Während die Formel-1-Welt ob der Rücktritts-Entscheidung von Nico Rosberg aus dem Staunen nicht herauskommt, bleibt einer gelassen: Lewis Hamilton.
"Das hat sicher viele Leute überrascht. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Leute, die nicht überrascht sind. Aber auch nur, weil ich ihn schon lange kenne", erklärt der langjährige Rivale Rosbergs am Freitag in Wien.
"Er hat mich zum ersten Mal in 18 Jahren geschlagen, daher kommt es für mich nicht überraschend, dass er nun aufhört."
"Einfach nur zwei Kinder, die fahren wollten"
Schnell wird klar: Die große Trauer bricht beim dreifachen Weltmeister am Tag des Rücktritts seines Widersachers nicht aus. Er spricht leise und mit stoischer Ruhe.
VIDEO: Hamilton spricht über den Rücktritt von Rosberg
Dabei erinnert er sich gerne an vergangene Zeiten. Es sind Worte, an denen man merkt, dass im Laufe der letzten Jahre viel Glas zwischen den beiden zerbrochen sein muss.
Angesprochen auf seine schönste Erinnerung mit Rosberg antwortet Hamilton nach langem Überlegen: "Das war noch als wir Kart gefahren sind. Es waren bessere Zeiten, in denen es Spaß gemacht hat. Es war ein Wettkampf ohne Anfeindungen, ohne Egos. Wir waren einfach nur zwei Kinder, die fahren wollten. Das war die beste Zeit mit ihm."
Keine Chance zur Revanche
Doch diese Zeit ist vorbei. Jetzt sind beide Weltmeister. Die Kindheitsträume haben sich erfüllt. "Es wird definitiv sehr eigenartig sein, ihn nicht im Team zu haben", so Hamilton.
Wohl auch aus dem Grund, dass ihm Rosberg so die Chance einer Revanche genommen hat.
"Ich würde nicht sagen, dass ich verärgert bin. Natürlich ist es jammerschade, dass er mir nicht erlaubt, zurückzuschlagen und mir den Titel zurückzuholen, aber es ist seine Entscheidung und die respektiere ich. Gehe an der Spitze solang du kannst."
Damit verfolge der Deutsche einen ganz anderen Weg als er. "Ich habe einen anderen Blick auf die Dinge. Ich habe die WM in den letzten zwei Jahren gewonnen und uns die Möglichkeit gegeben, es zu wiederholen. So bin ich eben."
Nachsatz: "Noch einmal. Wir sind 18 Jahre miteinander gefahren. Das ist nicht das schlimmste Szenario für mich."
Seitenhieb auf Vettel und Alonso
Bleibt offen, welchen Fahrer Hamilton nun als neuen Teamkollegen bekommt. Eine Frage, die den Briten vorerst kaum zu kümmern scheint: "Es ist egal, wen sie aussuchen. Ich bin hier, um zu fahren. Mein Fokus liegt auf der nächsten Saison, die hoffentlich besser wird."
VIDEO! Rosbergs Rücktritt im Wortlaut:
Hamilton wolle sich bestimmt nicht in die Fahrerwahl einmischen oder sogar ein Recht darauf besitzen, zu entscheiden, wer sein Kollege wird. "Ich habe diesbezüglich nie Forderungen gestellt. Ich kenne viele andere Fahrer wie Sebastian (Vettel, Anm.) oder Fernando (Alonso, Anm.), die sich das sogar in ihren Vertrag schreiben lassen."
Er selbst habe diese Sonderstellung nicht notwendig: "Alles was ich will, sind gleiche Rechte. Solang wir fair behandelt werden, ist es egal, wer neben dir fährt. Wir haben eine großartige Team-Führung, die eine gute Entscheidung treffen wird."
Soll sein neuer Kollege jemand sein, der ihn zu neuen Topleistungen treibt? "Ich habe nie einen Teamkollegen gebraucht, der mich pushen musste. Je besser der Fahrer ist, umso besser ist es für mich, wenn ich vor ihm bin."
Hört Hamilton auch bald auf?
Wichtig sei aber, ein konstantes Team zu haben, schließlich sei die Konstrukteurs-WM das erste Ziel. Und der Kampf darum werde im nächsten Jahr mit Red Bull Racing wieder härter werden, glaubt Hamilton, der nicht einmal unbedingt vom Team gefragt werden will, was seine Vorstellungen sind.
"Das ist mir wirklich egal. Wenn sie mit mir reden wollen, dann können sie das. Es muss jemand sein, der ins Team passt. Es gibt da draußen gute und bessere Kandidaten und ich wäre froh, wenn ich bei der Analyse helfen könnte", würde er aber mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Dabei stellt sich auch die Frage wie lange noch. Angesprochen auf seine langfristige Zukunft stellt Hamilton ebenfalls ein Karriereende in Aussicht.
"Ich liebe Rennfahren noch immer. Ich habe die letzten vier Rennen gewonnen, es ist immer noch ein positives Jahr. Ich schulde Mercedes viel. Sie haben mich in die Formel 1 gebracht und mir das ermöglicht, was ich erreicht habe. Ich bin stolz, in diesem Team zu sein, Teil dieser Marke zu sein. Und ich freue mich auf die Zukunft."
Aber: "Wer weiß, vielleicht kommt mein Ende ja auch schon bald."
Andreas Terler