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Hat die Bundesliga ein Schiedsrichter-Problem?

Fehlentscheidungen häufen sich, Teams wüten - ist der VAR längst überfällig?

Hat die Bundesliga ein Schiedsrichter-Problem? Foto: © GEPA

Unparteiisch bleiben, Entscheidungen in Bruchteilen von Sekunden fällen, dazu stetige Kritik an der eigenen Person - das Leben eines Schiedsrichters ist kein einfaches - vor allem in Österreich.

Dies liegt zum Teil auch an der Tatsache, dass es in weiten Teilen Europas bereits den Videoschiedsrichter gibt, der etwaige Fehlentscheidungen der Unparteiischen am Feld korrigieren kann. In der Bundesliga kommt dieser erst ab der Saison 2021/22 zum Einsatz, der Ruf nach dem VAR ist aber größer denn je.

Der Grund? Die "menschlichen" Fehler, wie sie so schön bezeichnet werden, häufen sich von Spieltag zu Spieltag und lassen Spieler sowie Trainer oftmals ratlos zurück. So geschehen auch am 29. Bundesliga-Spieltag am vergangenen Wochenende, als es gleich in vier Spielen zu teils eklatanten Entscheidungen kam, die mit Videoschiedsrichter wohl keinen Bestand gehabt hätten.

Situation 1: Klares Rakowitz-Abseitstor gegen die SV Ried

Die SV Ried führt im Spiel der Qualifikationsgruppe beim TSV Hartberg 1:0, kassiert aber in der 82. Spielminute den Ausgleich, der so nicht hätte zählen dürfen. Seifedin Chabbi bringt einen Stanglpass in den Strafraum, wo Stefan Rakowitz nach einer Slapstick-Aktion einnetzt. 

Der Makel? Rakowitz steht beim Pass seines Teamkollegen doch klar im Abseits, der Linienrichter hat zwar einen guten Blickwinkel auf die Situation, erkennt die Abseitsstellung aber nicht und gibt daher kein Kommando an Schiedsrichter Manuel Schüttengruber, der mehrere Meter weit weg vom Geschehen steht.

Ried-Trainer Andreas Heraf zeigte sich nach dem Spiel dementsprechend enttäuscht, "weil es ein klares Abseitstor war, das uns den Sieg nicht beschert hat. Es ist die fünfte Fehlentscheidung in den letzten Spielen gegen uns. Das tut schon wirklich weh."

Der 53-Jährige spricht zum Beispiel das 0:0-Remis der Innviertler am 28. Spieltag beim SKN St. Pölten an, als Marco Grüll ein Tor aufgrund einer vermeintlichen Abseitsstellung aberkannt wurde. Dabei war der baldige Rapid-Stürmer bei der Passabgabe von Stefan Nutz einen Meter hinter SKN-Verteidiger Luan.

Hier siehst du die Szene ab Minute 1:07 im VIDEO:

Situation 2: Wöber-Foul im eigenen Strafraum gegen Kelvin Yeboah

Der zweite schwerwiegende Fehler spielte sich bei der Partie Sturm Graz gegen Red Bull Salzburg ab. Die "Bullen" liegen nach 80 Spielminuten nur 2:1 in Front, da sie es zuvor verabsäumten, ihre guten Chancen zu nützen.

Dann kommt es zur hinterfragungswürdigen Szene: Kelvin Yeboah erhält einen langen Pass und zieht im Strafraum ab, Salzburg-Schlussmann Cican Stankovic kann nur prallen lassen. Der Sturm-Angreifer kommt erneut an den Ball, wird jedoch von Maximilian Wöber klar zu Fall gebracht, Schiedsrichter Gerhard Grobelnik lässt weiterlaufen.

In der Wiederholung ist klar ersichtlich, dass Wöber Yeboah von hinten in die Beine grätscht und den Ghanaer am Abschluss hindert, auch hier hätte wohl der VAR interveniert und die Entscheidung am Spielfeld widerrufen.

Sturm-Trainer Christian Ilzer fasste nach dem Spiel treffend zusammen: "Der Schiedsrichter hatte eine tolle Sicht auf die Situation. Es war ein klarer Elfmeter." Auch sein Gegen-Pendant Jesse Marsch gibt durch die Blume zu: "Es war aus meinem Winkel vielleicht ein Elfmeter."

Die Szene ab Minute 2:21 im VIDEO:

Situation 3: Zwei Elfmeter und zwei Mal Gelb-Rot gegen den LASK

Im Parallelspiel der Meistergruppe zwischen dem LASK und WSG Tirol spielen sich gleich mehrere Situationen ab, die es zu beleuchten gilt. 

Die erste Szene spielt sich in der 69. Minute ab: Benjamin Pranter dribbelt in den Strafraum, LASK-Verteidiger Gernot Trauner will ihn vom Ball trennen und tut dies auch erfolgreich. Pranter geht jedoch zu Boden, Referee Felix Ouschan zeigt auf den Elfmeterpunkt. In der Wiederholung wird schnell klar, dass Trauner zuerst den Ball spielt, dabei Pranter leicht berührt. Eine enge Entscheidung, der Elfmeterpfiff ist aber wohl der falsche.

Die zweite Szene ereignet sich nach 81 Spielminuten, erneut steht Trauner im Mittelpunkt. Im Strafraum kommt Nikolai Baden Frederiksen nach einem Zweikampf mit dem ÖFB-Verteidiger zu Fall, wieder zeigt Ouschan auf den Punkt, wieder ist es ein falscher Entschluss. Beide Spieler schieben und zerren, um den Ball zu gewinnen, schließlich gibt es eine kleine Berührung von Trauners Knie mit dem Oberschenkel des Dänen. Zu allem Überdruss wird Trauner für diese Aktion sogar mit Gelb-Rot vom Platz gestellt, den Strafstoß verwertet Frederiksen zum 3:3-Endstand.

Nach dem Schlusspfiff prangert LASK-Trainer Dominik Thalhammer diese Entscheidungen an und kritisiert den Schiedsrichter lautstark, dafür wird er ebenfalls mit Gelb-Rot bedacht. Wohl die einzig richtige Entscheidung, in einem sonst kuriosen Spiel.

Auch im "Sky"-Interview nach dem Spiel kommt Thalhammer nicht zur Ruhe: "Das waren Szenen, die weiß nicht wie oft im Strafraum passieren und wenn man die ahndet, dann kann man aufhören Fußball zu spielen."

Trauner pflichtet ihm bei: "Es war zwei Mal kein Elfmeter, beim zweiten war überhaupt nichts. Ich berühre ihn (Anm.: Baden Frederiksen) nicht einmal und er fällt einfach hin. Das sind Geschenke, die verteilt worden sind. Beim ersten haben wir eines verteilt, beim zweiten hat der Schiedsrichter mitgeholfen"

Die Szenen im VIDEO:

Situation 4: Mateo Barac "verursacht" Elfmeter gegen den WAC

Die letzte strittige Situation an diesem Bundesliga-Wochenende passiert im Spiel zwischen Rapid Wien und dem WAC. Die Hütteldorfer führen nach einem Traum-Freistoß von Marcel Ritzmaier in einem intensiven Spiel und scheinen die Partie unter Kontrolle zu haben.

Nach 69 Spielminuten bekommen die Lavanttaler einen auf den ersten Blick klaren Elfmeter zugesprochen. Rapid wird im eigenen Sechzehner nicht Herr der Situation, schließlich will Mateo Barac den Ball klären und erwischt dabei nur das Bein von Christopher Wernitznig.

Einziges Manko? Wernitznig tritt dem Rapid-Verteidger zuvor bereits auf den Fuß, begeht ein klares Foulspiel. Barac erwischt den WAC-Mittelfeldspieler daraufhin zwar - wenn überhaupt - leicht am Bein, dennoch hätte Schiedsrichter Christopher Jäger hier keinen Elfmeter für die Wolfsberger geben dürfen. Mit dem Videoschiedsrichter wäre wohl auch diese Entscheidung zurückgenommen worden.

Der Linksfuß wurde in weiterer Folge endgültig zum Unglücksraben, als er nach einem klaren Tritt auf die Schulter von Dario Vizinger des Platzes verwiesen wurde. Eine Entscheidung, an der es keine Zweifel gab.

Dennoch war Rapid-Chefbetreuer Didi Kühbauer nach dem Spiel kaum zu halten, sprach von einer "unglaublichen Entscheidung, die das Spiel kippte", da der SCR am Ende sogar noch 1:2 verlor. Außerdem forderte der 50-Jährige den VAR am Besten noch für das Saisonfinish und setzte zu einer Wutrede gegen die Bundesliga-Schiedsrichter an.

Die Szene ab Minute 1:41 im VIDEO:

Warum passieren ausgerechnet heuer so viele Fehler?

Kühbauer steht mit dieser Forderung keineswegs alleine da, von Spielern, Klub-Verantwortlichen und den zahlreichen österreichischen Fußball-Fans wird die Einführung des Videoschiedsrichters herbeigesehnt.

Doch es stellt sich die Frage, warum den Referees ausgerechnet in der heurigen Spielzeit zahlreiche Fehler unterlaufen? Dies könnte einerseits mit dem straffen Programm der Bundesliga zusammenhängen, welches sowohl den Spielern, aber vor allem den Unparteiischen alles abverlangt.

In einem dicht gedrängten Terminkalender bleibt Manuel Schüttengruber und seinen Kumpanen kaum Zeit zum Verschnaufen, manche von ihnen haben bereits über 20 Spiele in dieser Saison geleitet. Dabei gehört nicht nur die Bundesliga zum Tagesgeschäft, einige Referees sind auch bei internationalen Freundschaftsspielen oder in der 2. Liga im Einsatz gewesen.

Dazu muss bedacht werden, dass einige wenige Schiedsrichter unter der Woche einem normalen Job nachgehen, am Wochenende jedoch wieder über 90 Minuten und mehr, ein Spiel auf höchstem Niveau leiten dürfen/müssen.

Dass die Konzentration da mitunter vielleicht leidet, ist nur allzu verständlich. Immerhin müssen Situationen in Bruchteilen einer Sekunde analysiert und kommuniziert werden. Foulspiel oder regelkonformer Zweikampf? Handspiel? Abseitsstellung? Reguläres Tor? Gelbe oder Rote Karte?

Alles Momente, in denen sich der gewöhnliche Fußball-Fan mit zahlreichen TV-Wiederholungen selbst ein Bild machen kann. Aber: Wie oft sitzen Zuschauer vor dem Fernseher und sind im Affekt unsicher, ob dies tatsächlich ein Foulspiel oder Abseits war? Wohl niemand bedenkt dabei, dass der Spielleiter eben jene Entscheidung in diesem Augenblick treffen muss, in der sie geschieht.

Ist der VAR längst überfällig?

Genau jene Beschlüsse fallen in den vergangenen Wochen jedoch immer häufiger falsch aus, genau hier soll der Videoschiedsrichter Abhilfe schaffen.

Hier muss ein Irrglaube aber gleich beiseite geschafft werden: Auch mit dem VAR wird es wohl oder übel zu strittigen Szenen kommen, die womöglich falsch ausgelegt werden könnten. Dies zeigt sich beispielsweise immer wieder in Deutschland, wo der Video-Assistent häufig in der Kritik steht.  Immerhin wird klar festgehalten, dass der VAR sich nur bei klaren Fehlentscheidungen an den jeweiligen Spielleiter wendet.

Dem Referee wird hier jedoch ein Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, welches definitiv als solches angesehen werden muss: Als Hilfsmittel. Die Entscheidungen auf dem Spielfeld muss weiterhin der Unparteiische treffen, erst dann darf sich sein Kollege gegebenenfalls einschalten.

Hier wirft sich aber durchaus die Frage auf, welch Aufschrei durch die Stadien dieses Landes gehen würde, wenn sowohl der Schiedsrichter auf dem Feld, als auch jener im Video-Keller eine klare Fehlentscheidung übersieht. TV-Bilder, die zur Verfügung stehen, zeigen nunmal nicht immer die ganze Wahrheit auf.

Welche Lösungen benötigt es dann? Kameras, die jeden Winkel des Spielfeldes im Auge haben? Mehr als einen offiziellen Schiedsrichter? Alles natürlich nur Theorien, aber speziell die Anfangsphase wird keine einfache werden. Immerhin müssen die jeweiligen Mannen auch erst mit einem neuen Spielzeug zurechtkommen.


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