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Taktik-Analyse: Ruttensteiners Handschrift

Taktik-Analyse: Ruttensteiners Handschrift

Österreich gewinnt Spiel eins nach der Ära Constantini gegen Aserbaidschan mit 4:1.

Spielverlauf und ein schwacher Gegner trugen ihriges dazu bei, aber Österreich zeigte sich auch taktisch verbessert.

Interims-Coach Willi Ruttensteiner änderte zwar nominell nichts am grundsätzlichen System. Die personelle Besetzung, sowie die taktische Spielausrichtung war jedoch eine andere.  

Ruttensteiner nützt Fuchs‘ Offensiv-Stärke

Rein vom System her trat Österreich genauso an, wie im letzten Spiel gegen die Türkei: Aus einer Mischung zwischen 4-4-2 und 4-2-3-1. Statt des verletzten Harniks mimte Arnautovic den Freigeist zwischen den Linien. Janko stürmte an vorderster Front, Ivanschitz (links) und Alaba (rechts) agierten auf den Seiten. 

"Wir wollten taktisch flexibel spielen – in der Defensive ein sehr flaches 4-4-2, und in der Offensive ein 4-2-3-1", meinte Ruttensteiner nach dem Spiel. Für die Variante mit Arnautovic in der Zentrale sprachen die Defensiv-Schwächen des Bremers, wie Ivanschitz bestätigt: "Ruttensteiner hat mir und David (Alaba, Anm.) noch in Bad Tatzmannsdorf den Vorschlag gemacht, auf den Seiten zu spielen, damit wir Marko entlasten und er zentral nach vorne mehr Freiheiten hat."

Auf der Gegenseite ließ Berti Vogts sein Team in einem klassischen 4-2-3-1 auflaufen, das ab dem Ausschluss in einem 4-4-1 mündete.

In der ersten Hälfte zeigte sich, dass Ruttensteiner einen Plan hatte. Der ÖFB-Sportdirektor machte sich die Offensiv-Stärke von Christian Fuchs zur Waffe und gab dem Linksverteidiger den Auftrag, nach vorne zu drängen. Ivanschitz, der oft in die Mitte zog, machte seinem Hintermann die dafür nötigenden Räume frei. So ergab sich teilweise ein 3-5-2-System, da sich Ekrem Dag auf der rechten Seite zunächst mit Vorstößen zurückhielt. Beispielhaft dafür ist das 1:0: Alaba, nach einem Seitentausch mit Ivanschitz auf links, zieht nach innen, wird von Dragovic angespielt, Doppelpass mit Arnautovic und das Zuspiel auf Janko wird zur Möglichkeit für Ivanschitz, der ins Tor trifft.

Ansonsten kam Alaba durch diese Taktik jedoch nicht so zur Geltung (siehe LAOLA1-Einzelbewertung). Der Bayern-Profi war auf der rechten Seite isoliert. Aufgrund der defensiven Ausrichtung von Dag war er – im Gegensatz zu Ivanschitz – selbst gezwungen, den Flügel zu beackern. In dieser Rolle fühlte sich der linksfüßige Alaba nicht gerade wohl. Zudem liefen die meisten Angriffe über die gegenüberliegende linke Seite, auch weil Arnautovic öfters Fuchs und Ivanschitz unterstütze, als über rechts auszuhelfen.

In der Praxis sah dies ungefähr so aus:

Ruttensteiners Handschrift

Neben dieser Spielidee in der Offensive waren noch einige anderen taktischen Neuheiten erkennbar:

  • Flach spielen, hoch gewinnen

Eine alte Fußballer-Weisheit fand in Baku seine Anwendung: Flach spielen, hoch gewinnen. Kaum ein Ball wurde hoch nach vorne geschlagen. Und das obwohl mit Janko ein Stürmer im Angriffszentrum operierte, der solch hohe Pässe normalerweise gut verarbeitet. Stattdessen spielten Dragovic und Prödl flache, vertikale Pässe nach vorne (wie beim oben beschriebenen 1:0). Dabei ließ sich das starke Innenverteidiger-Duo auch nicht aus der Ruhe bringen. Geduldig zirkulierte der Ball in den eigenen Reihen, bis eine Anspielstation gefunden wurde. Trotz guter Ansätze wies dieses Kurzpassspiel jedoch noch einige Schwächen auf. Ein stärkerer Gegner mit besserem Pressing hätte die Österreicher wohl ernsthaft in Bedrängnis gebracht.

  • Sechser und Außenverteidiger spielen moderner

Im Gegensatz zu früheren ÖFB-Spielen wurden die Außenverteidiger aktiv ins Spiel nach vorne eingebunden. Fuchs offensive Rolle in der ersten Hälfte wurde bereits angesprochen und nach der Pause schaltete sich auch Dag immer öfters nach vorne ein. Ebenso interpretierten die defensiven Mittelfeldspieler ihre Rolle moderner: Ein langer Cross hier, ein Doppelpass mit einem Offensivspieler da. Die Doppelsechs dient plötzlich nicht mehr nur als defensiver Stabilisator, sondern als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive. Wie beim oberen Punkt, gilt aber auch hier: Es waren gute Ansätze erkennbar, doch immer wieder sorgten Fehlpässe aus dem defensiven Mittelfeld für Unruhe und auch die Außenverteidiger hätten dem österreichischen Spiel noch mehr Breite verleihen müssen.

  • Einheitliches Pressing

Unter Constantini beschränkte sich das Pressing zumeist auf die vier Offensivspieler. Diesmal presste das ÖFB-Team jedoch als ganze Mannschaft. Beeindruckend war dies vor allem bei Ballverlust in der gegnerischen Hälfte. Kaum hatten die Aserbaidschaner einmal die Kugel, wurden sie von drei, vier ÖFB-Spielern umzingelt. Bestes Beispiel dafür ist das 2:0: Arnautovic verliert den Ball am gegenerischen Strafraum, doch er selbst, Dag und Alaba setzen dem Gegenspieler so sehr zu, dass die Österreicher wieder in Ballbesitz kommen und ein Tor erzielen.

  • Weniger Rochaden

Anders als unter Constantini, tauschte das Offensiv-Trio kaum einmal die Positionen. Stattdessen hatten Ivanschitz, Arnautovic und Alaba einen relativ fixen Aufgabenbereich. Das sorgte für mehr Ordnung im Offensivspiel. Immer wieder antizipierten Janko und Co. richtig und nützten Löcher in der gegnerischen Abwehr aus.

Aserbaidschan sorgt für Gefahr über die Flügel

Bedingt durch die frühe Unterzahl und das anständige Pressing der Österreicher brachte Aserbaidschan das ÖFB-Team kaum in Bedrängnis. Doch wenn es gefährlich wurde, dann über die Flügel. Immer wieder nutzten die Flankenspieler den Raum hinter den aufgerückten Außenverteidigern Fuchs und Dag. So kamen nicht nur zwei Chancen am Ende der ersten Hälfte zu Stande, sondern auch das Gegentor. Hinter dem Rücken von Dag schlich sich Torschütze Nadirov davon und machte aus einem Konter das zwischenzeitliche 1:3.  

Es wird an Ruttensteiner liegen, diese Schwachstelle bis zum nächsten Spiel in Kasachstan auszumerzen. Eine Möglichkeit könnte zum Beispiel sein, dass immer nur ein Außenverteidiger mit nach vorne geht, um die Abwehr mit drei Spielern, die absichern, kompakter zu machen.

Fazit: Ein Schritt nach vorne

Neuer Trainer, neues Glück: Ruttensteiners Handschrift war beim 4:1-Sieg deutlich erkennbar. Seine Mannschaft zeigte gute Ansätze: Einheitliches Pressing, geordneter Spielaufbau, versuchtes Kombinationsspiel und eine neu formierte Offensive, in der noch viel Potenzial steckt.

Trotz allem darf man jetzt jedoch nicht in eine voreilige Euphorie verfallen. Vom Gegner aus Aserbaidschan kam nur wenig Gegenwehr und dennoch tat sich das ÖFB-Team vor dem Ausschluss schwer, das kompakt stehende Vogts-Team in Bedrängnis zu bringen. "Wir haben es mit einem Mann mehr nicht immer verstanden, den Ball richtig laufen zu lassen und ein gutes Positionsspiel auszuführen. So haben wir uns das Leben teilweise selber schwer gemacht", meint Doppeltorschütze Janko kritisch.

Es war ein Schritt nach vorne, aber nicht mehr. Auch in Kasachstan ist ein Sieg Pflicht.

Jakob Faber