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Zeitlupe Altmann

 

Der Rollentausch

Wird Marcel Koller dem österreichischen Nationalteam zum Erfolg verhelfen? Ich weiß es nicht, kein Leser dieser Zeilen weiß es, niemand weiß es.

So gesehen ist der Ansicht des Kollegen Bernhard Kastler, den neuen Teamchef einmal seine Arbeit verrichten zu lassen, ehe man diese beurteilt, nichts hinzuzufügen.

Einige Bemerkungen zur Kür des Schweizers und vor allem zu Reaktionen auf diese scheinen jedoch angebracht.

Zum einen sei Leo Windtner Respekt gezollt. Auch an dieser Stelle musste sich der ÖFB-Präsident Kritik bezüglich seiner zaudernden Haltung bei der Ablöse von Didi Constantini gefallen lassen.

So unglückliche Figur er vor einigen Wochen abgab, so couragiert ist diese Personalentscheidung. Keine Frage: Der Oberösterreicher ist dem Weg des geringsten Widerstands gekonnt ausgewichen und beweist dadurch enormen Mut.

Denn erweist sich Koller als Fehlgriff, dürfen jetzt schon Wetten darauf abgeschlossen werden, dass es auf Windtner zurückfallen wird.

Es zeigt aber auch, dass der ÖFB-Boss nicht lernresistent beziehungsweise bereit ist, die Konsequenzen aus der verkorksten Constantini-Ära zu ziehen und das genaue Gegenteil des Tirolers zu verpflichten.

Der Versuch, mit dieser Entscheidung alte Zöpfe abzuschneiden, neue Wege zu beschreiten und die für gewöhnlich blendend funktionierenden Seilschaften zu ignorieren, ehrt ihn.

Man kann sich das Gesicht des einen oder anderen „I-Wü-An-Praktiker“-Präsidiumsmitglieds, als es erstmals mit dem Namen Marcel Koller konfrontiert wurde, bildlich vorstellen. Wobei laut diesen Herren andererseits eh wurscht ist, ob der Teamchef Maier oder Huber heißt…

Als Mastermind hinter der Entscheidung pro Koller gilt Willi Ruttensteiner, zumindest trägt sie seine Handschrift. Ein akribischer Arbeiter passt auch besser zu ihm als ein Sonnyboy-Feuerwehrmann.

Denn der Interims-Teamchef kann sich seinem Vorgänger gegenüber  loyal verhalten, wie er will: Überspitzt formuliert haben Tag und Nacht mehr gemeinsam als die Herangehensweisen von Ruttensteiner und Constantini. Dies wird aktuell mit jedem Tag deutlicher.

Fakt ist: Die Teamchef-Ära des Tirolers hat die rot-weiß-rote Fußball-Gemeinde im Grunde genommen gespalten. Mit Koller bahnt sich nun ein Rollentausch an.

Aus dem Lager der bisherigen Constantini-Kritiker sind kaum kritische Stimmen zu hören. Im Gegenteil: Die Idee Koller wird als charmant empfunden, das Versprechen einer modernen Arbeitsweise erfreut zur Kenntnis genommen.

Lange Gesichter indes bei den bisherigen Constantini-Befürwortern am medialen Boulevard. „Von mir hat der keine Rückendeckung zu erwarten“, ließ ein Journalist ungeniert ganz Österreich, oder zumindest die umstehenden Kollegen, wissen.

Die „Krone“ wiederum versucht gar nicht erst, ihre Empörung zu kaschieren – noch dazu, wo es der ÖFB gewagt hat, Wunschkandidat Andreas Herzog nicht zum Zug kommen zu lassen. Als ranghöchster Kritiker lässt sich Herbert Prohaska einspannen.

„Der erste Schweizer Teamchef in Österreich wird sich an den Erfolgen der heimischen Trainer messen lassen müssen und wird es sehr schwer haben“, schreibt er in seiner Kolumne und kann damit nur sich selbst und seine WM-Teilnahme 1998 meinen. Denn seine Nachfolger hatten allesamt keine Erfolge, an denen es sich lohnt, gemessen zu werden.

„Sehr schwer haben“, wird es Koller indes definitiv, wenn sich nicht relativ zügig Erfolge einstellen. Das ahnt man als gelernter Fußball-Österreicher bereits jetzt.

Denn von einer Lobby, wie sie Constantini genoss, kann er nur träumen.