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Kommentar: Deshalb wird Rapid Demir guttun

Barcelonas Verhalten? Respektlos. Bei Rapid kann Demir wieder aufblühen.

Kommentar: Deshalb wird Rapid Demir guttun Foto: © GEPA

Die Posse um Yusuf Demir ist vorerst zu Ende. Nach einem halben Jahr in Katalonien ist der 18-Jährige zurück beim SK Rapid, hat seinen Vertrag vorzeitig bis Sommer 2024 verlängert.

Die Zeit in Spanien war geprägt von vielen Spekulationen über Vertragsinhalte und letztlich unglaublicher Respektlosigkeit des FC Barcelona gegenüber dem Talent.

Demir kann die Rückkehr zu seinem Stammverein nur guttun. Bei Rapid kann er nämlich vorrangig wieder eines: Unbeschwert Fußball spielen!

Demir war Barca zehn Millionen nicht wert

Gleich vorweg: Der einzige Leidtragende dieser unwürdigen Causa ist Yusuf Demir. Durch die Brille des Fußball-Romantikers betrachtet, hat der Wiener den für einen Österreicher in der Neuzeit des Fußballs scheinbar unmöglichen Schritt von Rapid zum FC Barcelona gesetzt.

Für Demir war der "Traum", wie der Offensivspieler sein Barca-Engagement selbst deklariert hat, vorerst nur für eine Saison befristet. Durch die für den FC Barcelona normalerweise morderate Kaufoption von zehn Millionen Euro, die unter gewissen Umständen zu einer Kaufpflicht geworden wäre, war eine Verlängerung aber absehbar.

Doch die Fußball-Romantik ist schon lange tot, mit Füßen getreten. Auch von einem Klub wie dem FC Barcelona, die sich groß "Mes que un club", zu deutsch "mehr als ein Klub", auf die Fahnen heften, in den letzten Jahren aber alle ihre Prinzipien und Ideale an den Höchstbietenden verkauft haben.

Der Fußball ist ein Geschäft, getrieben von wirtschaflichen Interessen. Demir nicht weiterverpflichten zu wollen, ist nur eine von vielen - zum teil höchst fragwürdigen - Entscheidungen, die die Katalanen in den letzten Jahren getroffen haben. Demir ist dem hochverschuldeten Klub zehn Millionen Euro schlicht nicht wert, darauf lassen die Entwicklungen der letzten Wochen schließen.

Munteres Geldverbrennen

Während Demir zurück nach Österreich muss, schmeißt der FC Barcelona weiter mit beiden Händen das letzte verbliebene Geld und frische Kredite zum Fenster raus. Für die Trennung von Demir-Förderer Ronald Koeman bezahlen die Katalanen 12 Millionen Euro.

Der niederländische Trainer, der während seiner Zeit bei Barcelona auf große Teile seines Gehalts verzichtet haben soll, wurde Ende Oktober als Sündenbock abgestempelt und entlassen. Seine Loyalität lässt sich der 58-jährige ehemalige Barca-Kicker nun zurecht gut bezahlen, er verzichtet auf keinen Cent der Abfindung.

Für Koemans Nachfolger Xavi musste der Verein ebenfalls eine Ablösesumme bezahlen. Die von Al-Sadd geforderte Summe von fünf Millionen Euro habe Barcelona Medienberichten zufolge nicht vollständig bezahlen wollen. Xavi soll die Hälfte davon persönlich übernommen haben, sonst drohte die Rückkehr der Barcelona-Legende an die alte Wirkungsstätte zu scheitern.

In diesem Winter wechseln sich Umstrukturierungen vorhandener Deals mit der Verkündung von millionenschweren Neuzugängen ab. Ferran Torres von Manchester City hat sich der FC Barcelona stolze 55 Millionen Euro kosten lassen, dafür hätten die Katalanen gleich fünfeinhalb Demirs bekommen können.

Stattdessen musste Philippe Coutinho den Verein auf Leihbasis verlassen, Samuel Umtiti stimmte einer Umstrukturierung seines Vertrags zu. "Wir sind zurück", kündigte Barca-Präsident Laporte nach der Torres-Verpflichtung großspurig an, weitere Neuzugänge sind geplant.

Ob der zweifellos talentierte Spanier Torres die sportliche Misere des Europa-League-Teilnehmers stoppen kann, bleibt abzuwarten. Schon im vergangenen Jahr hatte nämlich ein gewisser Lionel Messi allergrößte Mühe, den Laden fußballerisch irgendwie beisammen zu halten.

Absichtliche Nichterfüllung hinterlässt schalen Beigeschmack

Dass eine Weiterverpflichtung Demirs auch an nicht erreichten sportlichen Zielen wie den zehn notwendigen Einsätzen scheitert, ist legitim. Der Wiener war ursprüglich für die B-Mannschaft der Katalanen in der dritten spanischen Liga eingeplant, hätte langsam an die Profis herangeführt werden sollen.

Aber Demir hat das von Barcelona und der restlichen Fußballwelt vermutete große Potenzial bestätigt, hat sich in der Sommervorbereitung einen Platz in der ersten Mannschaft des großen Klubs erspielt, auch mangels großartiger Alternativen.

Dass Demir vor seinem zehnten Pflichtspiel kalt gestellt wird, hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Auch die Tricks, mit denen Barcelona eine im Winter fällige Kaufpflicht zu umgehen versuchte, werfen kein gutes Licht auf die Katalanen. Die Aussicht, Demir bis Saisonende auf der Tribüne schmoren zu lassen, zeugt viel mehr von der Respektlosigkeit, die der einst stolze Verein seinem Leihspieler und dem SK Rapid entgegenbringt. Mit einem spanischen Talent wäre Barca wohl nicht so umgegangen.

Die Entwicklung des jungen Österreichers stand auf der Agenda des FC Barcelona ganz weit unten. Als Alternativen zu den teuren Stars wie 140-Millionen-Euro-Flop Ousmane Dembele gesucht wurden, war der für 500.000 Euro Leihgebühr vergleichsweise günstige Wiener gut genug.

Bei Kommerzveranstaltung eingesetzt, in La Liga nicht

Hat Demir beim FC Barcelona sportlich immer überzeugt? Nein, nicht immer. Das von einem 18-Jährigen, der zuvor bei Rapid zwischen Ersatzbank und Startelf pendelte, zu erwarten, wäre auch höchst vermessen gewesen. Was der Wiener aber durchaus getan hat, war sein großes Talent, das noch geformt werden muss, unter Beweis zu stellen. Gescheitert ist der ÖFB-Kicker in der spanischen Liga keineswegs. Häme ist absolut fehl am Platz.

Hätte Demirs Kunstschuss am fünften Spieltag der Champions-League-Gruppenphase gegen Benfica den Weg ins Tor anstatt an die Latte gefunden, stünde Barcelona nun im Achtelfinale der "Königsklasse" – Geldregen inklusive.

So kam es letztendlich sogar dazu, dass Demir zum Gastspiel auf Mallorca Anfang Jänner, wo Barcelona auf bis zu 18 Spieler verzichten musste, gar nicht mitgenommen wurde. Eine Vorgehensweise, die rein finanziell motiviert war. Sportliche Gründe waren wohl nicht ausschlaggebend. Die spanische Presse überschlug sich regelmäßig mit Lobhudeleien. Bei der "Copa Diego Maradona", einer in Saudi-Arabien ausgetragenen kommerziellen Ausschlachtung des Todes der argentinischen Legende, absolvierte Demir gegen die Boca Juniors Mitte Dezember die erste Halbzeit.

Es waren die letzten Spielminuten, die der Wiener für Barcelona bestritt, wenn auch nicht in einem Pflichtspiel, diese wären den Liga-Sechsten nämlich teuer zu stehen gekommen. Die Katalanen haben sich eine Verpflichtung des Wiener schlicht anders überlegt, ihre eigenen kommerziellen Interessen aber über das Wohl des Spielers und eine gütliche Zusammenarbeit mit dem SK Rapid gestellt. Von einem Verein von Weltformat, welcher der FC Barcelona noch ist, könnte man eine andere Vorgehensweise erwarten.

Rapid blieb zurecht hart

Dass der SK Rapid hart gegeblieben ist und die angeblichen Betteleien Barcelonas nach Adaptierungen im Leihvertrag abgelehnt hat, ist eine konsequente Haltung. Alle Parteien waren sich vor Demirs Wechsel nach Barcelona über die Modalitäten im Klaren. Die eigene finanzielle Notlage ist den Barca-Bossen hoffentlich nicht erst vor ein paar Wochen aufgefallen.

Die kolportierten finanziellen Bedingungen der Demir-Leihe waren darüber hinaus von vornherein vorteilhaft für die Katalanen. Um dem Wunsch des Angreifers zu entsprechen, hat Rapid die Angebote anderer Vereine abgelehnt. Der Dank des FC Barcelona dafür ist augenscheinlich nicht sehr groß.

Nun sind der SK Rapid und Yusuf Demir aber in einer anderen Situation als im Vorjahr. Demirs Vertrag in Wien-Hütteldorf wurde bis Sommer 2024 verlängert. Ein Wechsel im Sommer ist dadurch natürlich nicht ausgeschlossen, aber zumindest unwahrscheinlicher geworden. Interessierte Vereine müssen wohl sogar noch den einen oder anderen Euro mehr drauflegen, um den Wiener vom Vizemeister loseisen zu können. Mit der Verlängerung haben Demir, seine Berater und das Umfeld des Rapidlers jedenfalls Weitsicht bewiesen.

Anders als in der Vorsaison wird Demir aber sofort einen Stammplatz in der Elf des nunmehrigen Cheftrainers Ferdinand Feldhofer erhalten. Für Demir eine Wohltat, denn er braucht jede Minute Spielzeit, die er bekommen kann. Rapid stellt in dieser Phase der Karriere des 18-Jährigen das ideale Sprungbrett dar.

Bleibt unter dem Strich eine wertvolle Erfahrung für Demir. Menschliche Enttäuschung vom Vorgehen seines Wunschklubs wäre dem jungen Offensivspieler nicht zu verdenken. Der Rapidler hat es aber nun selbst in der Hand, dem FC Barcelona zu beweisen, dass dieser einen weiteren Fehler gemacht hat.

Sollte der Offensivspieler das schaffen, hatte die Episode in Barcelona sogar noch etwas Gutes und Demir geht gestärkt aus dieser hervor. Zu wünschen wäre es ihm.

VIDEO: Demir überzeugt in der Barca-Vorbereitung

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