“ In der 65. Minute kam Jantscher statt Balaj ins Spiel.
"Damit ging die Scheiße bei den Einwechslungen los"
„Ich wechsle einen Stürmer aus, stelle Röcher als Mittelstürmer rein und er verletzt sich in der nächsten Aktion. Das ist bitter. Damit ging die Scheiße bei den Einwechslungen los“, ärgert sich El Maestro.
In der 76. Minute wurde der verletzte Röcher dann durch Hierländer ersetzt. In der 84. Minute kam Leitgeb anstelle von Dominguez. „Am Schluss wäre es sinnvoller gewesen, Pink zu bringen. Aber der Wechsel fand genau in dem Moment statt, als das 1:0 gefallen ist. Ich hatte die Idee, dass wir uns mit Leitgeb spielerisch durchsetzen. Aber Pink wäre geeigneter gewesen. Die Auswechslungen waren sicher nicht gut. Als Hauptverantwortlicher bin ich schuld, natürlich. Ich stehe da in der ersten Linie“, sagt der Sturm-Coach.
"Wenn der Verein mich weiterarbeiten lässt..."
Und dann lässt er noch mit einer Aussage aufhorchen: „Ich habe viel Arbeit vor mir. Wenn der Verein mich weiterarbeiten lässt, werde ich das mit voller Motivation weiter durchziehen.“
Auf die Nachfrage, ob er denn das Gefühl habe, der Klub könnte ihm das Vertrauen entziehen, erklärt er: „Ganz im Gegenteil. Ich spüre vom ersten Tag an extreme Unterstützung.“ Dann kommt jedoch noch ein Aber: „Ich bin Trainer von Sturm Graz und wir haben nach zehn Spieltagen 16 Punkte – das sind extrem wenig, wie ich finde.“
Kreissl macht keine Anstalten, die Schuld bei seinem Coach zu suchen, warnt aber: „Jedes Spiel im Fußball kann eine Kurve in eine Richtung einleiten. Die Kurve, die wir da heute beschrieben haben, gefällt mir gar nicht, die dürfen wir in diesem Jahr nicht oft zeigen.“