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VSV-Saisonanalyse: Hinter den gestiegenen Ansprüchen

Die Villacher absolvierten erneut eine sehr wechselhafte Saison. Woran es liegt, erklärt LAOLA1-Scout Bernd Freimüller:

VSV-Saisonanalyse: Hinter den gestiegenen Ansprüchen Foto: © GEPA

Am Montag endete das ICE-Jahr für den VSV vorzeitig. Einmal mehr. Wie bereits im Vorjahr schieden die "Adler" im Viertelfinale der Playoffs aus, diesmal gegen den HC Bozen. Ein 1:2 auswärts besiegelte das Schicksal (Spielbericht>>>).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Gut gestartet, dann nachgelassen, schließlich die Mindestanforderungen erfüllt. Der VSV blickt auf eine wechselvolle Saison zurück. Mehrere Personalwechsel standen dabei im Mittelpunkt.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller nimmt die Saison des Kärntner Traditions-Klubs unter die Lupe. 

Die Saison

Zu Beginn der Saison sah's noch nach einem souveränen Einzug unter die Top-6, wenn nicht sogar die Top-4 aus. Erste Gewitterwolken zogen auf, als der letztjährige Top-Scorer Anthony Luciani Opfer eines Verkehrsunfalls wurde. Er erholte sich zwar schnell, fand aber nie mehr seine Vorjahresform und das Tischtuch zwischen ihm und dem Verein war schon vor seinem Abgang im Jänner zerschnitten.

 

Schon zuvor ging es aber mit dem Team bergab, eine Derbyniederlage vor dem November-Break sorgte (wie so oft) für Unruhe. Coach Rob Daum musste dann nach einem 3:6 gegen Ljubljana gehen. In den letzten Saisonen lief der VSV ab diesem Zeitraum meist zu besserer Form auf, unter Nachfolger Marcel Rodman wechselten sich jedoch gute und schlechte Leistungen ab. Mit einem 1:0 gegen Innsbruck wurden die Top-6 dann hauchdünn festgezurrt, ein Trainereffekt war aber nie spürbar.

Die Playoffs

Bei der 1:4-Serienniederlage gegen den HCB Südtirol standen Fouls und Sperren im Vordergrund. Mit drei Sperren (Maxime Golod, Andrew Desjardins, Robert Sabolic) gewann man das Suspens-Duell gegen die Füche (Scott Valentine) mit 3:1, verdünnte damit aber das ohnehin angespannte Personalkostüm (Rebernig und Richter standen gar nicht zur Verfügung) entscheidend.
Wie im Vorjahr war im Viertelfinale Schluss, der sechste Rang war der schwächste seit 2021. Die Playoff-lose Zeit zwischen 2017 und 2019 ist vorbei, aber den gewachsenen Ansprüchen (und auch Budgets) der letzten Jahre entsprachen die Adler heuer nicht.

Personalien

Luciani war der Offensivhero der Vorsaison, es ging dann schnell, bis er aus der Stadt gebuht wurde. Bis zu seinem Abgang tat sich personell nichts und auch danach dauerte die Suche länger an. Statt ihm und dem handverletzten Arturs Kulda (stand intern ohnehin in der Kritik) kam dann gleich ein Dreierpack. Und das in einer Phase kurz vor Transferschluss, wo der Spielermarkt eher der Sahelzone als einer blühenden Landschaft gleichkam, selbst potentere Teams keine Verstärkungen fanden. Als sich dann der Pulverrauch der ersten Spiele verzogen hatte, verdienten sich die drei Scouting-Reports und die fielen wie erwartet aus:

Für Anthony Luciani war alsbald Schluss in Villach.
Foto: © GEPA

Ethan Cap – nach drei Shifts kann sich ein Scout da schon die Abkürzung „BP“ notieren. Steht für „Basic Player“, der die Nadel in keiner Richtung zum Ausschlag bringt.

Tyler Steenbergen – ich habe ihn zuvor in Poprad gesehen, mir war klar, dass sein Körper noch nicht oder nicht mehr mitspielt. Er bräuchte nach seiner langen Pause (Hüftoperation) einen langen Trainingssommer und nicht unbedingt intensive Playoffs. Kein Wunder, dass Rodman dann wieder auf Blaz Tomazevic zurückgriff, der dem Verkehr nicht so sehr auswich wie Steenbergen.

Maxime Golod – er wirbelte zu Beginn, das tat er aber auch bei seinem vorherigen Arbeitgeber Nybro, wo die Euphorie schnell nachließ. „All the tools but no toolbox“ ist eine Scouting-Phrase für ihn, seine Effektivität steht weiter unter seinen Einzelfähigkeiten, über die (schwacher Schuss, limitierter Hockey Sense) man aber eigentlich auch streiten kann.

Von den Sommerverpflichtungen schlug Dylan MacPherson voll ein, brachte vor allem weit mehr Offensive als erwartet mit. Kevin Hancock hatte einen Durchhänger, sein Schuss ist aber eine Waffe und sein Skating überdurchschnittlich. Alex Wall agierte wie gewohnt solide, sollte mit 33 noch (mindestens) eine gute Saison vor sich haben.

Hätte man vor der Saison gesagt, dass MacPherson und Wall (nicht nur) punktemäßig vor Königstransfer Marc Katic stehen würden, hätte das niemand geglaubt, aber so war es. Katic – eisläuferisch immer noch sehr gut – hatte nie den erwarteten Impakt, vor allem im Powerplay: Zwei Saisontreffer sind ein Desaster.

Wie jedes Jahr (zuvor Daum und Desjardins) hat der VSV mit Katic einen Mann unter Vertrag, den man andernfalls verabschieden würde. Langfristige Verträge gibt der VSV relativ leicht aus, das ist oft kein Vorteil. Auch Philipp Lindner (noch bis 25/26 unter Kontrakt) ließ einer sehr guten eine reichlich schwache Saison folgen, als Österreicher hat er aber ohnehin andere Karten. Vielleicht war ihm auch die Bürde des Kapitänamts zu groß.

Erwarte im Gegensatz zum letzten Sommer einen großen Turnover unter den Legionären. J-P Lamoureux bleibt im Kasten, feiert aber schon in der Saisonvorbereitung seinen 40er.

Trainersuche

Nachdem auch Marcel Rodman nicht bleibt, braucht der VSV wieder einmal einen neuen Coach, Daum hielt sich in seiner zweiten Schaffensperiode immerhin drei Jahre im Sattel. Hier die Erfordernisse von Fans und Vorstand (die Trennlinie in einer Kleinstadt wie Villach ist nicht immer auszumachen):

  • Spielsystem soll Anklang finden und von oben akkordiert sein – siehe Interviews nach der Daum-Entlassung
  • Soll über längere Headcoaching-Erfahrung verfügen – dieser Mangel wurde Rodman schnell vorgeworfen und er gestand die Unterschiede zum Assistant-Coach-Dasein auch ein
  • Soll die alten Villacher Tugenden (Härte und Kampfgeist) fordern – nie berücksichtigend, dass die Heros von gestern heute nicht nur mit dem Regel-, sondern auch dem Strafgesetzbuch in Konflikt kämen. Aber wehe, die Spieler bekommen dann (wie in den Playoffs) Strafen oder gar Sperren
  • Soll sich bei der Spielerakquise einbringen, hat aber nicht das letzte Wort
  • Soll von Beginn an vorne mitspielen, das aber gleichzeitig mit der eigenen Jugend machen, völlig unabhängig von deren Tauglichkeit
  • Muss damit leben, dass jede Derby-Niederlage mehr zählt als nur drei verlorene Punkte
  • Sollte kein Peitschenknaller sein (Jyrki Aho), aber auch kein zu ruhiger Typ (Rodman).
  • Vorherige und nachherige Erfolge im Ausland (Dan Ceman) gehen in Villach öfters in der Wäsche raus
  • Soll nichts dabei finden, wenn ihm vereinsinterne Nachwuchstrainer ohne Konsequenzen in TV-Interviews an den Karren fahren

Ein breites Anforderungsprofil, das die Trainerfrage in Villach wohl zur spannendsten Personalie der Off-Season macht…


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