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"Es darf für den Cheftrainer keine Ausreden geben"

Austrias Akademie-Leiter Ralf Muhr über Letsch, Goalgetter und Red Bull.

Die Anzahl der Eigenbauspieler, die in dieser Saison bei den Profis der Wiener Austria im Einsatz waren, ist durchaus beachtlich. Nicht weniger als 13 Kicker waren es schon.

Das freut freilich auch Ralf Muhr, den Akademie-Leiter der Veilchen. "Es reicht nicht, zu sagen, dass uns Nachwuchsarbeit wichtig ist, und wir setzen die Spieler dann nicht ein", hält er fest.

Der 47-Jährige verrät im LAOLA1-Interview, wer die nächsten Talente sind, die den Sprung schaffen können, was sich durch die Ankunft von Thomas Letsch geändert hat, warum es so schwierig ist, Goalgetter zu produzieren und was er von einer durchgängigen Spielphilosophie hält.

Zudem spricht der Wiener über die Konkurrenz zu Red Bull und die Internationalisierung des FAK.

LAOLA1: Die Amateure sind Vierter, die U18 ist es ebenfalls, die U16 ist Zweiter und die U15 liegt auf Rang acht. Wie zufrieden sind Sie mit dem Status quo?

Ralf Muhr: Ich würde es nicht am Tabellarischen festmachen. Es geht um die Entwicklung von Spielern für den Profi-Bereich. Wenn da gute Arbeit geleistet wird, schlägt sich das auch in Resultaten nieder. Grundsätzlich können wir aktuell zufrieden sein, was den Output an Spielern für die Profis betrifft. Und auch mit der Performance der Amateure können wir zufrieden sein.

LAOLA1: Wie entscheidend ist es, mit den Amateuren von Anfang an in der neuen zweiten Liga dabei zu sein?

Muhr: Die Amateure sollen – ligaunabhängig – das Flaggschiff der Ausbildung sein. In dieser Mannschaft passiert der erste Step in den Erwachsenenbereich. Selbstredend wäre es für hochtalentierte Spieler leichter, wenn sie da in der zweiten Liga spielen könnten. Wenngleich die Regionalliga Ost schon ein gutes Sprungbrett ist. Aber wir haben auch die Vergangenheit im Kopf: Damals haben Spieler wie Andreas Ulmer, Rubin Okotie, Tomas Simkovic, Markus Suttner, Aleksandar Dragovic, David Alaba, Alexander Grünwald, und so weiter in der Ersten Liga einen sehr entscheidenden Schritt in ihrer Karriere-Entwicklung genommen.

"Ich habe das Gefühl, er merkt, dass er auf die Ausbildung hier setzen kann"

Muhr über Wohlfahrt

LAOLA1: Unter den zehn Spielern mit den meisten Pflichtspielminuten in dieser Saison sind bei den Profis mit Dominik Prokop, Tarkan Serbest, Patrick Pentz, Ismael Tajouri (Anm.: Mittlerweile bei New York City) und Thomas Salamon fünf Eigenbauspieler. Ist das zufriedenstellend?

Muhr: Ja, aber es könnte immer mehr sein. Dafür ist aber die Qualität der Spieler Voraussetzung, damit der Trainer auf sie vertraut. Nehmen wir Prokop: Er ist ein sehr wichtiger Bestandteil in der ersten Mannschaft. Es kommen Alexandar Borkovic und Vesel Demaku, der nicht aus unserem Nachwuchs stammt, aber sehr jung geholt wurde, nach. Wir verlassen uns nicht auf Spieler, die vor zehn Jahren bei uns im Nachwuchs waren, es geht darum, aktuell immer wieder Spieler zu den Profis zu bringen.

LAOLA1: In der laufenden Saison waren 13 Eigenbauspieler bei den Profis im Einsatz. Wie sehr profitiert der Nachwuchs auch von Verletzungsproblemen?

Muhr: Natürlich profitieren die Jungs auch davon. Aber du musst als junger Spieler immer bereit sein. Das Wichtigste für eine funktionierende Nachwuchsabteilung ist, dass solche Spieler dann auch gut performen. Das ist ein Zeichen für alle anderen Spieler, das sich die Mühsal und die harte tägliche Arbeit in der Ausbildung lohnen. Das ist die sichtbarste Perspektive für unsere Jungen. Es reicht nicht, zu sagen, dass uns Nachwuchsarbeit wichtig ist, und wir setzen die Spieler dann nicht ein.

LAOLA1: Seit etwas mehr als drei Jahren ist Franz Wohlfahrt als Sportdirektor im Amt. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Muhr: Wir sind ständig im Austausch. Er ist einer, der auf die Menschen zugeht. Ich habe das Gefühl, er merkt, dass er auf die Ausbildung hier setzen kann.

Neo-Chefcoach Thomas Letsch
Foto: © GEPA

LAOLA1: Jahrelang war Thorsten Fink Cheftrainer der Profis, jetzt ist Thomas Letsch da, der eine andere Philosophie, einen anderen Zugang hat. Was hat sich dadurch für den Nachwuchs geändert?

Muhr: Sprachlich ändert sich nicht viel (grinst). Inhaltlich legt jeder Trainer auf andere Dinge wert. Letsch setzt auf Dynamik, Laufbereitschaft und Intensität. Da ist es naheliegend, den Fokus auf junge Spieler zu legen. Ich kenne Letsch ja schon länger durch seine Arbeit bei Red Bull, es gibt einen problemlosen, sehr offenen Austausch. Das war aber auch bei Fink so, wenngleich er andere Parameter an ein Spielerprofil gelegt hat, da war es nicht so einfach für junge Spieler, sich darin gleich zu finden.

LAOLA1: Ändert sich in der täglichen Arbeit etwas? Wird anders trainiert? Ändert sich die Spielanlage, weil bei den Profis jetzt ein anderer Fußball gespielt wird?

Muhr: Nein, so kann man das nicht sagen. Wir wollen Spieler für den Profifußball vorbereiten. Da muss man in der Ausbildung ein sehr breit gefächertes Spektrum anbieten. Man muss Spieler so breit und flexibel positionieren und anbieten, dass es für einen Cheftrainer keine Ausreden gibt. Es wäre der größte Fehler, wenn sich ein Verein den Ideen des jeweiligen Cheftrainers mit Haut und Haaren ausliefern würde. Das könnte zu einem Desaster für die Ausbildung werden, wenn man sich zu sehr einengen lässt.

LAOLA1: Eine durchgängige Spielphilosophie macht also keinen Sinn?

Antwort im Video:

LAOLA1: Die Austria hat in Sachen Transfers zuletzt auf Internationalisierung wert gelegt, es sind Spieler aus aller Herren Länder gekommen. Spielt das auch für die Akademie eine Rolle?

Muhr: Das ist Chance und Herausforderung zugleich. Meistens sind das Spieler, die noch im Akademiebereich spielberechtigt, aber schon bei den Amateuren sind. Es ist viel schwerer, einen Spieler aus Uruguay zu integrieren als einen, den ich von der Vienna hole. Es ist aber auch für unsere Spieler und Trainer wichtig, zu sehen, an welchen Stärken, die diese Spieler mitbringen, die bei uns aber vielleicht nicht so gefragt sind, sie sich orientieren können. Es ist ein spannendes, zukunftsträchtiges, neues Feld.

"Wir haben schon ganz klar die Philosophie, das wir den Großteil der Spieler, die bei uns im Nachwuchs schon ausgebildet werden, in die Akademie bringen wollen"

LAOLA1: Ist es ein Thema, internationale Spieler auch schon jünger, beispielsweise im Alter von 16 Jahren, zu verpflichten?

Muhr: Grundsätzlich wird man sich nie gegen besonders talentierte Spieler, egal woher sie kommen, wehren. Aber wir haben schon ganz klar die Philosophie, das wir den Großteil der Spieler, die bei uns im Nachwuchs schon ausgebildet werden, in die Akademie bringen wollen. Außerdem haben wir beim Eintritt in die Akademie, also die U15, drei, vier Plätze für Spieler aus anderen Bundesländern. Wir sehen uns grundsätzlich als Wiener Akademie. Die Zufuhr von externen Spielern sollte im Übergangsbereich passieren, wo man in der zweiten Mannschaft noch Zeit hat, Ausbildung zu betreiben.

LAOLA1: Sie haben bereits Dominik Prokop und Alexandar Borkovic angesprochen. Wer sind die nächsten Talente, auf die sich die Austria-Fans freuen dürfen?

Muhr: Dominik Fitz ist so ein Kandidat, der sehr gut das von mir vorher beschriebene Spiel verkörpert – technisch versierter, offensiver Fußball mit einer gewissen Schlitzohrigkeit. In den nächsten Jahrgängen sind dann Aleksandar Jukic, Niels Hahn, Can Keles, Pascal Macher, Luca Edelhofer, Esad Bejic, Josef Pross, Matthias Braunöder und Armand Smrcka zu nennen. Das ist ein Pool an sehr guten Spielern. Und es gibt noch einen viel, viel größeren Pool an Spielern, die diese eben erwähnten Spieler links oder rechts überholen können, wenn sie sich gut entwickeln.

LAOLA1: Was zeichnet Dominik Fitz aus?

Antwort im Video:

LAOLA1: Sascha Horvath, Prokop, Fitz – das sind sehr ähnliche Spielertypen, eher klein, körperlich nicht so robust, dafür dynamisch und technisch stark.

Muhr: Solche Spielertypen sind das Salz in der Fußball-Suppe. Das ist ein sichtbarer Beweis dafür, dass wir in der Ausbildung auf das Fußballerische Wert legen. Wir schauen weniger auf die athletischen Voraussetzungen, wobei da natürlich ein Mindestmaß auch gegeben sein muss. Uns geht es aber mehr um Spielfähigkeit, Spielfreude und Kreativität. Diese Unterschieds-Spieler zu suchen, sie zu entwickeln, sie noch besser zu machen und dann im Profi-Bereich zu integrieren, ist die spannendste Aufgabe.

LAOLA1: Von Niels Hahn hört man viel Gutes. Was können Sie über ihn erzählen?

Muhr: Er ist ein spielstarker, zentraler Mittelfeldspieler, der von seinem Umfeld her bestens aufgestellt ist. Ein bodenständiger, gewissenhafter Bursche, der trotz seiner 16 Jahren schon sehr professionell ist. Er befindet sich gerade in der Übergangsphase zum Erwachsenenbereich und meistert diesen Schritt extrem gut. Man darf nicht vergessen, dass das schon viel ist, was da auf einen 16-Jährigen einprasselt. Neben den täglichen Trainings und den Wettkämpfen bei Verein und Nationalteam kommt das Training in einer höheren Altersstufe bei den Amateuren dazu. Er hat viele Trainer und Ansprechpartner. Das alles unter einen Hut zu bringen und für sich selbst das herauszufiltern, was einem hilft, ist eine extreme Herausforderung.

LAOLA1: Rubin Okotie war vor fast zehn Jahren der letzte Spieler, der aus dem Austria-Nachwuchs zu den Profis gekommen ist und dort wirklich viele Tore erzielt hat. Warum ist es so schwierig, Torjäger zu entwickeln?

Muhr: Das Schwierigste im Fußball ist, Tore zu erzielen. Wir legen sehr viel Wert darauf, Goalgetter zu produzieren. Wir haben in der Akademie auch ein internes Ziel, wo wir definiert haben, wieviele Tore wir als Akademie mannschaftsübergreifend erzielen wollen. Wir hatten in der Ausbildung in letzter Zeit schon auch Topscorer. Alexander Frank ist jetzt bei den Amateuren, Arnel Jakupovic wurde auch Schützenkönig und ist jetzt bei Juventus, auch Luca Edelhofer war Torschützenkönig. Aber wenn es um den Schritt in den Erwachsenenbereich geht, ist es für einen Goalgetter sicher schwieriger, sich durchzusetzen als für einen zentralen Mittelfeldspieler oder einen Innenverteidiger. Dennoch muss in der Ausbildung klar sein, dass man es zulässt, dass die Goalgetter im täglichen Trainingsbetrieb ihre Stärken ausleben.

LAOLA1: Die Akademie von Red Bull ist derzeit das Nonplusultra im österreichischen Nachwuchs, wurde zuletzt praktisch in jeder Altersstufe immer Meister. Wie schwierig ist es, da als konkurrierende Akademie mitzukommen, auch die finanziellen Mittel betreffend?

Muhr: Finanziell kann man nicht mitkommen. Ich bin extrem froh, dass es so eine Akademie gibt, weil die direkten Duelle ein Gradmesser sind. Wir sind sicher eine der Akademien, gegen die Red Bull immer an die Leistungsgrenze gehen muss, was wir auch in der letzten Runde bewiesen haben, als wir in drei Duellen vier Punkte geholt haben. Es ist spannend zu sehen, die andere Herangehensweise an die Ausbildung, die bei Red Bull im Vergleich zu uns passiert. Das ist sehr, sehr positiv für den gesamtösterreichischen Fußball. Es ist wichtig, dass die anderen alle an Red Bull dran bleiben und sich messen wollen.

LAOLA1: Gibt es eine Konkurrenzsituation mit Red Bull, was die Anwerbung junger Spieler betrifft?

Muhr: Eine natürliche ja, aber in keinem störenden Bereich. Wenn ein Spieler aus unserem Nachwuchs die Möglichkeit hat und aus Wien weg will, soll das so sein. Aber ich sehe da überhaupt kein Problem.

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