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Im Fokus: Das kann die finnische Eishockey-Liga

LAOLA1-Scout Freimüller war in Finnland zu Gast und hat sich einen Eindruck verschafft. Seine Analyse über Niveau, Atmosphäre und Besonderheiten der "Liiga".

Im Fokus: Das kann die finnische Eishockey-Liga Foto: © GEPA

Fünf Spiele in vier Städten und zehn Teams – ein hochintensiver Trip durch Finnland. Was hat sich in der Liiga getan, was gibt es Auffälliges und wie ist das Niveau?

Wie immer bei meinen Reisen nach Finnland: Freie Tage sind zu vermeiden, ein sorgsam gewählter Spielplan gibt das auch her, da bis auf Sonntag und Montag fast immer gespielt wird. Natürlich fallen die nördlichen Standorte wie Oulu oder Vaasa flach, aber der südliche Teil gibt bei 15 Teams ohnehin genügend her: Vom Flughafen Helsinki direkt nach Tampere, dann Jyväskylä, Turku, Lahti und wieder zurück nach Tampere.

Von Schnee, Eis und Bäumen sieht man bei solchen Reisen mehr als genug, das gibt jetzt für einige Zeit aus. Beim Wetter habe ich aber Glück gehabt: Die selbst für Finnland ungewöhnliche Kältewelle mit Temperaturen bis zu -25 Grad ging einige Tage vor meinem Trip zu Ende. Beim täglichen Hotelwechsel, dazwischen Bus- und Bahnfahrten (beide für ein nicht billiges Land wirklich kostengünstig), hätte ich das nicht auch noch gebraucht.

Das Niveau der Liiga

Ein Kollege hat mich schon vorgewarnt, nicht dass ich es nicht ohnehin schon gewusst hätte: "Die Teams am Ende der Tabelle sind fürchterlich, Spiele mit denen gruselig." Schwer, das ganz zu vermeiden, aber Saipa – praktisch seit dem ersten Spieltag abgeschlagener Letzter – habe ich mir erspart, dort hat ohnehin schon der jährliche Ausverkauf eingesetzt.

Ähnliches gilt jetzt auch für HPK Hämeenlinna: Topscorer Danick Martel unterschrieb in Schweden, HPK trat am Tag darauf dadurch in Lahti völlig sortenrein – ohne einen einzigen Legionär (!) - an. Gegner Pelicans dagegen bot gleich neun Gastarbeiter auf, beides sind ungewöhnliche Zahlen. Aber klar ist: Die finnische Spielerproduktion ist riesengroß, aber nicht unendlich – Grinder gibt es genug, herausragende heimische Skilled Player fast nur bei den Top Teams.

Das niveaulose 0:4 von HPK in Lahti war dann auch Anlass für eine Scouting-Spielerei: Wie erkannt man ein richtig desolates Team? Ganz einfach: Man dürfte sich drei Spieler frei aussuchen und mitnehmen – nicht einen oder zwei, es müssen mindestens drei sein, die dir ins Auge stechen. Wenn dir das nicht gelingt – und bei HPK war der beste Crack der 39-jährige Antti Pihlström – kannst du das Team getrost ad acta legen.

Die Spiele sind meist laufintensiv und auch mitunter – nicht diesmal – etwas körperbetonter als in anderen europäischen Ligen. Dazu tragen auch die schon seit jeher kleineren Eisflächen bei, die Breite ist statt bei 30 nur bei 28 oder 29 Metern angesiedelt. Keine NHL-Ausmaße, aber doch auch kein "olympisches Eis".

Dynamisches Eislaufen, taktische Disziplin und "Sisu" machen das finnische Eishockey aus, einige Teams setzten in der Offensive gerne auf Gastarbeiter, vor allem aus Schweden oder Nordamerika. Insgesamt machen die Legionäre ein Viertel aller Cracks aus. Was mich faszinierte: Viele AHL/ECHL-Borderliner reüssieren hier vorzüglich, sogar reine ECHLer können Glanzpunkte setzen. Nach einem Jahr bei schlechten Teams orientieren sie sich ins Ausland oder zu den Top Teams. Ein Beispiel dafür wäre Flügel Ben Tardif von KooKoo, der eine Saison zuvor noch zwischen vier nordamerikanischen Teams herumgereicht wurde.

In einem anderen Preissegment konnte Tabellenführer Ilves mit Defender Adam Clendening einen AHL-PP-Experten an Land ziehen, ihn hätte ich mir – bei aller Verweigerung des physischen Spiels – auch in Schweden oder der Schweiz vorstellen können. Der zweite nordamerikanische Import im Team: Jeremy Gregoire, noch aus Wien bekannt, hier ein Viertlinienspieler.

Teams wie Ilves, Tappara, IFK Helsinki oder Lukko Rauma verfügen über gute finanzielle Mittel, können doch noch einige Spitzenkräfte im Lande halten. Das ehrenvolle Ausscheiden der Innsbrucker Haie gegen Lukko – erst in der Verlängerung – ist daher umso bemerkenswerter.
Ein Liigatrip wäre kein solcher ohne ein Ausnahmetalent zu sehen: Heuer gilt das für Center Konsta Helenius bei Jukurit, der beim nächsten NHL-Draft als Top-10-Pick gehandelt wird. Ich habe ihn schon bei einem U20-Turnier im November beobachtet, aber gegen Männer fiel noch mehr auf, dass bei all seinem Spielmachertalent auch sein Defensivverhalten schon sehr ausgeprägt ist. Auch das unterscheidet die Toptalente in Finnland und Schweden oft von ihren Altersgenossen in anderen Ländern.

Die Hallen und die Atmosphäre

In puncto Hallen kann Finnland weiter nicht mit den sportlichen Erfolgen mithalten. Klar, die WM-Arena in Tampere ist natürlich ein Prunkstück, aber sonst? Wie sonst in Europa auch, machen Stehplätze Sitzplätzen Platz, diese dann wiederum VIP-Seats und Logen. Das wertet aber Hallen wie Lahti (ein alter Kobel) oder Jyväskylä nicht sonderlich auf. Turku, wo ich seit langem wieder war, verfügt über eine Arena von 10.000 Plätzen, die aber auch schon ein wenig in die Jahre gekommen ist.

Die Atmosphäre ist eine Mixtur aus Mitteleuropa und den USA. Das Merchandising dürfte sehr gut gehen, viele Fans tragen die Sweater ihres Teams. Aber die Fankurven sind um einiges kleiner als etwa in der DEL, machen manchmal nur 200 oder 300 Leute auf. Angenehmer Nebeneffekt davon: Das 60-minütige Gedröhne – ohne Zusammenhang mit dem Geschehen auf dem Eis – fällt dadurch um einiges leiser aus, stellt damit nur Hintergrundgeräusch dar. Der Rest der Zuseher sehen das Geschehen eher gelassen, große Gefühlsausbrüche sind in Finnland aber sowieso ungewohnt. Die Konzentration auf das Spiel fällt so auch leichter, kalte Hallen habe ich in der Liiga auch noch nicht erlebt.

Besonderheiten

In fünf Spielen gingen die Refs kein einziges Mal zum Bildschirm – weder bei Toren noch bei Fouls. Das mag Zufall gewesen sein und ich kenne auch die genauen Regeln dort nicht. Klar ersichtlich war aber, dass bei Abseits keine Coaches' Challenge möglich ist. Beim ersten Spiel im Tampere sah man nämlich bei einem Treffer eine klare Abseitsstellung vorher. Strittige Szenen wie diese, aber auch Fouls, werden den Fans nämlich screenmäßig nicht vorenthalten. In der ICE muss man dagegen schon froh sein, wenn sich die Refs zu ihren häufigen Videobeweisen selbst oder per Hallensprecher deklarieren. Auch nie zu sehen: Die in der ICE oft verhängten Strafen wegen "unsportlichen Verhaltens". Braden Christoffer, schon in Innsbruck vor Jahren mit regelmäßigen Auszuckern, kommentierte seine Strafen lautstark, aber unbestraft.

18-minütige Pausen sind (leider) überall schon Usus, aber am letzten Tag beim Spiel von Ilves machten diese sogar 20 Minuten aus. Lähmender Wahnsinn, ich weiß auch nicht, was dieses Spiel von den anderen unterschied. Die letzte Liga, die solche elendslangen Breaks einführte, war die DEL2. Aber nicht für lange, Spieler beklagten sich darüber, dass sie in der Drittelpause ihre Muskulatur per Ergometer warmhalten mussten.

Scouting in der Liiga

Ein intensiver Blitztrip gibt dir einen guten Eindruck vom Niveau der Liga, für mich schauten pro Spiel knapp zehn Reports heraus. Spitzenleute sind nicht meine Klientel, da schauen schon die Schweizer Teams genauer hin. Aber einige Legionäre werden im kalten Finnland nie so recht warm (Sam Harvey!), dazu kommen natürlich einige meist schon ältere Suomi-Cracks, die Abwechslung im Ausland suchen.

Haben sie noch etwas drauf? Spitzenleute wie Maksim Matushkin oder Ville Lajunen sind auch solche in der DEL, in der ICE muss man es ohnehin eine Nummer kleiner geben. Aber grundsätzlich gilt: Ein jahrelanger Rollenspieler in der Liiga wird über Nacht auch in einer schwächeren Liga nicht zum offensiven Spielträger. Brave Energieangreifer oder Defensivdefender gibt es in Hülle und Fülle – ob man diese auch will, steht auf einem anderen Blatt…


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