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Bickel: "Es ist wie bei einer Kindererziehung"

SCR-Sportdirektor sieht eingewachsene Probleme als Hemmschuh.

Bickel: Foto: © GEPA

Die Trainerwechsel-Euphorie beim SK Rapid Wien hat vor dem Europa-League-Gruppenspiel beim FC Villarreal (ab 21:05 LIVE auf DAZN und im LIVE-Ticker) mit der herben Bundesliga-Pleite in Hartberg einen leichten Dämpfer bekommen.

Im großen Interview mit der Austria Presse Agentur verortet Fredy Bickel die Gründe für die ständigen Rückschläge in alten Voraussetzungen: "Es haben sich Muster eingeschlichen und über die Jahre vertieft, die bringt man kaum noch raus", so der Schweizer.

Der Rapid-Sportdirektor spricht über besagte Gründe, warum er sich immer wieder vor die Mannschaft stellt, die offene Vertragsverlängerung und seine Einschätzung der Fan-Thematik.

Frage: Sie haben in der Länderspielpause vor dem Hartberg-Match einige Tage in Ihrer Heimat verbracht - wie erholsam war diese Zeit?

Fredy Bickel: Sie hat mir gutgetan, ich bin aber schnell wieder von der Realität eingeholt worden.

Frage: Kam die 0:3-Niederlage für Sie überraschend?

Bickel: Ja und nein. Nein, weil wir in regelmäßigen Abständen immer wieder die gleichen Probleme haben. Für die kommenden Spiele mache ich mir jedoch keine Sorgen, weil ich weiß, wie hoch die Qualität der Mannschaft ist. Größere Sorgen macht mir, wie wir dagegen ankämpfen können, dass wir immer diese Rückschläge haben.

Frage: Und wie kann man dagegen ankämpfen?

Bickel: Nicht, dass ich mich als Übervater sehe, aber es ist wie bei der Kindererziehung. Es haben sich Muster eingeschlichen und über Jahre vertieft, die bringt man kaum noch raus. Wenn ich zurückschaue, als ich am Anfang meiner Zeit bei Rapid mit der Mannschaft geredet habe, hat immer nur Steffen Hofmann gesprochen. Kein anderer hätte ein Wort gesagt, bevor Steffen nichts gesagt hat. Er hat die Mannschaft unglaublich geführt, dafür gebührt ihm riesiger Respekt. Nur hat es die Mannschaft dahinter verpasst, sich zu entwickeln. Das ist nicht Steffens Schuld, aber es ist keine Hierarchie entstanden. Er war immer das Schutzschild der Mannschaft. Und war er einmal nicht da, hat der Verein die Probleme gelöst wie zuletzt beim Trainerwechsel. Die Spieler kamen immer ungeschoren davon. Wir haben sie selbst dahin gebracht, dass sie die Dinge nicht untereinander regeln mussten.

Frage: Sie haben immer auf allzu harte Kritik an der Mannschaft verzichtet. Wird sich das nun ändern?

Bickel: Ich habe mich öffentlich meistens schützend vor das Team gestellt, doch intern sind die Dinge oft klar angesprochen worden. Jetzt sind die Spieler in der Pflicht, und ich glaube, dass sie dem Druck standhalten werden. Ich habe kein Problem damit, in der Öffentlichkeit auf sie reinzuhauen, nur bringt es derzeit nichts. Die Spieler wissen genau, was sie in Hartberg verbrochen haben. Man muss nicht auf jemanden treten, wenn er am Boden liegt - aber dann, wenn er nicht mehr aufsteht.

Frage: Haben Sie sich nach all den Ereignissen in ihrer knapp zweijährigen Amtszeit bei Rapid jemals die Frage gestellt, warum Sie sich den Job überhaupt antun?

Bickel: Ich habe es bis heute keine Sekunde bereut, bei Rapid zu sein. Aber natürlich hinterfrage ich mich, wieso ich es nicht schaffe, dass zum Beispiel solche Dinge wie Hartberg nicht mehr passieren. Irgendwann muss man sich vielleicht eingestehen, dass man eventuell zu wenig Kraft hat und es nicht hinbringt. Wenn ich zu dieser Erkenntnis komme, bin ich der erste, der die Reißleine zieht.

Frage: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wann soll die Entscheidung über eine mögliche Verlängerung fallen?

Bickel: Je schneller, desto besser - für alle Seiten. Bis jetzt war aber noch nicht die Zeit dafür. Ich will auf jeden Fall nicht wo arbeiten, wo ich nicht um Titel spielen kann. Wenn ich es nicht schaffe, Rapid dorthin zu bringen, und ich habe dieses Gefühl, es nicht zu schaffen, auch in zwei, drei Monaten, dann bringt es mir und Rapid nichts, wenn ich bleibe.

Frage: Sie betonen regelmäßig, sich selbst zu hinterfragen und eigene Fehler zu analysieren. War es ein Fehler, im Sommer der Europa League die höchste Priorität einzuräumen?

Wenn sie 'Gogo raus' rufen, sollen sie das machen, es gibt das Recht der freien Meinungsäußerung. Aber sie müssen sich bewusst sein, was sie damit auslösen. Irgendwo wird so ein Feuer entzündet, das sich schnell zu einem Brand ausweitet - und keiner von uns allen arbeitet gut und gerne in einem negativen Umfeld.

Bickel über die Fans

Bickel: Nein, ich stehe nach wie vor dazu und es wurde auch von allen im Verein mitgetragen. Ich habe aber unterschätzt, dass wir in der Meisterschaft - auch wegen Verletzungen - so in Rücklage kommen können. Außerdem habe ich bei Sommer-Transfers zu sehr außer Acht gelassen, dass wir drei Spieler mit kaum Spielpraxis (Anm.: Christoph Knasmüllner, Andrei Ivan, Andrija Pavlovic) geholt haben. Ich bin nach wie von ihnen überzeugt, sie bringen mehr Qualität mit, als sich Rapid eigentlich leisten kann, aber sie hätten Eingewöhnungszeit gebraucht. Und dann muss ich mich fragen: Du hast die richtigen Spieler geholt, aber waren es die richtigen Spieler zum richtigen Zeitpunkt? Vielleicht hätten es mehr Spieler sein sollen, die keine Anlaufzeit benötigen.

Frage: Ist das eine Rechtfertigung dafür, dass bei Ihrem durch das Klub-Logo erkennbaren Auto die Reifen aufgestochen wurden?

Bickel: Natürlich nicht, aber ich weiß nicht einmal, ob das Fans waren und wenn ja, von welchem Verein. Ich mag und will das gar nicht beurteilen. Ich beschönige nichts, doch man muss auch kein Riesendrama daraus machen. Ich hätte es auch nie öffentlich gemacht, es hat mich sogar unglaublich genervt, dass es intern rausgekommen ist.

Frage: Wie bewerten Sie generell die Fan-Thematik bei Rapid?

Bickel: Ich will dieses Thema mit den Ereignissen bei mir nicht in einen Zusammenhang bringen, das wäre nicht fair. Es gibt bei der organisierten Fanszene viele unheimlich gute Dinge, die Dialoge, die ich mit ihnen führe, sind respektvoll und in gutem Ton. Was aber für mich schon zu diskutieren ist, ist die Tatsache, dass sie zuletzt - meiner Meinung nach unbewusst - einen großen Druck im Sinne von großer negativer Energie auf die Mannschaft ausgeübt haben. Wenn sie 'Gogo raus' rufen, sollen sie das machen, es gibt das Recht der freien Meinungsäußerung. Aber sie müssen sich bewusst sein, was sie damit auslösen. Irgendwo wird so ein Feuer entzündet, das sich schnell zu einem Brand ausweitet - und keiner von uns allen arbeitet gut und gerne in einem negativen Umfeld.

 

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