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Manfred Fischer: "Es war ziemlich leise in der Kabine"

Mit 18 Jahren saß er bei den Leoben-Amateuren auf der Bank. Im Herbst war er Austria-Kapitän. Bei LAOLA1 spricht Fischer über seinen Weg und seine Emotionen.

Manfred Fischer: Foto: © GEPA

Seit Manfred Fischer im Sommer 2021 vom SCR Altach zum FK Austria Wien gewechselt ist, stand er nur in zwei Spielen nicht in der Startelf.

Der 27-Jährige gilt als Musterprofi bei den Veilchen. Obwohl er im extrem intensiven Herbst jede Partie gemacht hat, hat er kein einziges Training ausgelassen. Außerdem ist der Steirer auch zum Sprachrohr der Mannschaft geworden. Er ist bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

"Mir ist komplett egal, wie ich bei den Leuten außerhalb des Vereins ankomme", sagt der Mittelfeldspieler im LAOLA1-Interview.

Fischer spricht über seinen ungewöhnlichen Weg von der Bank der Amateure des DSV Leoben zum Kapitän von Europacup-Starter Austria Wien, seine Rolle als Fingerklopfer für die FAK-Talente und seine Emotionen auf dem Platz.

LAOLA1: Du hast seit über zwei Wochen kein Match mehr gehabt. Wie geht’s dir damit?

Manfred Fischer: (lacht) Ungewohnt. Im Moment geht es mir nicht ab. Es ist gut, dass Pause ist. Die Kombination aus mentaler und körperlicher Belastung war am Schluss schon sehr hoch, das hat man auch an unseren Leistungen gesehen. Du musst die Spiele im Kopf ja auch verarbeiten. Hut ab vor den Top-Spielern, wie die das machen. Das sieht man oft nicht. Der Oktober war brutal. Das waren coole Erfahrungen, aber du denkst nur von Spiel zu Spiel. Mir war bewusst, dass das schwer wird. Mir war aber nicht bewusst, dass ich mich danach so leer fühle.

LAOLA1: Wie viele Stunden schläfst du am Tag?

Fischer: Derzeit sehr viel. Während der Herbstsaison habe ich in der Nacht rund acht Stunden geschlafen, untertags nochmal zwei bis drei Stunden. Wenn ich daheim war, habe ich in den ein, zwei Tagen nach dem Spiel meistens den ganzen Nachmittag verschlafen.

"Ich hatte in Altach eine Phase, in der ich mir eingebildet habe, dass ich alles umstellen muss. Ich habe auf glutenfreie Ernährung umgestellt, gar keine Süßigkeiten mehr gegessen."

LAOLA1: Du bist in deiner Karriere bisher fast ausnahmslos von Verletzungen verschont geblieben. Das hat auch damit zu tun, dass du vor allem am Anfang deiner Karriere viel in Sachen Ernährung probiert hast. Was ist dabei rausgekommen?

Fischer: Ernährung, Zusatztraining, Schlaf – man muss am Anfang der Karriere viel experimentieren und schauen, was für einen persönlich am besten funktioniert. Ich hatte in Altach eine Phase, in der ich mir eingebildet habe, dass ich alles umstellen muss. Ich habe auf glutenfreie Ernährung umgestellt, gar keine Süßigkeiten mehr gegessen. Genau in dieser Phase habe ich mir die bisher einzige Muskelverletzung zugezogen. Im Nachhinein denke ich mir: Wozu habe ich das gemacht? Ich habe für mich beschlossen: Ich gebe meinem Körper, was er verlangt. Ich ernähre mich sehr gesund, übertreibe es aber nicht.

LAOLA1: Seit du da bist, bist du für die Austria unverzichtbar.

Fischer: Das hört sich schön an, aber "unverzichtbar" gibt es im Fußball nicht. Jeder Fußballer ist austauschbar, der Fußball ist ein Tagesgeschäft. Ein Beispiel: Morgen kann ein neuer Trainer kommen, dem ich nicht in die Philosophie reinpasse.

LAOLA1: Hast du erwartet, dass es so läuft, als du im Sommer 2021 zur Austria gekommen bist?

Fischer: Meine Erwartungen sind komplett übertroffen worden. Ich habe bis auf das Cup-Spiel in Siegendorf jedes Pflichtspiel von Beginn an gespielt. Ich bin sehr stolz darauf. Ich wusste, dass ich gut bin, aber das habe ich mir selbst nicht zugetraut. Dass ich für diesen Verein als Kapitän auflaufen darf, werde ich mein ganzes Leben nie mehr vergessen.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Wie hast du dich als Fußballer verändert in diesen eineinhalb Jahren?

Fischer: Ich kann jede Position spielen. Es hat nicht viele Spiele gegeben, in denen ich nicht meine Leistung abgerufen habe. Ich bin als No-Name gekommen und bin jetzt Führungsspieler. Alle jungen Spieler, mit denen ich bisher hier gespielt habe, hatten viel mehr Talent als ich. Ich musste mir alles erarbeiten. Ich bin mit 18 Jahren bei den Amateuren des DSV Leoben auf der Bank gesessen. Ich bin dann über Kalsdorf in den Profi-Bereich gekommen, habe jedes Mal einen Entwicklungsschritt gemacht. Ich hoffe, diese Entwicklung ist noch lange nicht vorbei.

LAOLA1: Du hast in der U11 für Birkfeld in 14 Spielen 73 Tore geschossen. Sonderlich beliebt wirst du bei deinen Gegenspielern nicht gewesen sein.

Fischer: Ich glaube, du hast Recht. (lacht) Viele Leute, die damals gegen mich gespielt haben, werden sich denken: Der hat einen richtig coolen Weg gemacht. In Birkfeld hat alles begonnen. Ich war in keinem Nachwuchs-Nationalteam, war nie in der steirischen Auswahl. Es hat so viele größere Talente gegeben. Wenn ich denke, dass ich jetzt im Europacup Kapitän der Austria war – das kann ich später mal meinen Kinder erzählen. Die Kapitänsbinde: Das ist so viel Ehre für mich, ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke. Voranzugehen, für den Verein einstehen, das sind Attribute, die mich immer stark gemacht haben. Da sieht man, was alles möglich ist.

LAOLA1: Dein Teamkollege war damals Sven Sprangler. In der Birkfeld-U11 haben also gemeinsam zwei kommende Bundesliga-Spieler gekickt. War es zu diesem Zeitpunkt für dich ein Thema, Fußball-Profi zu werden?

Fischer: Meine Oma hat eine Langlauf-Loipe in St. Jakob im Walde. Ich war ein Riesentalent im Langlauf, war im Kader der steirischen Auswahl. Irgendwann musste ich mich entscheiden. Ich glaube, ich habe mich richtig entschieden. Ich habe aber nie gesagt: Ich muss unbedingt Fußball-Profi werden. Den Druck, den viele Eltern den jungen Spielern heutzutage machen, hatte ich nie. Aber sie haben mich immer gefördert. Ich habe selbst bei meiner ersten Profi-Station in Wiener Neustadt nie gedacht: Ich bin Fußball-Profi. Mir hat das nicht gereicht. Unter Christian Ilzer in Hartberg habe ich dann erst richtig gelernt, was man als Fußball-Profi tun muss. Diese Station hat mir die Augen geöffnet.

"Ich wäre froh gewesen, hätte ich Markus Suttner schon als junger Spieler kennengelernt"

LAOLA1: Deine Familie hat einen Bauernhof.

Fischer: Bei der Langlaufloipe gibt es in St. Jakob im Walde den Gasthof Orthofer, den meine Großeltern aufgebaut haben. Dort gibt es auch einen Bauernhof – mit Schweinen und Pferden. Der Gasthof ist auch eine Pension, dort können Familien aus der Stadt Urlaub machen und mit den Tieren Spaß haben. Meine Tante hat das übernommen, meine Mutter ist Chefköchin. Ein Familienbetrieb. Wenn ich oben bin und die Oma um Hilfe bittet, erbarme ich mich und wasche ein paar Teller ab. (grinst)

LAOLA1: Wien muss ein Kulturschock für dich gewesen sein.

Fischer: Ich war vorher in Altach, da bist du innerhalb von einer Minute durch den ganzen Ort. Ich lebe am Rande Wiens, bewusst außerhalb, weil ich kein Stadtmensch bin. Am Anfang war es schon ein Kulturschock. Ich habe mich überhaupt nicht ausgekannt, bin ein Jahr lang mit dem Navi herumgefahren. Inzwischen geht’s.

LAOLA1: Taugt dir die Anonymität nicht?

Fischer: Oja, ich schätze das sehr. Durch meine Interviews scheint das vielleicht anders, aber ich will nicht immer im Rampenlicht stehen.

LAOLA1: Du warst zuletzt bei einem Fan-Stammtisch, wo du sicher positives Feedback bekommen hast. Ist das nicht schmeichelhaft?

Fischer: Das tut richtig gut. Aber irgendwann reicht es mir dann mit dem Honig ums Maul. Eine Stunde ist das schön, dann reicht es wieder.

LAOLA1: Hast du im Sommer, als Markus Suttner und Alexander Grünwald ihre Karrieren beendet haben, gemerkt, dass da in der Hierarchie eine Lücke entsteht, in die du rein musst?

Fischer: Als die Sommervorbereitung angefangen hat, habe ich mir gedacht: Puh, da ist es ziemlich leise in der Kabine, da redet keiner. Bis dahin war mir das noch gar nicht so bewusst, was die beiden für eine Riesenlücke hinterlassen haben. Sie haben vorgelebt, was es heißt, Austrianer zu sein. Es hat dann auch eine Zeit gedauert, bis James Holland als Routinier und Rückkehrer seine Rolle innerhalb des Teams gefunden hat. Ich habe gemerkt, dass ich mehr tun muss, dass ich gemeinsam mit Lukas Mühl die Truppe übernehmen muss.

LAOLA1: Gibt es abgesehen von Suttner und Grünwald einen Spieler, von dem du dir in dieser Hinsicht etwas abgeschaut hast?

Fischer: Andreas Schicker bei Wiener Neustadt. Bei dem Typ habe ich mir gedacht: Cool, so möchte ich auch mal werden! Immer positiv, gut mit den Menschen umgegangen, vorangegangen. Suttner muss ich nochmal erwähnen. Der hat jeden Tag eingefordert, dass 100 Prozent gegeben werden. Ich wäre froh gewesen, hätte ich ihn schon als junger Spieler kennengelernt.

LAOLA1: Nervst du die Jungen hin und wieder?

Fischer: Täglich! Es gehört dazu, den Jungen auf die Finger zu hauen. Ich weiß, wie ich selbst war. Ich wäre froh gewesen, hätte mir da jemand ein paar Mal öfter auf die Finger gehaut. Ich habe sicher ein gutes Standing bei den Jungen, aber ich glaube nicht, dass sie heimgehen und sagen: Der Fischer Mandi ist mein bester Freund. (lacht)

Foto: © GEPA

LAOLA1: Wieviel Emotion braucht es auf einem Fußballplatz?

Fischer: Ab und zu wünsche ich mir, weniger emotional zu sein. Aber das gehört einfach zu mir. Ich lasse meine Emotionen genauso am Platz, wie ich sie spüre.

LAOLA1: Thierry Henry hat mal gesagt, er braucht Wut am Platz, um gute Leistungen zu bringen.

Fischer: Das sehe ich ähnlich. Wut treibt mich noch mehr an. Wenn ich eine Situation nicht gut hinkriege, ärgert mich das so, dass ich in der nächsten Situation viel besser bin, vielleicht auch aggressiver in den Zweikampf gehe.

LAOLA1: Trotzdem kannst du deine Aggression gut kanalisieren. Du bekommst als Profi im Schnitt jede siebente Partie Gelb, bist noch nie ausgeschlossen worden.

Fischer: Ich bin vom Spielstil ja kein Gennaro Gattuso, der durch die Leute durchfährt. Ich ärgere mich oft, auch über Schiedsrichter. Wenn ich aber merke, dass ich gefährdet bin, halte ich mich zurück.

LAOLA1: Du hast vorher deine Interviews schon angesprochen. Fährst du hin und wieder nach einem Match heim und denkst dir, es wäre besser gewesen, du hättest den Mund gehalten?

Fischer: Das habe ich mir noch nie gedacht. Ich habe schon Sachen gesagt, wo ich mir im Nachhinein denke, dass ich aufpassen muss, was ich sage. Aber grundsätzlich stehe ich zu 100 Prozent zu meinen Aussagen. Auch, wenn sie manchmal weh tun.

LAOLA1: Ich denke, die Menschen schätzen das auch an dir, dass du offen und ehrlich deine Meinung sagst und dich nicht in Floskeln flüchtest.

Fischer: In meiner ersten Bundesliga-Saison in Altach habe ich mir am Anfang ein paar Kommentare von Kollegen durchgelesen. "Wir wollen immer 100 Prozent am Platz lassen" und andere typische Floskeln. Aber die Leute haben sich Woche für Woche aufgeregt, weil wir 90 Prozent der Spiele verloren haben. Ich habe mir gedacht: "Du redest eigentlich den gleichen Blödsinn, schaust dir das von deinen Mitspielern Eins-zu Eins ab, das kann es doch nicht sein! Sag mal, wie es wirklich ist." Dann habe ich damit angefangen und gutes Feedback bekommen. Es geht darum, authentisch zu sein. Mir ist komplett egal, wie ich bei den Leuten außerhalb des Vereins ankomme. Mir ist wichtig, dass ich zu mir stehe, dass ich mich nicht verstelle.

LAOLA1: Spielt es in diesem Zusammenhang eine Rolle, dass du nicht den klassischen Fußballer-Werdegang hinter dir hast, kein Akademie-Spieler mit Medien-Trainings bist?

Fischer: Ja. Du wirst immer mehr darauf gedrillt, das zu sagen, was den Leuten gefällt. Viele junge Spieler, die aus dieser Blase kommen, sind in dieser Hinsicht anders. Die reden zu 90 Prozent immer das Gleiche.

LAOLA1: Liest du Zeitungen, Berichte im Internet, Foren?

Fischer: Am Anfang meiner Karriere habe ich das getan und mir viel zu viele Gedanken gemacht. Nach einem Kommentar gegen mich habe ich mir eingeredet, dass ich eine Scheiß-Leistung geboten habe, habe mich selbst hinterfragt. Ich war mental noch nicht so stark, mich hat das belastet. Jetzt mache ich das nicht mehr. Es ist das Recht der Menschen, Spieler zu bewerten, das will ich niemandem nehmen. Aber ich weiß, wem ich vertrauen kann, wer eine realistische Einschätzung zu meiner Leistung eingeben kann. Ich würde jungen Spielern raten, sich diese Dinge nicht durchzulesen. Das bringt euch nicht weiter!

LAOLA1: Wie hat sich deine Sicht auf den Verein Austria Wien in den letzten eineinhalb Jahren verändert?

Fischer: Als ich gekommen bin, waren brutale Unruhen im Verein. Ich habe mich gegen das Ausland und für die Austria entschieden. Nachdem die erste Euphorie nach meiner Unterschrift weg war, habe ich mich schon gefragt, ob das das Richtige war. Jetzt kann ich sagen: Ja, das war es! Die Entwicklung des Vereins passt genau zu meiner Geschichte. Der Verein war am Boden, so wie ich damals bei den Leoben-Amateuren. Durch ständige Arbeit und Weiterentwicklung, immer Gas geben, haben sich Verein und Mannschaft weiterentwickelt, die Außendarstellung ist besser geworden. Immer mehr Leute wollten das Team spielen sehen. Ich bin dem Verein unglaublich dankbar und sehr stolz auf die Entwicklung in dieser Zeit.

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