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Austria Wien: Fehlerhaft am richtigen Weg

Die Veilchen haben unter Neo-Coach Michael Wimmer die richtige Richtung eingeschlagen. Aber sie machen auch viele stümperhafte Fehler. Eine Analyse:

Austria Wien: Fehlerhaft am richtigen Weg Foto: © GEPA

Fast zwei Monate sieglos, zuletzt drei Niederlagen in Folge. Die nackten Zahlen sind ernüchternd. Doch im Falle des FK Austria Wien zeichnen sie kein vollständiges Bild.

Die Wahrheit liegt auf dem Platz, sagt der Fußball-Volksmund. Doch diese Wahrheit lässt sich eben nicht nur in geschossenen Toren ausdrücken, sondern ist die Summe von viel mehr Teilen.

Kurzum, die Tendenz der Veilchen in diesem Frühjahr geht zwar deutlich nach unten, wer den FAK aber regelmäßig spielen sieht, wähnt ihn dennoch auf dem richtigen Weg. Wenngleich es noch ein weiter ist.

Die Austria hat mit dem Wechsel von Manfred Schmid auf Michael Wimmer ihren spielerischen Ansatz radikal verändert – angefangen bei der Intensität über die Räume, in denen der Gegner angepresst wird, bis hin zur Formation.

Viel Kredit erarbeitet

Der neue Coach hat sich dabei rasch viel Kredit erarbeitet. Einerseits mit dem respektvollen Umgang mit seinem Vorgänger und dessen Team, andererseits mit dem Erreichen der Meistergruppe durch einen Heimsieg im Derby.

Vier Siege in den ersten sechs Spielen – das ist angesichts der Probleme, die die meisten Teams bei einem derartigen Philosophiewechsel haben, schon sehr beachtlich. In den bisherigen sechs Partien seit der Tabellenteilung folgte allerdings kein weiterer Sieg.

Es sind Kleinigkeiten und Dummheiten, die den Violetten wertvolle Punkte gekostet haben.

  • 23. Runde: Die Austria gibt ein 2:0 aus der Hand, Flecker erzielt den LASK-Ausgleich in der 90. Minute.

  • 24. Runde: Die Austria dreht in Salzburg ein 0:2 in ein 3:2, doch Sesko gleicht in der Nachspielzeit per Elfer aus.

  • 25. Runde: Die Austria führt im Derby 2:1 und 3:2, spielt 40 Minuten in Überzahl, kassiert aber sechs Minuten vor Schluss den Ausgleich.

  • 26. Runde: Die Austria verliert gegen Klagenfurt 1:2, Gkezos verwandelt in der 90. Minute einen Elfer.

  • 27. Runde: Die Austria führt in Graz 1:0 und 2:1, verliert nach einem Doppelschlag von Sturm aber noch 2:3.

  • 28. Runde: Die Austria ist daheim gegen Sturm vor allem in Hälfte eins zu schwach, verliert verdient mit 1:2.

Im Idealfall hätte also die Austria 13 Punkte mehr auf dem Konto und würde in der Tabelle sehr weit oben mitspielen.

Haarsträubende Fehler

Abgesehen von den vielen, spielentscheidenden Gegentoren in den Schlussminuten sind es vor allem immer wieder haarsträubende individuelle Fehler, die Punkte kosten.

So auch im jüngsten Heimspiel gegen den SK Sturm. Diesmal patzen Matteo Meisl und Marvin Martins beim 0:2, gehen unbedrängt auf denselben Kopfball.

Coach Wimmer wirkt ob der vielen vermeidbaren Eigenfehler zunehmend frustriert. Er sagt: "Ich muss es wieder ansprechen. Wir haben es ja die ganze Woche angesprochen. Wir fordern Konsequenz ein. Wir fordern in der Defensive Verantwortung für den Gegenspieler und auch den Raum ein. Wir fordern ein, dass wir das Tor mit allem, was wir haben, verteidigen. Aber wir machen das nicht, und deshalb gibt es diese Gegentore."

Hinzu kommt das Problem bei gegnerischen Standards. Schon mehr als ein Dutzend Gegentore hat die Austria so kassiert. "Manchmal ist es ein Mangel an Konzentration. Das ist bitter. Wir versuchen, das im Training zu verbessern", sagt Verteidiger Marvin Martins.

Die Defensivabteilung scheint den Herausforderungen der Meistergruppe nicht immer gewachsen. Es laufen einige Verträge aus, im Sommer wird um- bzw. nachgerüstet.

Eigenverantwortung gefragt

Foto: © GEPA

Und dann wäre da noch eine Sache, die gegen Sturm nicht zum ersten Mal vorgekommen, allerdings auch nicht die Regel ist: Die Austria findet erst mit Verspätung ins Spiel.

Martins ärgert sich: "Wir waren in der ersten Hälfte nicht konsequent und mutig genug. Wenn wir so halbherzig spielen, nutzt das eine Mannschaft wie Sturm sofort aus. Wir haben die erste Hälfte verschlafen. Das darf uns nicht passieren."

Wimmer spricht von einer "erschreckenden ersten Hälfte", setzt in diesem Punkt auf Eigenverantwortung: "Jeder Spieler muss für sich selbst die Verantwortung übernehmen. Was brauche ich vor einem Spiel, um mich zu pushen, um sofort da zu sein? Jeder ist eigentlich Profi genug, um sich so vorzubereiten, dass er mit dem Anpfiff im Spiel ist."

"Wir können immer mithalten"

Doch es gibt auch die andere Seite der Medaille. Praktisch jedes Spiel der Austria in der Meisterrunde hätte gut und gerne auch anders ausgehen können. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie unter Wimmer im Schnitt zwei Tore pro Partie erzielt.

"Wir können immer mithalten. Das sehen wir, und das gibt uns Motivation. Aber wir belohnen uns leider nicht", sagt Martins.

Wimmer wiederholt das nach den Spielen praktisch gebetsmühlenartig. "Die Erkenntnis ist immer, dass wir es gegen die Top-Mannschaften zeigen, dass wir mithalten und sie ärgern können, wenn wir mutig und konsequent sind, wenn wir uns an den Plan halten", sagt der Trainer.

Nachsatz: "Ich bin überzeugt, wenn wir so weitermachen und diese Kleinigkeiten abstellen, werden wir auch Siege holen."

Kein Sprint, sondern ein Marathon

Eine neue Spielphilosophie in einen Verein zu implementieren und dann auch erfolgreich umzusetzen, ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und da sind Durchhänger Usus.

Umso wertvoller sind dabei die Pluspunkte, die Wimmer und das Team zum Start ins Frühjahr gesammelt haben. "Die Fans sind großartig. Ich habe es noch nie so erlebt, dass man von der Kurve so gepusht wird, wenn man drei Spiele in Folge verliert. Es würde mich freuen, wenn wir uns mal belohnen", so der Deutsche.

Die Diskrepanz zwischen Leistungen und Ergebnissen entsteht durch Eigenfehler und phasenweise mangelnden Fokus. Dass diese Probleme nicht in Zusammenhang mit dem neu eingeschlagenen Weg stehen, gibt den Verantwortlichen Recht.

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