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Becker: "Das ist wichtiger als Vorhand oder Rückhand"

Die deutsche Tennis-Legende erklärt, was im Weltklasse-Tennis den Unterschied ausmacht.

Becker: Foto: © GEPA

Was macht den Unterschied zwischen einem sehr guten und einem absoluten Weltklasse-Spieler aus?

Geht es nach Boris Becker, geht es in den entscheidenden Momenten schlichtweg um die "mentale Stärke. Das ist eigentlich der entscheidende Faktor, ob man gewinnt oder verliert. Es ist also deutlich wichtiger als Vorhand oder Rückhand", erklärte die deutsche Tennis-Legende bei seinem Abstecher zu den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle.

"Die Schläge und die Physis sind natürlich die Grundlage, um überhaupt soweit zu kommen, dass es schlussendlich von der Mentalität abhängt." Am Ende gehe es laut Becker aber um die "Attitude".

"Das ist das Geheimnis für alle Spieler"

"Wie geht man mit einem engen Match um? Das ist das Geheimnis für alle Spieler. Die Gewinner gehen damit besser um als die Verlierer" so Becker, der darin auch seinen großen Wert als "Super-Coach" sieht.

"Denn damit kennen sich die wenigsten aus. Schließlich ist es etwas, dass du nur verstehst, wenn du selbst Spieler warst. Als Außenstehender kannst du nicht in die Situation reinfühlen, wenn du gerade einen Matchball auf den Turniersieg hast. Das kannst du nicht empfinden. Es sei denn, du hast es selbst einmal erlebt und weißt, wie es ist, ihn zu machen oder zu verschlagen."

Entscheidung für Rune wegen "Leidenschaft und Temperament"

Nachdem Becker bereits von 2014 bis 2016 als Super-Coach von Superstar Novak Djokovic fungierte, nimmt er seit einigen Tagen nun dieses Amt als Betreuer von Holger Rune ein. Der 55-jährige Deutsche soll den 20 Jahre jungen Dänen aus seiner seit Monaten andauernden Formkrise führen.

Anfragen von Spielern, die Becker gerne als Betreuer hätten, gäbe es genug. Warum sich der sechsfache Grand-Slam-Sieger ausgerechnet für eine Zusammenarbeit mit dem als schwierig geltenden Rune entschied?

"Das hat sehr viel mit Leidenschaft und Temperament zu tun. Ich kenne mich damit aus. Wenn man es gut einsetzt, kann es ein Riesenvorteil sein, leidenschaftlich und temperamentvoll Tennis zu spielen. Wenn man es nicht kontrolliert, geht es nach hinten los, aber zumindest hat er diese Qualitäten", sagt Becker über seinen neuen Schützling, der auf dem Platz nicht gerade den klassischen Vorurteilen eines nordischen Charakters entspricht. Rune lieferte sich in seiner bislang noch kurzen Karriere bereits einige hitzige Schrei-Duelle mit Schiedsrichtern und Kontrahenten.

Formtief als Vorteil

Das aktuelle Formtief sieht Becker für seine Arbeit als Coach eher als Vorteil. "Was mich an einer Zusammenarbeit mit ihm interessiert, ist natürlich auch, dass es gerade eine herausfordernde Zeit für ihn ist. Da macht das Arbeiten eigentlich mehr Spaß und da ist auch der Spieler offener für Veränderungen."

Becker glaube zudem nicht, dass der große Altersunterschied von 35 Jahren zum Problem werden könnte. "Ich habe auch Kinder in diesem Alter und weiß, wie ich die Aufmerksamkeit von meinen Kindern bekomme. Das ist die Generation der 20-Jährigen – die leben, denken und ticken anders als wir. Ich glaube aber nicht, dass das sein Problem ist. Wenn es sein muss, ist er aufmerksam und konzentriert."

"Grundsätzlich hat Holger das Herz am rechten Fleck. Er spielt leidenschaftlich Tennis und macht alles dafür. Das sind schon mal sehr gute Voraussetzungen", blickt Becker der Zusammenarbeit positiv entgegen.

"So eine Ära wird es nie wieder geben"

Freilich dürfe man sich von Rune auch keine Wunderdinge erwarten. Schließlich seien auch die prophezeiten Serien-Grand-Slam-Sieger von Carlos Alcaraz nach dessen Premierensieg bei den US Open 2022 nicht eingetroffen.

"Es haben früher auch nur sehr wenige Spieler sechs oder mehr Grand-Slam-Turniere gewonnen. Es ist sehr schwierig, ein Grand Slam zu gewinnen. So eine Ära mit drei Spielern wie Federer, Nadal und Djokovic, die alle über 20 Grand-Slam-Titel gewinnen, wird es nie wieder geben. Das ist mehr als außergewöhnlich", hält Becker jegliche Vergleiche mit den "Big Three" für wenig zielführend.

"Das sind nicht nur Spieler gewesen, sondern auch große Persönlichkeiten, die einen wahren Tennis-Boom ausgelöst haben. Wir hatten früher auch große Spieler wie Borg, McEnroe oder Sampras, aber die drei schlagen alles. Es ist glaube ich auch nicht ganz fair, diese drei mit anderen Spielern zu vergleichen. "

"Wir haben bei Alcaraz gesehen, dass er entgegen der Meinung vieler Experten doch nicht jedes Turniers gewonnen hat. Das ist nicht passiert. Der Umkleideraum schläft nicht. Die anderen Spieler schauen sich die Sieger genau an und versuchen, die Schwächen herauszufinden. Die Erwartungshaltung an junge Spieler ist heutzutage illusorisch."

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