Es hätte ein großer Abend werden sollen für den SK Rapid, und lange Zeit sah es auch nach dem ersten Derby-Heimsieg im Allianz Stadion aus.
Doch am Ende gab es nach dem 2:2 nur gesenkte Köpfe im grün-weißen Lager: "Wir haben sie 70 Minuten zerlegt", kann es Mario Sonnleitner bei LAOLA1 noch immer nicht fassen, dass ein 0:2-Vorsprung verspielt wurde - wie schon gegen Mattersburg.
Auch Louis Schaub ist verärgert: "Dass wir das so leichtfertig hergeben, ist sehr bitter und einfach enttäuschend."
"Wie wenn wir 0:3 verloren hätten"
Mit der Einlaufmusik "Hier kommt Alex" von den Toten Hosen sollte sich die Wiener Austria auf "ein kleines bisschen Horrorshow" einstellen. Anspielend auf eine Textzeile entrollten die Fans ein Transparent mit der Aufschrift: "Erst wenn wir die Veilchen leiden sehen, spüren wir Befriedigung."
Anfangs ging der Plan voll auf. Die Grün-Weißen nahmen den Schwung vom 4:1 in St. Pölten mit und nützten Austrias Unsicherheit nach dem Liga-Fehlstart lange Zeit aus.
Am Ende leckten aber alle Beteiligten nur ihre Wunden. "Wie vor zwei Wochen (Anm.: 2:2 gegen Matterburg) geben wir ein 2:0 aus der Hand. Das fühlt sich wie eine Niederlage an, wie wenn wir 0:3 verloren hätten - so fühle ich mich zurzeit", war auch Trainer Goran Djuricin sichtlich geknickt.
"Ganz bitter für uns. Wir sind gut in die Partie reingekommen, haben alles unter Kontrolle gehabt", lässt auch Schaub die Partie Revue passieren. 70 Minuten lang entwickelte Rapid eine Offensivkraft mit einer Vielzahl an Chancen, die man schon lange nicht mehr bei den Hütteldorfern sah.
Zum 2:0 kam auch eine nicht geahndete Elfmeter-Szene, als der bereits gelbverwarnte Peter Filipovic Joelinton im Strafraum zu Fall brachte - zum Glück für die Austria, blieb Schiedsrichter Harkams Pfeife stumm.
"Sind noch nicht so reif"
Was in den letzten 20 Minuten dann aber geschah, sorgte dafür, dass sich alle im grün-weißen Lager nach dem Schlusspfiff auf Fehlersuche begaben.
"Ein paar Mal hat das Attackieren nicht geklappt, wir sind nicht gut nachgerückt. Mit Fortlauf der Partie haben wir keinen Zugriff mehr gehabt. Aber wenn wir bei 2:0 den richtigen Pass spielen und nicht egoistisch vor dem Tor sind, geht das ganz anders aus", kritisierte Djuricin.
Vor allem Joelinton hatte eine Riesenchance und hätte uneigennützig zur Mitte für Mario Pavelic auflegen können, nein müssen. Darauf zielte diese Kritik auch ab. Wenig später schwächte "Gogo" aber sein Urteil ab.
"Aber Joelinton ist ein 96er-Jahrgang, Andreas Kuen hatte noch nicht viele Pflichtspiel-Einsätze. In der einen oder anderen Szene sind wir noch nicht so reif. Wir haben 60 Minuten dominiert, richtig gut gespielt. Deshalb ist es extrem ärgerlich, dass wir nur 2:2 gespielt haben."
Cooler, konsequenter, ruhiger am Ball
Schaub ist sich sicher, dass mit einem weiteren Treffer zum 3:0 die "Geschichte gegessen gewesen wäre". Anstattdessen brach Rapid ein. Körperlich? Mental? Aufgrund von Fehlern?
"Wir haben dann durch eine Unachtsamkeit das Anschlusstor gekriegt. Dann haben wir Probleme gekriegt. Der Elfer und die Rote Karte haben uns dann ein bisschen das Genick gebrochen. Aber wir haben alles versucht, um das Spiel wieder zu drehen", beklagt Mario Sonnleitner.
An fehlenden Kraftreserven lag es seiner Meinung nach nicht: "Natürlich haben wir ein sehr intensives Spiel gehabt. Aber die Kraft haben wir schon, dass wir da weitergehen können, da müssen wir mental drübergehen und die letzten Zentimeter auch noch verteidigen. Wenn wir das schaffen und kein Tor kriegen, gewinnen wir das Spiel. In ein paar Situationen müssen wir noch cooler und konsequenter sein vor dem Tor. Aber die Mannschaft hat sehr viel investiert und eine sehr gute Leistung gebracht. Deswegen ist es umso blöder, dass wir das Spiel heute nicht gewonnen haben."
So sieht es auch Djuricin: "Keine Ahnung, was in da in der Mannschaft vorgeht. Wir müssen viel ruhiger bleiben am Ball, wir haben genug Selbstvertrauen. Das haben wir gezeigt, als wir die Austria angepresst haben. Wir müssen einen Tick ruhiger werden, dann geht das Match komplett anders aus."
"Das sollte kein drittes Mal passieren"
Trotzdem zeigt man sich im Rapid-Lager geduldig, auch wenn man zum wiederholten Male Lehrgeld zahlen musste und daraus wieder Lehren für die nächsten Spiele ziehen will.
Dass sich beim Stand von 2:0 Unkonzentriertheiten einschleichen, soll schleunigst abgestellt werden. Drei Mal war Rapid in drei Spielen mit 2:0 voran, beim 4:1 gegen St. Pölten ging es gut, gegen Mattersburg und Austria nicht.
"Weil wir im Endeffekt nicht konsequent genug sind mit unseren Möglichkeiten. Sicher müssen wir aufs dritte Tor gehen, aber wir verteidigen dann auch nicht mehr so konsequent. 2:0 ist ein ganz gefährliches Ergebnis. Man glaubt, das wird schon irgendwie, aber das geht nicht."
Auch Djuricin mahnt: "Das sollte kein drittes Mal passieren, wenn man 2:0 führt." Die große Euphorie nach der kurzzeitigen Tabellenführung und vier Punkten aus zwei Spielen ist damit ein bisschen verflogen. Ungeschlagen ist man weiterhin, aber der Derby-Sieg hätte Rapid einen enormen Push geben können.