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Peter Pacult: "Bei Rapid & Austria fehlt Qualität"

Pacult zeigt Fehler seiner Ex-Klubs auf. Stöger kann helfen, Kühbauer der Richtige.

Peter Pacult: Foto: © GEPA

Peter Pacult ist ein Wiener durch und durch.

Die Bedeutung des Wiener Derbys als absolutes Saison-Highlight lässt er sich auch heute nicht kleinreden: "Das ist noch immer so. Das Wiener Derby ist einfach das Wiener Derby."

Nur wenige kennen sowohl die Rapid- als auch die Austria-Seite besser als der 59-Jährige (Austria-Rapid, So., ab 17 Uhr im LIVE-Ticker). Bei beiden Klubs war der Floridsdorfer als Spieler aktiv, mit den Hütteldorfern holte er 2008 als Trainer sogar den bisher letzten Meistertitel.

Die aktuellen Probleme der beiden Rivalen führt Pacult auf Entscheidungen der letzten Jahre zurück. Vor allem in der Kaderplanung und bei den Nachwirkungen des Stadionbaus sieht er den Hund sprichwörtlich begraben.

Im großen LAOLA1-Derby-Interview spricht der nunmehrige Trainer schonungslos über Fehler bei Rapid und Austria, fehlende Qualität, Hierarchie und Spielertypen, warum Peter Stöger der Austria helfen wird, warum Didi Kühbauer der Richtige für Rapid ist, warum er irrsinnig gerne mit Steffen Hofmann zusammengearbeitet hat und warum eine Aussage Markus Kraetschmer im Nachhinein auf den Kopf gefallen ist.

LAOLA1: Würde Rapid oder Austria in der aktuellen Situation ein Trainer Peter Pacult gut tun?

Peter Pacult: Diese Frage lassen wir lieber aus (lacht).

LAOLA1: Du kennst beide Klubs sehr gut, hast bei beiden eine Vergangenheit. Musst du doch manchmal den Kopf schütteln, wenn du siehst wie Rapid und Austria dastehen?

Pacult: Man muss bei beiden Vereinen die letzten drei, vier Jahre hernehmen. Sicherlich haben beide Vereine tolle Stadien gebaut, beide Vereine haben wirklich wirtschaftlich und infrastrukturell etwas getan. Aber ich kenne es aus meiner Deutschland-Zeit und könnte Namen vieler Klubs aufzählen, die auch mit Stadionumbau, usw. angefangen haben und dann sportlich in Probleme gekommen sind. Das hat natürlich auch ein wenig damit zu tun, dass man dadurch wirtschaftlich den Gürtel ein bisschen enger schnallen muss. Aber trotz allem sind bei beiden Vereinen vor allem in der Kaderplanung Dinge passiert in den letzten Jahren, die ihnen momentan einfach wehtun. Da liegt eigentlich der Hund begraben. Die Trainer können noch so gut arbeiten, wenn die Qualität der Spieler fehlt. Wenn ich das LASK-Spiel hernehme von Rapid: Da hast du den kleinen Unterschied gemerkt, dass der LASK eine sehr eingespielte Mannschaft ist – mit einem Plan, den sie seit vier Jahren durchziehen und sich eigentlich immer nur punktuell verstärkt haben. Gerade die Legionäre, die helfen sollten, waren nicht jene Verstärkungen, die man sich erhofft hat. Bei der Austria waren das früher ein Blanchard, Acimovic oder Jun, bei Rapid ein Heikkinen, Boskovic, Tokic oder Jelavic. Das waren Spieler, die dem Verein geholfen haben und über andere Spieler zu stellen waren. Das ist momentan vielleicht das Problem.

"Aber trotz allem sind bei beiden Vereinen vor allem in der Kaderplanung Dinge passiert in den letzten Jahren, die ihnen momentan einfach wehtun. Da liegt eigentlich der Hund begraben. Die Trainer können noch so gut arbeiten, wenn die Qualität der Spieler fehlt."

Pacult vermisst Qualität bei Rapid und Austria

LAOLA1: Du warst 2008 Rapids letzter Meistertrainer. Wo ortest du nun das Hauptproblem? Das kann ja aktuell nicht der Anspruch von Rapid sein.

Pacult: Nein, aber ich hätte auch noch einmal die Meisterschaft gewinnen können, das ist mir auch verwehrt geblieben. Ich glaube, dass bei beiden Vereinen die Probleme in der Kaderplanung liegen, die momentan die Trainer ausbaden müssen.

LAOLA1: Ist die Mannschaft für dich derzeit Rapid-würdig? Siehst du Führungspersönlichkeiten und Typen, so wie du sie früher auch hattest?

Pacult: Ich kann nur von meiner Zeit als Spieler bei Rapid und als Trainer reden. Als Spieler waren Typen wie Krankl, Panenka, Weber, Feurer – die haben dich als relativ Jungen aufgefangen. Da war die Hierarchie ganz klar da. In der Trainertätigkeit hatte ich einen Steffen Hofmann, Mario Tokic, Martin Hiden, Branko Boskovic, welche die Jungen aufgefangen haben plus die Einheimischen wie ein Markus Katzer, der enorm wichtig war. Vielleicht der für mich sogar viel zu viel unterschätzt worden ist. Stefan Maierhofer hat sein Ding gemacht, Erwin Hoffer, Veli Kavlak, Ümit Korkmaz – die sind mit den gestandenen Spielern gewachsen. Im Moment ist es halt so, dass bei beiden Vereinen wenige Spieler da sind, die andere auffangen.

LAOLA1: Ist Didi Kühbauer für dich derzeit der richtige Trainer für Rapid und dieses Team?

Pacult: Ja, Didi weiß, wie Rapid funktioniert. Zoki weiß, wie Rapid funktioniert. Also das ist schon in Ordnung.

LAOLA1: Ist diese Rapid-DNA aus deiner Sicht so wichtig?

Pacult: Ich glaube schon. Du musst einfach wissen, wie dieser Verein tickt. Man sieht es auch an den Trainern, die bei beiden Vereinen gekommen sind. Viele hatten auf einmal Schwierigkeiten, obwohl sie bei anderen Teams erfolgreich gearbeitet haben. Aber bei diesen Großklubs kommen viele Dinge dazu, mit denen du im Vorhinein noch nie konfrontiert worden bist, plus die Arbeit, die du auch noch erfolgreich machen musst. Das ist natürlich nicht einfach zu verbinden. Das hat mir auch damals sehr geholfen -, dass ich bei dem Verein gespielt habe, ich im Ausland gespielt habe, schon in der deutschen Bundesliga trainiert habe, schon einen Traditionsverein mit 1860 München, wo du auch permanent, jeden Tag im Fokus bist. Da wird jedes Wort notiert – es wäre ja heute noch ärger. Mit dieser Erfahrung hast du es dann vielleicht ein bisschen leichter, weil du weißt, was auf dich zukommt. Dann musst du aber dementsprechend auch sportlich liefern.

LAOLA1: Also bist du der Meinung, dass man sich mit Personalentscheidungen selbst ins eigene Fleisch geschnitten hat? Bei Rapid gab es mehrere Trainerwechsel, der Präsident bestimmte den Sportdirektor noch vor dem Trainer, usw.

Pacult: In erster Linie kommt es drauf an, was der Trainer an Spielerpersonal will. Ist das machbar, wie harmonieren Trainer und Sportdirektor. Ali Hörtnagl und ich waren auch nicht immer einer Meinung – das weiß man, das ist ja kein Geheimnis. Aber im Endeffekt haben wir sehr viel richtig gemacht. Auch wenn es hart klingt und es viele nicht verstehen wollen: Es sind zwei wichtige Personen im Verein, das ist der Präsident und der Trainer. Der Präsident muss schon, dass du wirtschaftlich gut dastehst und der Trainer ist fürs Sportliche zuständig. Wenn es sportlich klappt, klappt alles andere auch. Ich weiß, dass das ein harter Satz ist und man damit vielen vielleicht auf die Zehen steigt. Aber es ist wirklich so. Wenn es sportlich nicht läuft, gibt es gleich Unruhe. Läuft es wirtschaftlich nicht, hat man auch Probleme. Wenn das aber beides funktioniert, kann man Erfolg auch haben.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Es sind noch immer Rapid und Austria. Die Austria hat es knapp geschafft, Rapid hat die Top 6 verpasst. Darf das solchen Klubs mit so einem Budget überhaupt passieren?

Pacult: Darf nicht passieren, aber ich habe damals Rapid 2006 auch übernommen, ich bin im September gekommen und wir haben auch auf Platz 8 überwintert. So ehrlich muss man auch sein. Aber man kann halt dann in der Vorbereitung schon sehr viel machen. Es ist immer schwer für einen Trainer mitten in der Saison bei einem Verein einzusteigen, weil dir taktisch und konditionell die Hände gebunden sind, du musst die Mannschaft erst kennenlernen, damit  du merkst, was läuft. Ich denke, dass ich das damals realistisch eingeschätzt und auch danach gehandelt habe. Aber es muss dann irgendwann positiv was weitergehen. Wenn ich bedenke, dass ich Rapid 2006 übernommen habe und ab 2007 jedes Mal auf einen europäischen Platz gebracht habe, dann hat man gesehen, dass eine gewisse Handschrift vorhanden war. Und nicht mit „Der war ein Peitschenknaller“ oder „Der ist streng“, sondern mit dementsprechendem Fußball, den Rapid gespielt hat.

LAOLA1: Wie kommt Rapid also aus dieser Krise? Mit Konstanz, Entwicklung und der nötigen Zeit, jemanden arbeiten zu lassen?

Pacult: Selbstverständlich, man muss Didi oder jeden Trainer einfach in Ruhe arbeiten lassen. Am Samstag habe ich beim Rapid-Match mit Jürgen Werner vom LASK gesprochen, auch der wurde 2016 angegriffen, weil der LASK mit Oliver Glasner nicht aufgestiegen ist. Aber Werner hat damals gesagt: Nein, Glasner ist unser Trainer und heute ist er nach toller Arbeit in der deutschen Bundesliga bei Wolfsburg. Man braucht das gewisse Vertrauen. Natürlich ist das bei einem Spitzenklub wie Rapid, der unumstritten die Nummer 1 vom Fan-Potenzial und Bekanntheitsgrad her ist, ein bisschen schwieriger.

LAOLA1: Bei der Austria läuft es nicht viel besser. Wo siehst du da die groben Probleme? Es gibt ja doch Unterschiede in der Vereinsphilosophie.

Pacult: Ja, aber wie gesagt: Ich kann mich noch an das Interview von Herrn Kraetschmer erinnern, wo er gesagt hat, dass sie nicht denselben Fehler machen werden, wie der Verein aus dem Westen Wiens. Ich glaube, dieser Satz war nicht gut getroffen. Ich glaube, dass die Austria im Moment mehr Probleme hat als Rapid – auch durch dieses neue Stadion. Auf andere hinhauen ist immer leichter, als es bei sich selbst zu korrigieren. Auch hier ist in der Kaderplanung der letzten Jahre einiges schief gelaufen. Sie sind von der Qualität in die Quantität gekommen und aus dem Strudel kommt man im Moment nicht raus.

LAOLA1: Mit Christian Ilzer hat der FAK einen neuen Trainer, der beim WAC Wunderdinge vollbracht hat. Bei der Austria wird er sofort wieder hinterfragt.

Pacult: Er war ja auch Co-Trainer beim WAC, hat dann Hartberg übernommen und ist sensationell aufgestiegen mit einer tollen Arbeit. Den WAC hat er auf Rang 3 geführt und jetzt kommt für einen Trainer der nächste Schritt. Die Austria ist eben ein anderer Klub, da funktioniert halt alles anders. Ich glaube, dass die Spieler bei kleineren Klubs dir schon mehr abkaufen als bei Rapid oder Austria. Seine Philosophie, die bei Hartberg und WAC gut verstanden worden ist, hat er da noch nicht richtig reinbringen können. Vielleicht ist das Vertrauen zwischen Spielern und Trainer noch nicht da. Da wird halt daran gearbeitet. Ich habe Ilzers Interview gelesen, dass die Körpersprache im Spiel schon eine andere war. Er geht auch sehr positiv in diese Sache hinein.

"Peter Stöger kann sehr viel bewirken, weil er aufgrund seiner ruhigen Art, wie er mit Spielern reden kann, Dinge angeht und sportlich etwas herauslesen kann, absolut helfen wird. Natürlich: Umsetzen müssen es die Spieler, da hilft kein Sportdirektor und kein Präsident."

Pacult traut Stöger die Trendwende zu

LAOLA1: Gleiche Frage wie bei Rapid: Siehst du bei der Austria Leader-Typen, die vorangehen oder ist das ähnlich?

Pacult: Es gibt sicher Führungspersönlichkeiten, nur muss sich das von alleine ergeben – von der Leistung, von der Art her. Steffen Hofmann zum Beispiel war sicher nicht der Lautsprecher in der Mannschaft, da hat es andere gegeben. Aber er war unumstritten der Chef – ohne zu reden. Das gibt es auch. Steffen ist absolut über die Leistung, über sein Standing gekommen, von seiner Körpersprache und seinem Spielverhalten her. Das war für mich ein Spieler, mit dem ich irrsinnig gerne gearbeitet habe. Wie sich der gepusht hat und von Jahr zu Jahr steigern konnte – er war eine absolute Persönlichkeit.

LAOLA1: Was kann die Rückkehr von Peter Stöger deiner Meinung nach bewirken?

Pacult: Sehr viel, weil er aufgrund seiner ruhigen Art, wie er mit Spielern reden kann, Dinge angeht und sportlich etwas herauslesen kann, absolut helfen wird. Natürlich: Umsetzen müssen es die Spieler, da hilft kein Sportdirektor und kein Präsident.

LAOLA1: Hat es dich gewundert, dass sich Stöger das in der aktuellen Situation „antut“, bei dem Ruf, den er noch als erfolgreicher Trainer der letzten Jahre genießt?

Pacult: Für mich war es jetzt keine Überraschung, man hat ja gewusst, dass er ein Austria-Kind ist. Er ist als Spieler dort sehr erfolgreich gewesen, auch als Trainer. Aber wenn Peter etwas angeht, dann macht er das, weil er eine klare Vorstellung hat und diese umsetzen kann und darf. Das wird er sich mit der Austria ausgemacht haben – das dauert aber.

LAOLA1: Früher war das Derby das Highlight jeden Jahres, das Beste, was es in Österreich gibt. Hat sich deine Sichtweise auf Rapid gegen Austria seither verändert?

Pacult: Das ist noch immer so. Das Wiener Derby ist einfach das Wiener Derby. Das hat es schon vor 50 Jahren gegeben, dass vielleicht mal beide Vereine nicht an der Spitze waren oder irgendwo herumgekrebst sind. Auch in den 80er Jahren hat es solche Zeiten gegeben. Sie bleiben Großklubs, auch wenn es in der Tabelle derzeit nicht so ausschaut, Red Bull der absolute Marktführer ist und auch der LASK hat ihnen den Rang abgelaufen. Hervorragend, was da in den letzten Jahren passiert ist. Aber es ist immer leichter eine Leiter hochzusteigen als wie Rapid und Austria über Jahrzehnte die Position zu halten. Das ist natürlich schon ein bisschen schwieriger als zwischendurch zu verschwinden, irgendwann wieder aufzusteigen und ein paar Stufen hinaufzuklettern. Aber das gibt es immer wieder im Fußball. Wenn ich an Liverpool denke, sind sie vor ein paar Jahren immer im Mittelfeld herumgeschwommen und seit Jürgen Klopp läuft es positiv und sie sind Champions-League-Sieger. Du wirst bei Vereinen immer wieder Phasen haben, wo es nicht so gut läuft.

LAOLA1: Wer das Derby verliert, rutscht aber noch tiefer in die Krise…

Pacult: Ja, ich habe mir die Tabelle angeschaut. Wenn Rapid gewinnt, sind sie mal fünf Punkte vor der Austria. Gewinnt die Austria, fällt Rapid hinter die Austria zurück. Die Punkteanzahl ist auch nicht überragend. Alleine von diesem Status her ist es schon ein brisantes Duell. Aber natürlich hat dieses Derby immer Brisanz drin. Es ist auch ganz klar, dass bei beiden das Nervenkostüm derzeit nicht das allerbeste ist. Aber nur so kannst du ein guter Spieler werden, durch solche Dinge wachst und lernst du. Es kommt einfach auf die Mischung in einer Mannschaft an  - da sind bei beiden doch Dinge passiert, die nicht passieren hätten dürfen. Aber man kann sich immer wieder rausarbeiten.

LAOLA1: Wo siehst du also Rapid und Austria am Ende der Saison? Was sich LASK aufgebaut hat, wird man nicht in wenigen Monaten aufholen können.

Pacult: Mir geht dieses LASK-Trauma zu weit. Natürlich ist es positiv, aber man darf nicht vergessen, dass sie vor fünf Jahren noch in der dritten Liga waren. Sturm Graz war auch Cupsieger, Meister und in der Euro League – auch diesen Klub darf man nicht vergessen und kämpft mit ähnlichen Problemen wie Rapid und Austria. Aber das sind natürlich Klubs, die in den letzten zehn Jahren international immer dabei waren. Was jetzt beim LASK passiert, ist sehr positiv. Aber man sieht ja auch, was sich im Vergleich medienmäßig bei Rapid und Austria abspielt, weil auch negative Berichterstattung ist für einen Klub oft gut.

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