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Ist Franco Foda zurecht unumstritten?

Sturm spielt keine gute Saison, der Trainer steht jedoch außer Streit. Plus-Minus-Liste:

Ist Franco Foda zurecht unumstritten?

Es gibt im österreichischen Fußball nur wenig heißere Trainer-Pflaster als Sturm Graz.

Zumindest wenn der Coach gerade nicht Franco Foda heißt.

Man frage nach bei Peter Hyballa und Darko Milanic, die sich zeit ihrer Amtszeit - bisweilen nicht unberechtigt - teils heftiger Kritik ausgesetzt sahen.

Auch unter Foda fällt die sportliche Zwischenbilanz in dieser Saison durchwachsen aus. Dennoch kann der Deutsche relativ unbehelligt von kritischen Zwischenrufen seiner Arbeit nachgehen.

Zurecht, wegen der unumstrittenen Fachkenntnis des 49-Jährigen und aufgrund seiner Rolle als Vereins-Ikone? Oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen? LAOLA1 mit einer Bestandsaufnahme, was für und was gegen die derzeitige Arbeit von Foda spricht.

ENTTÄUSCHENDER SPORTLICHER OUTPUT:

Ja, Sturm ist Vierter. Das lässt sich als - derzeitiges - Erreichen des Saison-Ziels verkaufen, schließlich verfügen mit Salzburg und den beiden Wiener Mannschaften die drei besser platzierten Vereine ja über so viel mehr Budget. Gekauft. Dennoch lässt sich die bisherige Performance keinesfalls als Erreichen des Solls einordnen. Sturm spielt - wohlwollend betrachtet - eine maximal durchschnittliche Saison. Je sieben Remis und Niederlagen in 22 Meisterschaftsspielen sind nicht zufriedenstellend, nur gut ein Drittel der Liga-Matches konnte gewonnen werden. Auf die drittplatzierte Austria fehlen bereits sieben Punkte, ebenso viele Zähler trennen die "Blackies" von den neunplatzierten Grödigern. Der Abstand nach vorne zu einem Trio, das ebenfalls keine berauschende Spielzeit hinlegt (Rapid hat in der Liga bereits acht Mal verloren!), ist also teils größer als nach hinten zu einem Feld voller biederer Teams, die keinesfalls über mehr Potenzial als Sturm verfügen. Zudem ist der Trend kein rosiger. Von den letzten sieben Liga-Spielen konnte nur eines gewonnen werden (ein 2:0-Heimsieg gegen Grödig zum Herbst-Ausklang), zudem ist man aus dem Cup geflogen. In der steirischen Landeshauptstadt ist von einer Sturm-Euphorie (man erinnere sich an Minuskulissen von 5.000 Fans im Herbst trotz Ticket-Aktion) derzeit nur wenig zu spüren, die Erwartungshaltung vor dieser Saison war - zurecht - eine andere. Es soll Trainer geben, die angesichts solch eines Outputs zumindest in Frage gestellt werden.

KONTINUITÄT UND STATUS SORGEN FÜR RUHE:  

Diese Sorgen muss sich Foda in Graz nicht machen. Medial gibt es von den Lokalmedien keinen spürbaren Gegenwind. Innerhalb der Fan-Szene wird seine Person zwar kontroverser diskutiert (und wurde dies auch schon bei seiner letzten Amtszeit), gerade der harte Kern der Anhänger hinterfragt seine Herangehensweise durchaus. Die schweigende Mehrheit steht jedoch tendenziell auf seiner Seite. Dies ist irgendwo auch nachvollziehbar. Seine Verdienste um den Verein, sowohl als Spieler als auch als Trainer, sind unumstritten, seine Kompetenz und Fachkenntnis ebenso. Die Forderung nach Kontinuität (und somit Geduld) ist gerade in Zeiten, in denen es nicht wie erhofft läuft, bisweilen nicht die populärste. Foda hat jedoch bereits bewiesen, dass er in der österreichischen Bundesliga Erfolg haben kann, wenn er mit dem Kern einer Truppe über einen längeren Zeitraum etwas aufbauen kann. Auch die Phase nach der erneuten Amtsübernahme im Laufe der Vorsaison bot zwar wenig Innovation, war unter dem Strich jedoch erfolgreich und Grundstein für die Erwartungshaltung für diese Saison. Zumindest brachte sie sportliche Stabilität und Ruhe in einen Verein, der in den zweieinhalb Jahren davor über genau das nicht verfügte. So gesehen könnte es sich auch diesmal auszahlen, wenn man Foda einfach weiterarbeiten lässt.


 DEFENSIVE STEHT SICHER:

Die Analyse der Spielweise von Sturm ist fraglos ein komplexes Thema. Sagen wir so: Attraktivität steht derzeit nicht an oberster Stelle. Auf Fodas Haben-Seite steht sicherlich, dass defensiv relativ wenig zugelassen wird - und dies trotz erschwerter Rahmenbedingungen. Tanju Kayhan, Wilson Kamavuaka, Anastasios Avlonitis und Charalampos Lykogiannis bildeten zuletzt die Viererkette - drei Spieler dieses Abwehr-Quartetts waren beim Vorbereitungsstart im Sommer noch nicht einmal beim Verein. Die eigentlich geplante Abwehrreihe mit Marvin Potzmann, Michael Madl, Lukas Spendlhofer und Christian Klem steht entweder nicht mehr zur Verfügung, ist derzeit nicht erste Wahl oder wird anderwertig gebraucht. Auch die Besetzung davor wechselte immer wieder, an der Kompaktheit - und die ist Foda bekanntlich extrem wichtig - mangelt es jedoch trotz der zahlreichen Rochaden nur selten. Und das ist angesichts der Herausforderung, oft das Spiel machen zu müssen, keine Selbstverständlichkeit. 26 Gegentreffer nach 22 Runden sind in Ordnung, nur Tabellenführer Red Bull Salzburg (25) kassierte weniger. Dies ist einerseits ein Verdienst von Michael Esser, der - Patzer gegen Salzburg hin oder her - für Stabilität im Tor sorgt, andererseits jedoch auch auf ein funktionierendes Grundgerüst des Trainers zurückzuführen.

 INEFFIZIENTE SPIELWEISE:

 


KEINE MANNSCHAFT GEFUNDEN:

Foda spricht gerne von Automatismen innerhalb der Mannschaft. Diese funktionieren logischerweise dann am besten, wenn eine Stammelf über einen längeren Zeitraum zusammenspielt. So eine eingespielte Truppe gab es zum Beispiel in seiner vergangenen Ära als Sturm-Coach, speziell rund um den Gewinn des Meistertitels. Gratzei, Schildenfeld, Standfest, Kienzl, Weber, Hölzl, Szabics, Kienast - sie alle waren praktisch gesetzt und haben dementsprechend gut harmoniert. Das Argument, dass zu viele Spieler verletzungsbedingt ausfallen bzw. den Verein verlassen haben, ist nur bedingt richtig. Schon im Herbst - nachdem im Sommer entgegen anderslautender Meinungen - kein Stammspieler abgegeben wurde, gab es zahlreiche Rotationen auf fast allen Positionen. Ein Blick auf die Einsatzstatistik zeigt: Nur zwei Spieler sind Dauerbrenner, einer davon ist Torhüter Michael Esser, der keine Liga-Minute verpasst hat. Thorsten Schick ist mit 22 von 22 möglichen Startelfeinsätzen ebenso gesetzt. Ansonsten wird alles und jeder hinterfragt. Was in der Viererkette (siehe oben) relativ gut klappt, wird im Offensiv- bzw. Kreativ-Spiel zum Problem. Also dann, wenn es Automatismen benötigt, um gegnerische Abwehrreihen zu knacken. Weder im Mittelfeldzentrum, noch links oder hinter der Solospitze geschweige denn in der Stürmerposition gibt es eine unumstritten erste Wahl. Foda probiert aus - wie seit dem Frühjahr Christian Klem im Mittelfeld. Und zwar bislang ohne Erfolg. Konkurrenzkampf hat zwar noch niemandem geschadet, möglicherweise fehlt dem einen oder anderen Spieler aber das Vertrauen, um in seiner Rolle so richtig Fuß zu fassen.

DIE CHEMIE IM TEAM STIMMT:

Als Players Coach wird Foda wohl nicht in die Fußball-Geschichte eingehen. Muss er auch nicht. Ein vernünftiges teaminternes Klima lässt sich auch mit eher autoritärer Art herstellen. Trotz der wenig zufriedenstellen Ergebnisse hat man in Graz nicht das Gefühl, eine Mannschaft vorzufinden, bei der eine Phase mit nur einem Sieg aus sieben Liga-Spielen Unruhe oder Streit auslöst. Im Gegenteil. Auch das hilft, nach einem frühen 0:2 in Altach nicht die Köpfe hängen zu lassen und noch einen Punkt zu erkämpfen. Gleichzeitig gelingt es, dass nach Abgängen von Führungsspielern wie Kapitän Michael Madl andere Spieler Verantwortung übernehmen. Foda überträgt selbige mit Vorliebe Routiniers, was etwa dazu führt, dass neben Roman Kienast und Marko Stankovic mit Christian Gratzei und Martin Ehrenreich zwei Spieler Mitglieder des Spielerrats sind, die sportlich nicht erste Wahl sind, aber über reichlich Erfahrung verfügen. Neo-Kapitän Michael Esser ist auch kein Jungspund mehr. Probleme mit Gruppenbildung wie unter Hyballa oder nicht geglückter Integration wie unter Milanic (Robert Beric fand etwa auch mannschaftsintern nie wie erhofft Anschluss, was angesichts seines Potenzials ein Eigentor war) sind derzeit nicht so akut. Zwischenrufe von Spielerseite bleiben aus. Auch Foda hat seinen Anteil, und das in einem klimatisch nicht immer einfachen Umfeld. Zurecht wurde bei der Rückkehr des Deutschen gesagt: Sturm kennt Foda und Foda kennt Sturm.


EINBAU VON JUNGEN SPIELERN:

Jugendförderer Franco Foda - stimmt das überhaupt? Ja und nein. Es ist übertrieben, den 49-Jährigen als bedingungslosen Förderer des Nachwuchses darzustellen, der aus jedem Talent einen Star formt, wie es vom vereinseigenen "Sturm Echo aktuell" geschrieben wurde. Man muss die Fakten für sich sprechen lassen. Und die zeigen, dass Sturm über den viertjüngsten Kader der Liga verfügt (Durschnittsalter: 23,9 Jahre). Mit Avdijaj, Gruber, Horvath, Edomwonyi und seit Frühjahrs-Start auch Lovric kommen fünf Spieler mit 21 oder jünger regelmäßig zum Einsatz. Das ergibt 2766 Liga-Spielminuten bis zum heutigen Tag. Rapid-Trainer Zoran Barisic spricht tagein tagaus von seiner jungen Mannschaft, Spieler dieser Altersgruppe kamen bei ihm gerade einmal 722 Minuten zum Einsatz. Aktuell ist es mit Neuerwerbung Murg nur einer. Schaub ist verletzt, Wöber maximal eine Ergänzung und Kuen gerade wieder fit. Auch andere gelobte Trainer wie Damir Canadi setzen weit weniger auf wirklich junge Spieler als Sturm. Mit Jäger und Tajouri sind es genauer gesagt nur zwei (1852 Minuten). Im Liga-Vergleich steht Sturm also wirklich als Team mit jungen und teils sehr jungen (Lovric, Avdijaj und Horvath) Spielern da, die der Trainer auch einsetzt.

EINBAU VON JUNGEN SPIELERN:

Woher kommen die jungen Spieler, die Foda einsetzt? Gruber und Lovric haben den eigenen Nachwuchs durchlaufen. Letzterer wird seit geraumer Zeit als eines der größten Talente in Österreich gefeiert und beweist das auch als Kapitän der aktuellen U18-Auswahl des ÖFB. Man könnte sagen, Foda geht sehr behutsam mit ihm um. Im Herbst kam er zwei Mal zu Kurzeinsätzen. Seit Hadzic weg und Piesinger verletzt ist, kommt der Trainer nicht mehr um ihn herum. Was wird aus den anderen Nachwuchskickern bei Sturm? Berechtigte Frage. Zwar waren mit Maresic, Skrivanek, Puster, Schmid und Seidl fünf Nachwuchskicker mit im Trainingslager, sie sind für die Kampfmannschaft aber kein Thema. "Wozu habe ich überhaupt eine Akademie", hat sich Ex-Aufsichtsratschef Friedrich Santner unlängst gefragt. Verständlich, wenn man sich auch die jüngste Transferzeit ansieht. General Manager Gerhard Goldbrich sprach nach den Abgängen zunächst davon, sich den vorhandenen Kader mitsamt Nachwuchs genau ansehen zu wollen. Was macht Foda? Er fordert schon vor der Abreise nach Belek neue Kräfte und hat ein genaues Anforderungsprofil im Kopf. Im Mittelfeld holte man schließlich James Jeggo eine 23-jährige Wundertüte aus Australien. Die würde man mit 25 oder 26 auch verkaufen können, meint Goldbrich. Aus Trainer-Sicht ist es nur allzu verständlich, neue Spieler zu fordern. Doch gerade Sturm hat in der Vergangenheit oft bewiesen: Spieler aus dem eigenen Nachwuchs stärken die Identifikation vieler Fans mit dem Verein und locken auch dann mehr Fans ins Stadion, wenn der Gegner zum vierten Mal in der Saison Grödig, Wolfsberg oder Altach heißt. Hier gibt es definitiv Luft nach oben.



DAS LAOLA1-FAZIT:

An einem Trainer-Heiligtum wie Foda zu zweifeln, ist in Graz mancherorts mit Gotteslästerung gleichzusetzen. Dabei ist seine Arbeit in dieser Saison nicht widerspruchslos anbetungswürdig. Das ist auch nicht per se das Problem. Kaum ein Trainer macht immer alles richtig - und wenn doch, wäre er zu viel Höherem als der Bundesliga berufen. Und das Schicksal von Trainern ist ohnehin, dass sie oft als erste ins Schussfeld geraten. Die Schwierigkeit in Graz ist vielmehr, dass es rund um Sturm diese Kultur der konstruktiven Kritik am Trainer - und gerade diese könnte auch befruchtend wirken - maximal in Ansätzen gibt. Das mag auch an Foda selbst liegen, der es aus seiner Sicht nicht ungeschickt macht, indem er auf kritische Fragen trotz aller Beteuerungen neu entdeckter Gelassenheit bisweilen unrund reagiert. Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Ja, Foda ist zurecht unumstritten, wenn es um seine Jobsicherheit geht. Sein Vertrag läuft bis 2017, eine Trennung wäre in der aktuellen Situation unsinnig und es gibt durchaus berechtigte Hoffnung auf ergebnistechnische Besserung. Und nein, nicht alles, was der "Meistertrainer" macht, muss gleichzeitig unumstritten sein.
 
 
Peter Altmann/Andreas Terler



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