news

Absage der U20-WM: Das sind die Konsequenzen

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller mit dem Versuch einer Aufarbeitung:

Absage der U20-WM: Das sind die Konsequenzen Foto: © GEPA

Die Junioren-A-WM dauerte gerade vier Spieltage – nach drei Spielabsagen war Schicht im Schacht, die IIHF cancelte das Event.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller mit dem Versuch einer Aufarbeitung:

Was war passiert?

Die Schweiz und Österreich schafften es nach Corona-Fällen gerade noch zu ihren Spielen, das gelang den USA, Tschechien und Russland nicht mehr. Ihre Spiele gegen die Schweiz, Finnland und die Slowakei mussten abgesagt werden. Verschiebungen bei so einem kurzen Turnier sind natürlich nicht möglich, die IIHF beendete den Zauber jetzt mit der Absage.

Wohlgemerkt, es handelte sich jeweils um positive Tests, was keineswegs tatsächliche Erkrankungen bedeuten muss. So konnte auch Österreich die für das erste Spiel nicht spielberechtigten Leon Wallner und Senna Peeters am Tag darauf mit negativen Tests wieder einsetzen.

Doch die Fälle, die zu den Spielabsagen führten, waren nur die Spitze des Eisbergs. Weitere Ansteckungen wären unmöglich vermeidbar gewesen, auch mehrere Referees testeten positiv. Das führte dann auch zur kuriosen Meldung durch die IIHF, dass die Schiedsrichter von nun an Masken zu tragen hätten. Hätten sie diese vor Pfiffen abnehmen müssen oder wären damit ohnehin nur die Placebo-Maßnahmen beim Aufwärmen und in der Kabine gemeint?

Sportlich wäre die weitere Durchführung des Turniers unmöglich gewesen. Spieler mit positiven Tests einfach abzusondern oder diese gar (bei Symptomfreiheit) zu ignorieren, wäre vielleicht in den USA, aber nicht in Kanada und dort spezifisch in Alberta möglich gewesen. Die stringenten Regeln der (Regional-)regierung bekommt dieser Tage auch die NHL zu spüren. Ich halte es für alles andere als weit hergeholt, dass die Liga den Spielbetrieb nur mehr in den USA aufrechterhalten kann. Im günstigeren Fall könnte es wieder zu einem regionalen Spielbetrieb wie im Vorjahr kommen.  

Wer hat Schuld?

Natürlich suchen Fans und Journalisten jetzt nach den Schuldigen für dieses Debakel und einige Fragen müssen natürlich auch beantwortet werden: Wieso teilten sich Teams ihre Hotels mit anderen Gästen? Wieso waren die Spieler in Zweibettzimmern (im Vorjahr noch in Single Rooms) untergebracht? Wieso mussten die Teams am 15. Dezember anreisen, während Kanada später eintrudeln durfte?

Im Rückspiegel ist alles leicht zu kritisieren. Man möge sich nur vorstellen, dass die IIHF schon vor Wochen oder gar Monaten dieselbe Bubble wie im letzten Jahr (fünf Tage Einzelquarantäne!) und ein Turnier ohne Zuschauer ausgerufen hätte. Sie wären damals als eine Bande von bibbernden Angsthasen denunziert worden.

Und die IIHF bietet sich natürlich als treffliches Ziel an. Nur: Veranstalter des Turniers waren immer noch Hockey Canada in Verbindung mit den Edmonton Oilers. Und Hockey Canada trat schon im letzten Jahr ins Fettnäpfchen, als die Charterflüge in alten Maschinen ohne genug Raum für das Hockeygepäck durchgeführt wurden.

Natürlich muss der Veranstalter nach Gewinnmaximierung trachten. Die knapp vor Turnierbeginn erfolgte Zuschauerreduzierung auf 50 % war ohnehin schon ein Schlag ins Kontor von Hockey Canada, dass man nicht freiwillig auf alle Einnahmen verzichtete, sollte auch klar sein. Allerdings ist dann natürlich ein Turnier, wo Spieler und Coaches unweigerlich mit Fans in Berührung kommen, gepaart mit strengen Regierungsauflagen, ein fast nicht zu gewinnendes Glückspiel.

Ohne mich groß als Virologe in Szene setzen zu wollen: Vor einem Monat wäre das Turnier wahrscheinlich noch ohne Probleme über die Bühne gegangen. Auch in der NHL häuften sich die Spielabsagen erst in den letzten Wochen, Omikron könnte noch weiteren Events und Ligen den Todesstoß bereiten.

Fast tragisch: Turnusgemäß hätte das Turnier in Schweden stattgefunden, wo die Corona-Auflagen mit Kanada natürlich nicht zu vergleichen sind. Doch der schwedische Verband zog schon im Vorjahr die Reißleine, nur dadurch kamen Edmonton und Red Deer gleich zweimal in Folge zum Zug. Auch Russland – mit Novosibirsk und Omsk der nächste Veranstalter – hätte sich wohl eher nicht die Blöße eines Turnierabbruchs gegeben.  

Die Konsequenzen

IIHF-Präsident Luc Tardif deutete auf eine eventuelle Neuaustragung des Turniers im Sommer hin. Wie passt das zu allen ersatzlosen Absagen anderer IIHF-Turniere im Jänner? Gerade die Absage der U18-Frauen-WM ließ einige Kritiker wieder unreflektiert auf den Plan treten – "Burschen sind der IIHF wichtiger als Mädchen!"

Was stimmt: Die U20-A-WM und die Erwachsenen-A-WM müssen der IIHF wichtiger sein als andere Turniere. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die U18-WM der Männer in den Büchern auch schon positiv anschlägt, aber selbst wenn es so wäre: Zwei bis drei Turniere müssen den Rest des Spielbetriebs finanzieren, also sämtliche Turnier beiderlei Geschlechts, aller Divisions und Altersklassen.

Das hat so funktioniert, seit ich im Eishockey tätig bin, jährliche Weltmeisterschaften aller Altersklassen leisten sich nur wenige andere Sportarten. Doch das könnte jetzt vorbei sein, denn das Motto "Koste es was es wolle" kann vielleicht einem blümeranten Finanzminister entschlüpfen, hat aber mit der realen (Sport)welt nichts zu tun.  

Die letzte Senioren-A-WM? Nur teilweise vor Fans gespielt. Die letzten Junioren-A-WMs? Ohne Fans bzw. eben abgebrochen. Selbst wenn die IIHF ihre Garantiesummen einstreichen kann und sich die Veranstalter, Host Broadcaster TSN und eventuell Versicherungen bezüglich der Schadensfrage streiten werden, muss das den Weltverband ins Mark treffen.

Tardif ließ schon nach seiner Wahl im Sommer den bisher gültigen Turnierkalender überprüfen, Ergebnisse stehen noch aus. Aber die IIHF kann die (finanziellen) Konsequenzen von Corona nicht mehr ignorieren. Auch wenn man die Finanzen in der Öffentlichkeit natürlich nicht als Hauptgrund darstellen will und Omikron der Aufhänger wäre – eine Absage der restlichen Turniere bis zum Sommer (Ausnahme A-WM) sowie eine zukünftige Neuaufstellung des Turnierplans (bis auf die Cashcows vielleicht nur mehr alle zwei Jahre) würde mich persönlich nicht mehr überraschen.

Bezüglich einer tatsächlichen Neuaustragung des Turniers im Sommer sprechen sicher TSN und Hockey Canada ein gewichtiges Wörtchen mit. Die Einschaltquoten für TSN um die Weihnachtszeit sind immer gigantisch – im Sommer wäre das sicher anders. Umgekehrt: Für die Übertragung teures Geld zu zahlen und dann nur eine Handvoll Spiele geliefert zu bekommen, kann für den kanadischen TV-Sender natürlich auch kein Geschäftsmodell sein.   

Details zu einem Turnier im Sommer (Welche Jahrgänge? Wird wirklich kein Absteiger ausgespielt? Was passiert mit dem ebenfalls für Edmonton vorgesehenen Hlinka-Gretzky-Turnier?) wären dann nur Details. Als Präzedenzfall für eine solche Verschiebung kann (ausgerechnet) die letzte Frauen-WM herhalten.

Österreichs Rolle beim Turnier

Drei Spiele konnte das ÖEHV-Team vor Ort absolvieren: 0:7 im Test gegen Schweden, 1:7 und 2:11 gegen Finnland und Kanada.

Die Ergebnisse und die Chancenlosigkeit in diesen Spielen waren wie erwartet. Vielleicht hatte das Team von Marco Pewal um ein Alzerl mehr Offensive als im Vorjahr zu bieten, auch die Powerplays (zwei Tore) sahen einigermaßen gediegen aus.

Aber eine Einzelkritik verbietet sich natürlich, drei Spiele gegen übermächtige Gegner ließen sicher auch die Notizblöcke der Scouts leer bleiben. Marco Kasper zeigte in Spurenelementen, warum er hoch angesehen ist, allerdings fiel gerade er um seine vielleicht einzige Möglichkeit um, gegen Junioren und nicht Erwachsene antreten zu können. Ein Einzelschicksal, das natürlich gegenüber der völlig ungewissen Zukunft des internationalen Eishockeys in den Hintergrund treten muss…

Kommentare